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Walter Scheuerl
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Frage von Benjamin H. •

Frage an Walter Scheuerl von Benjamin H. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Dr. Scheuerl,

zwei Fragen habe ich Ihnen bereits gesendet. Herzlichen Dank für Ihre Antworten. Auf Bitte von Abgeordnetenwatch kommen die übrigen Fragen hier gesammelt.

3. Freihandelsabkommen: Was ist Ihre persönliche Meinung zu TTIP, CETA und zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit?

4. Bebauungspläne: Wie können die letzten größeren Grünflächen erhalten werden? Sind Sie für Bebauungspläne, die der vorhandenen Bebauung gerecht werden?

5. Umwelt- und Naturschutz: Lärmschutz, Luftreinheit, Klimaschutz und Naturschutz - was wollen Sie zuerst verbessern?

6. Energiewende: Wie können Endverbraucher Windstrom nachts günstig speichern; kann Hamburg Energie variable Stromtarife einführen?

7. Flüchtlinge: Wie können wir HamburgerInnen unsere Verantwortung wahrnehmen?

8. Bildung oder Kultur: Welches Projekt liegt Ihnen persönlich besonders am Herzen?

9. Wirtschaft: Wie können wir den lokalen Einzelhandel stärken und in den Stadtteilzentren mehr Aufenthaltsqualität erreichen?

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Antwort von
SCHEUERL

Lieber Herr H.,

wir kennen uns ja von den Info-Ständen im Wahlkampf, an denen Sie für die GRÜNEN tätig sind, deshalb erlauben Sie mir diese persönliche Anrede. In der Sache haben Sie sicher Verständnis dafür, dass ich Ihren schon sprachlich sehr GRÜN-lastigen Fragenkatalog in der gebotenen Kürze beantworte, damit die Übersichtlichkeit nicht leidet:

3. Freihandelsabkommen: Was ist Ihre persönliche Meinung zu TTIP, CETA und zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit?

Die Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) und das Comprehensive Economic and Trade Agreement(CETA) zwischen der Europäischen Union und den USA bzw. Canada sind eine große Chance für Hamburg und Deutschland. Die bereits im EU-Wahlkampf 2014 und seither auch weiterhin insbesondere von den GRÜNEN und den LINKEN unterstützten Kampagnen gegen diese beiden Freihandelsabkommen stellen aus meiner Sicht eine sachlich und fachlich nicht begründete Angstkampagne dar, die auf falsche Annahmen gegründet, rückwärtsgewandt, widersprüchlich und letztlich auch ein gutes Stück protektionistisch ist (siehe dazu auch meine Rede in der Hamburgischen Bürgerschaft v. 21.5.2014: http://youtu.be/ic9-KiLAE0s). Das Gleiche gilt, soweit in dieser Angstkampagne gegen die jeweils verhandelten internationalen Schiedsgerichtsbarkeiten argumentiert wird. Ideologie ersetzt eben nicht immer die zur Beurteilung komplexer Zusammenhänge notwendige Fachlichkeit. Das hat auch der Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN in Hamburg, Jens Kerstan, scheinbar erkannt, als er gegenüber der ZEIT das in der Fraktion der GRÜNEN nur unzureichend vorhandene Fachwissen ansprach:

ZEIT v. 14.5.2014: "Man braucht Mut zur Lücke"
http://www.zeit.de/2014/19/hh-interview-jens-kerstan

Auszug:

ZEIT: Hamburgs Abgeordnete setzen bei Abstimmungen auf Mut zur Lücke?

Kerstan: Da führt manchmal kein Weg dran vorbei. Nehmen wir den Netze-Rückkauf. Die Grünen hatten Akteneinsicht beantragt. Aber Zehntausende Seiten Akten zu prüfen, das ist schlicht nicht zu schaffen. So etwas ist auch beim Hapag-Lloyd-Deal passiert, bei der Elbphilharmonie, bei etlichen teuren, großen Weichenstellungen. Es geht da um komplizierte juristische Vorgänge – Baurecht, Energierecht, Beteiligungsrecht –, für deren Beurteilung man viel Fachwissen braucht. Eine kleine Fraktion wie unsere kann diese Expertise nicht vorhalten.

4. Bebauungspläne: Wie können die letzten größeren Grünflächen erhalten werden? Sind Sie für Bebauungspläne, die der vorhandenen Bebauung gerecht werden?

Diese Frage ist zu allgemein gestellt. Bebauungspläne müssen und sollen die zukünftige Entwicklung der Plangebiete im Blick haben.

5. Umwelt- und Naturschutz: Lärmschutz, Luftreinheit, Klimaschutz und Naturschutz - was wollen Sie zuerst verbessern?

Hamburg ist hier bereits auf einem guten Weg. Die von Ihnen genannten "...-schutz"-Begriffe sind darüber hinaus jeweils nur eindimensional und nicht absolut zu setzen, wenn es daneben andere Ziele wie Lebensqualität, soziale Verträglichkeit usw. gibt.

6. Energiewende: Wie können Endverbraucher Windstrom nachts günstig speichern; kann Hamburg Energie variable Stromtarife einführen?

Der Erwerb technischer Einrichtungen zum Speichern von Strom ist keine Frage der Politik, es sei denn, man wollte den Bürgern aus einer etatistischen Weltsicht vorschreiben, dass und auf welche Weise sie bestimmte Speicheranlagen zu erwerben hätten. Davon unabhängig kann Hamburg Energie ebenso wie jeder andere Stromanbieter seine Tarife überdenken und überarbeiten. Auch das ist an sich keine politische Frage.

7. Flüchtlinge: Wie können wir HamburgerInnen unsere Verantwortung wahrnehmen?

Auch diese Frage suggeriert eine vorgegebene Antwort, nämlich die Antwort, dass Hamburg im Vergleich zu anderen Bundesländern eine hervorgehobene und besondere Verantwortung in Sachen "Flüchtlinge" habe. Das ist so allgemein wie undifferenziert. Natürlich kann Hamburg sicher noch mehr Flüchtlinge als bisher aufnehmen. Das gilt auch für Deutschland insgesamt. Gemessen beispielsweise an den Zahlen in der Schweiz oder in Frankreich oder Italien haben wir in Deutschland einen sehr niedrigen Anteil an Flüchtlingen. Das Thema Asyl- und Einwanderungspolitik muss man allerdings sehr differenziert und differenzierter betrachten, als es in so einer E-Mail geht. Ich will es in Grundzügen versuchen:

a) Asyl ist ein Grundrecht und uneingeschränkt zu gewähren, wenn jemand politisch oder aus sonstigen Gründen in seinem Heimatland verfolgt wird.

b) Es gibt zur Zeit geschätzt rund 50 Millionen Flüchtlinge auf der Welt. Die Dunkelziffer ist vermutlich sehr viel höher. Würde Deutschland – oder Hamburg – sich, ohne im demokratischen Prozess klare Voraussetzungen zu definieren bzw. zu beachten, bereit erklären, eine beliebigen Zahl von Flüchtlingen (darunter verstehe ich auch Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen den Schritt wagen, ihr Heimatland zu verlassen) aufzunehmen, würden unsere Sozialsysteme sehr schnell zusammenbrechen. Auch ein Streit über 5.000 oder 10.000 mehr oder weniger Aufnahmen ist bei globaler Betrachtung nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

c) Deshalb: Ja sicher, Hamburg kann mehr Flüchtlinge aufnehmen. Nach welchen Kriterien und wie viele, muss aber letztlich im Gesamtinteresse der Belastbarkeit der Sozialsysteme geprüft und demokratisch entschieden werden. Würden wir beispielsweise – Übertreibung schafft Klarheit – unsere Grenzen vollständig öffnen und würde sich das global via Handy, Skype und Viber herumsprechen, wäre Hamburg schnell überlaufen. Für Asylbewerber und wirklich Verfolgte stünde dann voraussichtlich kein Platz mehr zur Verfügung.

8. Bildung oder Kultur: Welches Projekt liegt Ihnen persönlich besonders am Herzen?

Mein politisches Interesse gilt, das wissen Sie, der Schulpolitik. Angesichts der hier von Schwarz-Grün (2008-2010) und unter der SPD-Alleinregierung (2011-2015) verursachten Schäden im Hamburger Schulsystem betrachte ich es als vorrangiges Ziel, die Fehler der zurückliegenden Jahre möglichst schnell und nachhaltig zu korrigieren: Das Sitzenbleiben als pädagogische Maßnahme und die externe, neutrale Zweitkorrektur im Abitur sind wieder einzuführen, die Stadtteilschulen haben spätestens ab Klasse 7 mit abschlussbezogen differenzierender Förderung zu beginnen, die Bildungspläne sind von „Kompetenzorientierung“ wieder auf Wissensvermittlung umzustellen, die Sonder- und Förderschulen erhalten eine Bestandsgarantie und Schüler mit Behinderungen ausnahmslos wieder individuelle Förderressourcen.

9. Wirtschaft: Wie können wir den lokalen Einzelhandel stärken und in den Stadtteilzentren mehr Aufenthaltsqualität erreichen?

Die Gestaltung der "Stadtteilzentren" ist Sache der Bezirke. Die Stadt- und Ortsteile sind zu unterschiedlich, als dass sich darauf in einer solchen E-Mail eine allgemeingültige Antwort geben ließe. Der lokale Einzelhandel kann in erster Linie durch realistische Geschäftsmieten gestärkt werden, die Einzelhändler bezahlen können. Das setzt eine vernünftige Bau- und Flächennutzungsplanung voraus, bei der hinreichende Flächen für eine entsprechende gewerblichen Nutzung vorgesehen ist, um den Wettbewerb um niedrige Geschäftsmieten überhaupt zu ermöglichen.

Mit besten Grüßen,

Ihr
Walter Scheuerl