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Volkhard Wille
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Herbert D. •

Ist der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung nur ein Lippenbekenntnis? Sind Sie sich der Nachteile einer fehlenden Kinderbetreuung bewusst (Fachkräftemangel, Altersarmut, Bildungschancen, Migration,..)?

Werter Herr Dr. Wille.
Jedes Kind in Nordrhein-Westfalen hat ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bis zum vollendeten dritten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung oder in Kindertagespflege und ab dem vollendeten dritten Lebensjahr einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung.
Die Kita-Träger entlassen Personal, obwohl es dort an Fachkräften mangelt. Ursache: Die Kitas können die gestiegenen Kosten durch Inflation und höhere Gehälter aber nicht mehr stemmen. Vielen Einrichtungen droht sogar die Insolvenz (https://www1.wdr.de/fernsehen/westpol/videos/kitas-verzweifelt-wie-nie-100.html). Dieses Situation führt nun dazu, dass weniger Kinder in Einrichtungen betreut werden können und somit mindestens ein Elternteil gebunden ist, welches keine oder nur stark eingeschränkt eine Berufstätigkeit aufnehmen kann. Dabei herrscht doch Fachkräftemangel in diesem Land und Altersarmut wegen geringer Rentenansprüche!

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr D.,

wir erleben im Bereich der Sozial- und Erziehungsberufe große Herausforderungen, die sich seit Jahren fortlaufend zuspitzen. Die existentiellen Sorgen der Träger, in personeller und finanzieller Hinsicht, werden der GRÜNEN Landtagsfraktion in vielfältigen Gesprächen mit Fachkräften und Trägern deutlich geschildert. Eins wird hierbei immer wieder klar: die Belastungsgrenze für viele Fachkräfte und Träger ist erreicht und auch schon überschritten. Das ist ein Zustand, der besorgniserregend ist.

Neben den Fachkräften und Trägern sind auch die Familien -die Eltern und die Kinder- durch die Situation belastet. Unstete Betreuungszeiten und fehlende Kita-Plätze erschweren die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Daher hat die GRÜNE Familienministerin Josefine Paul mit Bekanntgabe der Ergebnisse der Tarifverhandlungen intensive Gespräche und Verhandlungen geführt und um eine Lösung zur Abfederung der finanziellen Mehrkosten für die Kitas gerungen. Nur durch ihren konsequenten Einsatz und ihrer Beharrlichkeit zur Notwendigkeit einer Lösung, ist es gelungen, eine Überbrückungshilfe von 100 Millionen Euro zur Abfederung der personellen Mehrkosten für die Kitas der freien Träger auf den Weg zu bringen. Dieser Beitrag des Landes soll nach Beschluss über den Haushalt 2024 als sog. fachbezogene Pauschale ausgezahlt werden.

Zudem werden die Kindpauschalen zum 01.08.2024 um ca. 10% erhöht. Die frühe Bekanntgabe dieser Steigerung ist ein wichtiges Signal, da bereits jetzt und nicht erst zum Ende des Jahres die Höhe der Dynamisierung bekannt gegeben wurde und es somit bange Fragen obsolet macht.

Mit dem geplanten Aufwuchs im Kinderbildungsgesetz – hier sprechen wir neben den geplanten Dynamisierungen im Bereich der Kindpauschalen und der Überbrückungshilfe auch von weiteren Mitteln beispielsweise für Mietkostensteigerungen – gibt das Land nächstes Jahr insgesamt mehr als 550 Millionen Euro zusätzlich ins System. Mit dem Haushalt 2024 stehen – vorbehaltlich der Zustimmung des Haushaltsgesetzgebers – damit mehr als fünf Milliarden Euro für die frühkindliche Bildung zur Verfügung.

Als Reaktion auf die gestiegenen Energiekosten hatte die Landesregierung bereits zu Jahresbeginn allen im KiBiz-geförderten Kindertageseinrichtungen und Angeboten der Kindertagespflege 60,2 Millionen Euro zur Abfederung der Kostensteigerung zur Verfügung gestellt.

Dennoch würde auch ich mir wünschen, dass wir mehr Geld in die Hand nehmen können, um die Brücke bis zur regulären Dynamisierung der Kindpauschalen im August 2024 noch etwas breiter zu machen. Wir befinden uns jedoch in einer sehr angespannten Haushaltslage. Multiple Krisen wie die Corona-Pandemie, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine führen zusammen mit der Inflation, stark gestiegenen Zinsen, der Haushaltsnotlage im Jahr 2023 und vielem Mehr zu einer angespannten Finanzlage, was den finanziellen Spielraum einschränkt und verdeutlicht, dass die zur Verfügung stehenden Ressourcen endlich sind.

Jedoch möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass die schwierige Haushaltslage nicht mit der Haltung zu und Anerkennung der vielfältigen Herausforderungen in der Kita-Landschaft gleichgestellt werden kann. Wir sehen die Belastungen, die auf Trägern, Fachkräften, Eltern und auch den Kindern lasten und nehmen diese zu jeder Zeit ernst. Daher möchte ich betonen, dass unsere Kitas und die damit verbundenen Bedürfnisse von Kindern und ihren Familien mir im Zweifel wichtiger sind als eine schwarze Null im Haushalt. Um diesbezüglich in NRW handlungsfähig sein zu können, muss auch eine Entscheidung auf Bundesebene getroffen werden. Dabei darf es nicht darum gehen, wahllos Schulden aufzunehmen. Ziel muss sein, passgenaue Investitionen zu ermöglichen, die unser Land zukunftsfest machen. Und dazu gehört selbstverständlich auch die Investition in (frühkindliche) Bildung.

Für mich ist klar, dass eine gelingende frühkindliche Bildung sowie eine gesicherte qualitative Betreuung nur mit qualifizierten, gesunden, engagierten und auch ausreichenden Fachkräften mit gleichzeitig guten Arbeitsbedingungen ermöglicht werden kann. Der frühkindlichen Bildung kommt mit Blick auf die Chancen- und Bildungsgerechtigkeit eine wichtige Aufgabe zu. Durch die Kita können insbesondere Kinder profitieren, die über geringe familiäre Ressourcen verfügen. Hier können Wege geebnet, fehlende Ressourcen kompensiert, frühzeitig an andere Fach- und Beratungsstellen vermittelt werden usw. Auch bietet die Kita für viele Kinder einen Schutzfaktor. All dies ist uns bewusst und daher war und ist es uns ein ernstes Anliegen, die Träger zu unterstützen.

Es ist klar, dass die obengenannten Schritte die komplexen Problemlagen in der Kita-Landschaft nicht vollständig lösen. Die Herausforderungen im System der frühkindlichen Bildung bleiben groß. Sie sind allgegenwärtig und gesamtgesellschaftlich spürbar. Daher arbeiten wir weiterhin mit höchster Priorität an den Herausforderungen im Bereich der Sozial- und Erziehungsberufe. So wird auch die vom Familienministerium angekündigte Fachkräfteoffensive derzeit sukzessive umgesetzt.

Änderungen, welche die Finanzierungssystematik des Kinderbildungsgesetzes betreffen, werden u.a. im Rahmen der anstehenden Novellierung sorgfältig geprüft. Die vielfältigen Impulse, die seitens der Fachkräften der frühkindlichen Bildung and die GRÜNE Landtagsfraktion herangetragen werden, wurden und werden an das Familienministerium weitergegeben, um diese in den Überarbeitungsprozess einzubeziehen und auf Umsetzungsmöglichkeiten zu prüfen.

Ich bedanke mich herzlich für Ihr Engagement.

Mit freundlichen Grüßen

Volkhard Wille

Sprecher für Natur- und Umweltschutz
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag NRW

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