Frage an Walter Strutz von Dietmar B. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Strutz,
zunächst vielen Dank für Ihre Ausführungen.
Sie rechtfertigen den Bürokratismus bei Hartz IV als ein Kontrollsystem gegen Missbrauch der Sozialsysteme.
Läuft man mit solchen Äußerungen nicht Gefahr den liberalen Gedanken für das Bedienen von Stammtischmeinungen zu opfern? Sie wissen doch selbst, dass durch Steuerbetrug dem Staat ein wesentlich höherer Schaden entsteht, als durch Missbrauch bei Hartz IV.
Will man der Logik dieser Argumentation folgen, so stellt sich doch die Frage welches Kontrollsystem man einführen müsste um Steuerhinterziehung bzw Steuerumgehung durch die Wirtschaft zu verhindern. Hier sehe ich keine Bemühungen oder Vorschläge seitens ihrer Partei.
Ist es mit Ihrem Verständnis des liberalen Gedankens vereinbar, dass bei der Wirtschaft mit Anreizen, bei den Arbeitslosen mit Druck reagiert wird ?
Wenn Sie der Auffassung sind ein wirtschaftlicher Aufschwung und steigende Gewinne würden automatisch zu Arbeitsplätzen führen, wie erklären sie dann, die Situation in Polen, wo es seit Jahren ein Wirtschaftswachstum von fast 5% gibt, die Arbeitslosenzahlen aber stagnieren? Wie ist es nach Ihrer Meinung zu erklären dass gerade die Unternehmen mit Riesengewinnen in Deutschland Mitarbeiter entlassen ? Ist es nicht so, dass die Gewinne eher in Rationalisierung und damit in Arbeitsplatzabbau investiert werden, statt in eine Erhöhung der Mitarbeiterzahl ?
Sehr geehrter Herr Brach,
ich habe mit dem Hinweis des Missbrauchsschutzes keine Rechtfertigung für den Bürokratismus bei diesem, aus meiner Sicht, ineffizienten Modell verbunden. Sie stimmen mir mit Sicherheit zu, dass die sinnvolle Verwendung von Steuergeldern im Sinne aller Bürger nachvollziehbar sein muss.
Ich gebe Ihnen Recht, wenn Sie ausführen, dass durch Steuerbetrug, aber auch das Nutzen von legalen Schlupflöchern ein wesentlich größerer volkswirtschaftlicher Schaden entsteht, wobei ich festhalten muss, dass ich trotz aller Kritik an Hartz IV, die Sozialleistungen dieses Systems nicht als volkswirtschaftlichen Schaden bezeichnen möchte. In der Grundaussage gebe ich Ihnen Recht. Nun ist aber die Annahme falsch, wir müssten im Steuerrecht Kontrollsysteme einführen.
Als Liberaler bin ich der festen Überzeugung, dass ich die derzeit sichtbaren Probleme, sei es Hartz IV oder das Steuerrecht, nicht durch "Reparaturmaßnahmen" im Nachhinein verbessere oder gar löse. Die Probleme liegen in der Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik - also muss man einen Schritt früher ansetzen. Die FDP bezieht aus meiner Sicht nachvollziehbar und logisch in diesen Fragen eindeutig Stellung. So hat die FDP hat am 15. Februar 2006 ein Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag eingebracht, der die Einkommens- und Unternehmensbesteuerung umfassend regelt. Insofern bedauere ich, dass Sie hiervon noch keine Kenntnis hatten. Folgt man diesem Vorschlag, so wird für die Bürger das Steuerrecht wieder einfach und verständlich. Die vorhandenen Ausnahmen werden konsequent abgeschafft und alle Bürger werden entsprechend ihrer individuellen Leistungsfähigkeit gleichmäßig und gerecht zur Besteuerung herangzogen. Grundlage bildet ein Stufentarif von 15%, 25% und 35% sowie ein Grundfreibetrag in Höhe von 7.700 Euro für jedes Familienmitglied. Mit diesem Gesetzentwurf wird auch für die Unternehmen ein international wettbewerbsfähiges und rechtsformneutrales Steuerrecht geschaffen.
Was den letzten von Ihnen angesprochenen Punkt angeht so bleibt festzuhalten, dass die Vorgehensweise mancher Großunternehmen mich ebenso verärgert wie Sie. Man muss sich allerdings den einen oder anderen Riesengewinn genauer anschauen. Ein Beispiel: Wenn ein Unternehmen in schwierigen Zeiten seinen Gewinn halbiert hat und es diesem Unternehmen dann wieder gelingt, die "alten" Gewinne einzufahren, so kommt dies einer Steigerung von 100 % gleich, auch wenn nur wieder ursprüngliche Ziele erreicht wurden. Insofern muss man solche Entwicklungen differenziert betrachten. Wichtig ist, dass sich die Unternehmen - hier speziell die Großunternehmen - ihrer sozialen Verantwortung bewusst werden. Das ein nicht zu unterschätzender Anteil der Unternehmensgewinne in die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen investiert wird und sich dies durch Abbau der Arbeitsplätze bemerkbar macht zeigt, wie wichtig die richtigen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, wie z.B. Senkung der Lohnnebenkosten, Steuerreform etc. sind. Es entspricht auch der Tatsache, dass es sich bei den Unternehmen, die eine solche Praxis an den Tag legen um einzelne Großunternehmen handelt. Der große Mehrheit der Arbeitsplätze stellen mittelständische Unternehmen zur Verfügung. Gerade in Rheinland-Pfalz arbeiten über 70% aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigen in mittelständischen Betrieben. Sie bilden mehr als 85% der Auszubildenen aus. Zudem werden in Rheinland-Pfalz 90% der neuen Arbeitsplätze vom Mittelstand geschaffen. An diesen Zahlen wird deutlich, wie wichtig die richtigen Rahmenbedingen sind, zumal der typische Mittelständler besonders hierauf angewiesen ist.
Aus diesem Grund bin ich sicher, dass die richtigen Rahmenbedingungen zu mehr Beschäftigung und Wachstum führen. Die derzeitige Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners in Berlin wird die grundlegenden Aufgaben nicht anpacken. Stattdessen werden aus 2 % Mehrwertsteuerhöhung der CDU und 0% der SPD jetzt 3% Erhöhung, womit die Vermutung bestätigt wird, dass man lieber dem Bürger das Geld aus der Tasche zieht als die Ausgaben des Staates zu reduzieren oder vorhandene Systeme zukunftsfähig zu gestalten.
Mit freundlichen Grüßen
Walter Strutz