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Frage von Sandro H. •

Frage an Werner Jostmeier von Sandro H. bezüglich Staat und Verwaltung

Sehr geehrter Herr Jostmeier,

eine Neugliederung der Länder, immer wieder gefordert, ist angeblich nicht durchsetzbar, weil ihr regionale Interessen entgegenstehen. Gerade die kleinen, armen Länder wie Bremen oder das Saarland wehren sich dagegen, in größeren Ländern aufzugehen und ihre Selbstständigkeit aufzugeben. Warum eigentlich?
Eine Neugliederung der Bundesländer wäre jedoch dringender erforderlich als noch 2006. Überlegungen, im Rahmen der Föderalismusreform II finanzielle Anreize für Länderfusionen zu schaffen, hat es augenscheinlich nicht gegeben.

Können Sie mir mitteilen, was das Land NRW im Besonderen und die Ländervertretungen im Allgemeinen in Bezug auf eine Förderalismusreform 3.0 tun. Wie ist die aktuelle Position der Landes-CDU zu diesem Thema?

Mit freundlichen Grüßen
Sandro Heinze

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Heinze,

über die Internetseite „Abgeordnetenwatch“ hat mich Ihre Frage zum Stand der Föderalismusreform 3.0 erreicht. Aufgrund der Konkretheit der Fragen, kann ich davon ausgehen, dass Sie bei dieser Thematik „Neugliederung der Bundesländer“ im Stoff stehen, und ich deshalb auf Details nicht eingehen brauche.

Ich beantworte dies gerne, da ich in meiner früheren Funktion Sprecher (2000-2005) und Vorsitzender (2005-2010) im Hauptausschuss des Landtags von Nordrhein-Westfalen war. Heute bin ich Vorsitzender des Europaausschusses und vertrete das Land im AdR in Brüssel. Da Sie auch nach der Position der Landes-CDU fragen, habe ich mir erlaubt, diese Antwort abzustimmen mit dem jetzigen Sprecher im Hauptausschuss und stellv. Vorsitzenden der CDU-Fraktion, dem Kollegen Armin Laschet, Minister a.D., sowie dem Generalsekretär der Landes-CDU Herrn Oliver Wittke.

Die frühere Muss-Vorschrift im Grundgesetz zur Neugliederung des Bundesgebietes (Art. 29I GG a.F.) ist später in eine Kann-Vorschrift (Ges. vom 23.08.1976) umgewandelt worden. Im Zuge der Verhandlung zum Beitrittsvertrag (Sommer1990) ist den Verhandlungsführern und der damaligen Bundesregierung vorgeworfen worden, man habe die Chance zur Neugliederung des Bundesgebietes bei dem Wiedervereinigungsvertrag verpasst.

Dieser Vorwurf trifft nur zum Teil zu: Wenn es eine Chance gegeben haben mag, dann ist sie auch nicht zuletzt deshalb nicht wahrgenommen worden, weil sowohl die große Mehrheit der Menschen in der ehemaligen DDR als auch die Verhandlungsführer sehr viel Wert darauf gelegt haben, die historischen fünf neuen Bundesländer auf dem Gebiete der Ex-DDR neu zu konstituieren.

Wie Sie wissen, hat es dann wenige Jahre später den Versuch gegeben, Brandenburg und Berlin zu vereinen, was jedoch an den Mehrheiten bei der Volksabstimmung in Brandenburg gescheitert ist. Vielleicht hat man diesen Versuch einige Jahre zu früh gestartet, weil die Befürchtung der Menschen in Brandenburg, von der aufstrebenden Hauptstadt Berlin „an die Wand gedrückt zu werden“, zu groß war. Nach damaligen Berechnungen der Finanzministerien in Berlin und Brandenburg hätte eine solche Fusion durch zahlreiche Synergieeffekte bei Verwaltung und Behörden dem Steuerzahler jährlich einen Betrag von ca. einer Milliarde DM erspart.

Bei den weiteren Diskussionen und Vorstößen zur Neugliederung des Bundesgebietes ist auch stets das Kostenargument als das Wesentliche in die Diskussion gebracht worden. Neben dem Kostenargument sind aber insbesondere auch Verwaltungseffizienz und gleiche schulische und Wettbewerbsbedingungen zwischen den Bundesländern von Bedeutung.

Obwohl zahlreiche Zeitungen und Staatsrechtler im Juni 2006 im Zusammenhang mit der Förderrealismusreform I von der „größten Staatsreform seit 1949“ (Zeitung „Die Welt“, vom Freitag, den 23. Juni 2006) titelten, hat bei den Förderrealismusreformen I und II die Neugliederung des Bundesgebietes keine ernsthafte Rolle gespielt. Die Föderalismusreform I wollte und hat weitgehend auch bewirkt: Klare Zuständigkeiten, schnellere Gesetzgebung und ein effektiverer Staat.

Bei der Föderalismuskommission II, ab März bis Ende des Jahres 2007, ging es im Wesentlichen um die zukunftsfähige Gestaltung der Finanzsysteme, insbesondere um den Vorschlag von Verschuldensgrenzen und die Einrichtung eines Frühwarnsystems zur Stärkung von Haushaltsdisziplin bei Bund und Ländern.

Jetzige Rechtslage:
Das 42. Gesetz zur Änderung des GG vom 27.10.1994 fügte Artikel 29 Absatz 8 hinzu und brachte eine Vereinbarung der Neugliederung durch Staatsvertrag. Ein solcher Staatsvertrag zwischen Ländern bedarf der Bestätigung durch Volksentscheid in jedem beteiligten Land oder auch Teilgebiet. Ein Bundesgesetz ist nicht erforderlich, wohl aber Bedarf der Staatsvertrag einer Zustimmung des Bundestages.

Vorstöße und konkrete Vorschläge zur Neugliederung des Bundesgebietes hat es insbesondere Anfang der 90iger Jahre nach der Wiedervereinigung und im Zusammenhang mit den Förderrealismusreformen 2003 bis 2009 gegeben. Beteiligt waren daran, neben Vertretern der Wirtschaft, wie Hans-Olaf Henkel, auch Spitzenpolitiker aller Parteien, wie Wolfgang Schäuble, Edmund Stäuber, Henning Voscherau, Günther Oettinger, Peter Struck, Matthias Platzeck bis zum Bund der Steuerzahler (vergleiche dafür für viele andere „Die Welt“, vom 20. Januar 2003, Seite 4 und „Süddeutsche Zeitung“, vom 22. Juni 2006, Seite 4).

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Hans-Jürgen Papier, hat mehrfach und sehr profund die Notwendigkeit einer Neugliederung des Bundesgebietes mit einer Verminderung der Zahl der Bundesländer begründet (vgl. u. a. „Bonner Generalanzeiger“, vom 21.09.2004). All diese Vorschläge haben eines Gemeinsam: Niemand bestreitet vor dem Hintergrund effizienteren Verwaltungshandelns, gemeinsamer Schulstandards und der Notwendigkeit zur sparsamen Staatsverwaltung die Dringlichkeit der Reduzierung der Bundesländer.

Wenn es jedoch um die konkrete Vorbereitung geht, halten alle Beteiligten als Bedenkensträger die Fahnen hoch in den Wind. Spitzenpolitiker, die bereits mehrere Neugliederungsversuche begleitet haben, sind skeptischer denn je. So meinte etwa Helmut Kohl Mitte der 90iger Jahre: „Ich habe in meinem politischen Leben so viele Ländergrenzen - Neugliederungsdiskussionen mitgemacht, dass ich für den Rest meines Daseins mich in dieser Frage nie mehr engagieren werde.“ Zitiert nach „Tagesschau.de“, vom 12. Juni 2006.

Meine persönliche Meinung ist, dass wir nach Erledigung unserer aktuellen Hausaufgaben (Energiewende, Staatsschuldenkrise, Stabilisierung des Euro, Lösung der kommunalen Finanzprobleme) nicht zuletzt auch aus europäischen Erwägungen die vom GG vorgesehene Neugliederung angehen sollten. Die Knappheit der öffentlichen Finanzen, die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik und die Beteiligung der Länder innerhalb der Meinungsbildung auf europäischer Ebene machen das notwendig. Das Land Nordrhein-Westfalen und auch die NRW-CDU haben sich aus guten Gründen bei dieser Diskussion zurückgehalten: Alle vorliegenden Denkmodelle haben zum Inhalt, dass Nordrhein-Westfalen nie von einer solchen Neugliederung betroffen sein würde.

Abschließend hoffe ich, dass nicht nur die föderale Struktur Deutschlands und Europas durch eine Neugliederung des Bundesgebietes mit sieben oder acht Bundesländer, bei etwa grob geschätzten jährlichen Einsparungen von Verwaltungs- und Staatskosten in Höhe von drei bis vier Milliarden Euro, sondern auch die Identitätsstiftende Wirkung von Regionen und somit auch von landsmannschaftlich ausgerichteten Bundesländern gestärkt wird.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Werner Jostmeier MdL