Frage an Volker Kröning von Christoph G. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Paul Kirchhoff faßt seinen Steuervorschlag www.bundessteuergesetzbuch.de wie folgt zusammen: „Das EStGB kehrt in radikaler Vereinfachung und striktem Subventionsverzicht zu den Grundgedanken der deutschen Einkommensteuer zurück. Kurz und in einfacher, klarer Sprache macht es die Belastungsgründe und die tatbestandlichen Voraussetzungen der Einkommensteuer deutlich. Die Kürze erreicht das EStGB durch systematische Vereinfachungen: Ein einheitlicher Grundtatbestand, die Besteuerung aller Wirtschaftsorganismen jeweils in einer steuerjuristischen Person und ein einheitlicher Steuersatz mit progressionsbegründenden Abzügen in der Bemessungsgrundlage machen es möglich, die Unterscheidung nach Einkunftsarten und nach der Rechtsform des Steuersubjekts aufzugeben. Hierdurch gewinnt das EStGB an Systematik, Plausibilität und Gerechtigkeit. Lenkungs- und Subventionstatbestände entfallen; die verbreiterte Bemessungsgrundlage erlaubt eine aufkommensneutrale Absenkung der Steuertarife. Kindergeld und die Übertragbarkeit der persönlichen Steuerbeträge unter Ehegatten verwirklichen eine ehe- und familiengerechte Besteuerung gemäß Art. 6 Abs. 1 GG.“
Was spricht nach Ihrer Überzeugung gegen ein solches vereinfachtes Steuermodell? Mir ist noch ein Interview mit dem größten Immobilienbesitzer in Hamburg in Erinnerung, der zugab, dass er durch das deutsche Steuerrecht bedingt keine Steuern bezahlen muß.
Sehr geehrter Herr Gäbler,
vielen Dank für Ihre Frage nach dem Steuermodell von Paul Kirchhof.
Ja, das Modell klingt so einfach und einleuchtend. Alle sollen den gleichen Steuersatz zahlen, das Einkommensteuerrecht wird radikal vereinfacht, und die Steuererklärung ist in 10 Minuten zu machen.
Was aber steckt wirklich dahinter? Zunächst einmal ist es für mich eine Frage der Gerechtigkeit. Es ist schwer einzusehen, warum Geringverdiener und Besserverdiener beide gleichermaßen 25 % Steuern zahlen sollen. Wenn der Manager genauso viel Steuern zahlt wie seine Friseuse halte ich dies für ungerecht. Für mich gilt vielmehr: Jeder soll nach seiner Leistungsfähigkeit zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen, deshalb halte ich am progressiven Tarif fest.
Auch die Finanzminister aller Bundesländer haben Mitte des Jahres 2004 festgestellt:
„Das Bestreben, Normen zu reduzieren, darf nicht übersehen, dass hoch komplexe Lebenssachverhalte auch eines angemessenen Maßes an steuerlichen Regelungen bedürfen und eine übermäßige Verkürzung zwangsläufig zu Problemen führt.“
Wie Sie sicher wissen, ist die Bundesregierung in der vergangenen Legislaturperiode für massive Streichungen von Steuersubventionen eingetreten, wie sie nun auch Herr Kirchhof fordert. Allerdings war es die Union, die im Bundesrat die von ihrem revolutionären Finanzexperten geforderten Streichungen blockierte.
Es gibt aber auch sog. Steuersubventionen, die aus meiner Sicht nicht einfach abgeschafft werden sollten. Hierzu gehört z.B. die Pendlerpauschale. Wir leben in einer mobilen Welt und fordern von unseren Arbeitnehmern Flexibilität und das Zurücklegen weiter Strecken zum Arbeitsplatz. Arbeitnehmer, die dies auf sich nehmen, durch die Streichung der Pendlerpauschale zu belasten, halte ich für kontraproduktiv. Gerade Bremen mit seinen zahlreichen „Einpendlern“ ist ein anschauliches Beispiel.
Weiterhin irritieren mich schon länger die Rufe nach einer Steuererklärung auf dem „Bierdeckel“ oder in „10 Minuten“. Denn die vereinfachte Steuererklärung für Arbeitnehmer gibt es schon heute. Das ist nur ein DIN-A 4-Blatt, das auch in wenigen Minuten ausgefüllt ist.
Lassen Sie mich einen letzten Punkt nennen, der aus meiner Sicht gegen das Kirchhof-Modell spricht: Es führt – bisher unwiderlegt – zu Einnahmeausfällen von rd. 43 Mrd. Euro pro Jahr für die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden. Es ist nicht erkennbar, wie Herr Professor Kirchhof und seine Experten dies – auch und gerade in einer Übergangsphase – ausschließen können.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Kröning