Frage an Volker Ullrich von Antje H. bezüglich Migration und Aufenthaltsrecht
Hallo Herr Ullrich,
Warum haben Sie gegen die Aufnahme der unbegleiteten minderjährigen Kinder gestimmt?
Die Zustände in Moria sind menschenunwürdig, nicht erst seit den Großbränden im Lager. Zahlreiche Hilfsorganisationen haben darauf hingewiesen. Was unternehmen Sie, um eine unmittelbare Evakuierung des Lagers politisch zu erzwingen und den Geflüchteten menschenwürdige Behandlung zu ermöglichen? Welche kurz- und langfristigen Maßnahmen treiben Sie voran um Zustände wie in Moria zu beenden und langfristig Zuwanderungsmöglichkeiten zu schaffen?
Mit freundlichem Gruß
Sehr geehrte Frau Hentrich,
vielen Dank für Ihre Frage. Die Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Brand machen erneut deutlich, wie dringend eine gemeinsame europäische Antwort in der Migrations- und Flüchtlingspolitik ist. Das Gebot der Stunde heißt jetzt Griechenland die erforderliche Unterstützung vor Ort zukommen zu lassen.
Deutschland hat Griechenland bereits in der Vergangenheit auf vielfältige Weise unterstützt und tut das auch weiter. So wurden im Dezember 2019 insgesamt 55 LKW- Ladungen mit Hilfsgütern an Griechenland übergeben. Zusätzlich beteiligte sich Deutschland im März 2020 im Rahmen des EU-Katastrophenschutzverfahrens mit Hilfsgütern im Wert von 2,4 Mio. Euro für Griechenland.
Auch in der aktuellen Situation helfen wir selbstverständlich wieder vor Ort. Schon in der Nacht vom 10. auf den 11. September 2020 wurde der erste Hilfskonvoi des THW mit Zelten, Feldbetten, Schlafsäcken und anderen Materialen, die der Unterbringung der obdachlos gewordenen Menschen dienen, auf den Weg gebracht. Weitere Lieferungen von Hilfsgütern, unter anderem Sanitätscontainer, sind in den darauffolgenden Tagen entsandt worden. Sollte Griechenland weitere Unterstützung benötigen, steht Deutschland natürlich weiterhin bereit.
Wir belassen es aber nicht bei der Hilfe vor Ort, sondern entlasten Griechenland zusätzlich durch Übernahme von Migranten und Flüchtlingen von den Inseln. Schon vor dem Brand übernahm Deutschland sowohl unbegleitete Minderjährige als auch kranke, behandlungsbedürftige Kinder und deren Kernfamilie im Rahmen einer europäischen Initiative. Nach Abschluss dieser Aktion wird sich die Zahl der Personen auf rund 1.000 Personen belaufen. Zusätzlich hierzu hat die Bundesregierung angesichts der akuten Lage auf Lesbos angekündigt, im Rahmen einer gemeinsamen europäischen Aktion bis zu 150 weitere unbegleitete Minderjährige zu übernehmen. Darüber hinaus wurde Griechenland zur weiteren Entlastung angeboten, einmalig 408 Familien mit insgesamt 1.553 Personen zu übernehmen. Diese Menschen haben in Griechenland ein reguläres Asylverfahren durchlaufen und einen anerkannten Schutzstatus erhalten.
Deutschland kann die Migrationsfrage jedoch nicht allein lösen. Eine nachhaltige Lösung in der Migrations- und Flüchtlingspolitik werden wir auf europäischer Ebene nur durch eine echte Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems erreichen. Angesichts der umfassenden Herausforderung durch das Thema Migration und Flucht in einem Europa ohne Binnengrenzen ist ein gemeinsames europäisches Vorgehen zwingend erforderlich. Nationale Alleingänge können nie mehr als ein Stückwerk sein, mit welchen keine nachhaltige Lösung des Problems erreichbar ist.
Sehr geehrte Frau Hentrich, seien Sie versichert, dass sich die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag auch weiterhin für eine deutliche Verbesserung der humanitären Lage auf den griechischen Inseln im Rahmen einer gemeinschaftlichen und koordinierten Politik der Europäischen Union einsetzen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Ullrich