Frage an Volker Kröning von Matthias S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Lieber Herr Kröning,
wie stehen Sie persönlich zur "Direkten Demokratie"? Halten Sie die deutschen BürgerInnen auch für zu inkompetent um über politische Sachfragen zu entscheiden?
Sehr geehrter Herr Streich,
vielen Dank für Ihre Frage zur direkten Demokratie. Ich halte die deutschen Bürgerinnen und Bürger keineswegs für „inkompetent“. In dem Jahr, in dem die Bundesrepublik Deutschland das 60jährige Jubiläum des Grundgesetzes begeht, gilt mehr denn je, was Willy Brandt vor 40 Jahren vor dem Deutschen Bundestag gesagt hat: „Mehr Demokratie wagen.“
Ich würde mich sehr freuen, wenn wir auch in Deutschland mehr direkte Demokratie hätten, so wie es uns andere Länder erfolgreich vormachen. Vorbehalten, die regelmäßig dagegen geäußert werden, kann ich nicht folgen: Direkte Demokratie würde uns Politiker dazu zwingen, verständlich zu argumentieren und den Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern stärker als bisher zu suchen. Dadurch können aus meiner Sicht alle Seiten nur gewinnen.
Drei Mal, 1993, 2002 und 2004, hat die SPD-Bundestagsfraktion einen Gesetzentwurf zur Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid eingebracht. Doch da es sich um eine Verfassungsänderung handeln würde, bedürfte es einer Mehrheit von zwei Dritteln in Bundestag und Bundesrat. Alle drei Male kam diese verfassungsändernde Mehrheit nicht zustande, weil die CDU/CSU-Fraktion das Vorhaben ablehnte.
Wir haben das Vorhaben trotzdem weiter verfolgt. Daher stand im Wahlmanifest der SPD zur Bundestagswahl 2005: „Wir brauchen mehr direkte Demokratie und damit den Volksentscheid.“ Im Koalitionsvertrag mit CDU/CSU konnte 2005 leider nur vereinbart werden: „Die Einführung von Elementen der direkten Demokratie werden wir prüfen.“ Doch die CDU/CSU-Fraktion hält bis jetzt an ihrer überkommenen Auffassung fest. Daher war das Vorhaben in dieser Wahlperiode erneut zum Scheitern verurteilt.
Den Standpunkt der SPD haben wir nochmals im Hamburger Programm von 2007 mit den Worten bekräftigt: „Der Verbindung von aktivierendem Staat und aktiver Zivilgesellschaft dient auch die direkte Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger durch Volksbegehren und Volksentscheide. In gesetzlich festzulegenden Grenzen sollen sie die parlamentarische Demokratie ergänzen, und zwar nicht nur in Gemeinden und Ländern, sondern auch im Bund.“
Das Thema wird deshalb auf der Tagesordnung bleiben.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Kröning