Frage an Volker Kröning von Gerd M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Kröning,
Bundeskanzler Schröder hat bei seinen jährlichen ! Chinabesuchen stets ausschließlich wirtschaftliche Themen behandelt. Im Gegensatz zu Außenminister Fischer und zu anderen ausländischen Politikern (z.B. Bíll Clinton) hörte man niemals aus diesem Besuchsanlass das Wort "Menschenrechte".
Das besetzte Tibet wurde von ihm völlig völlig ignoriert, die Entführung des im Jahre 1995 sechsjährigen Panchen Lamas durch China war ein Tabu. Der Dalai Lama wurde bei seinen Besuchen in Deutschland nicht vom BK empfangen.
Offensichtlich sind Wirtschaftskontakte wichtiger als inhaftierte oder entführte Tibeter, Uiguren, Falun Gong Anhänger und andere chinesische Oppositionelle.
Stimmen Sie mit dieser Politik überein? Oder würden Sie sich in der nächsten Legislaturperiode dafür einsetzen, dass Menschrechtsfragen im Wirtschaftsdialog mit der VR China auch auf die Agenda kommen?
Wenn es möglich ist, vermeiden Sie in Ihrer Antwort die übliche Phrase, dass eine wirtschaftliche Öffnung Chinas auch den (bisher nahezu nicht vorhandenen) Rechtsstaat fördern werde. Das "Feigenblatt" des "Rechtsstaatsdialogs" hat keinerlei fassbare Ergebnisse gezeigt.
Sehr geehrter Herr Meyerholt,
vielen Dank für Ihre Frage nach dem Umgang der Bundesregierung mit der Volksrepublik China.
Ich kann Ihren Ausführungen zu den Gesprächsthemen anlässlich der Chinabesuche des Bundeskanzlers nicht zustimmen. Bei diesen Besuchen wird regelmäßig eine ganze Reihe von bilateralen und internationalen Themen besprochen, darunter der Ausbau des Rechtsstaatsdialogs, zu dem auch das Thema Menschenrechte zählt. Selbst chinesische Zeitungen haben dies in ihrer Berichterstattung aufgegriffen.
Sie haben Recht, wenn Sie schreiben, dass der Dalai Lama bei seinen Besuchen in Deutschland nicht vom Bundeskanzler empfangen wird. Der Dalai Lama versteht sich nicht nur als geistliches, sondern auch als weltliches Oberhaupt von Tibet. Tibet aber wird von der Bundesregierung – ebenso wie von allen anderen Staaten weltweit, einschließlich Indien – als Teil Chinas begriffen und ist kein anerkannter Staat. Der Bundeskanzler empfängt jedoch nur Staatsoberhäupter anerkannter Staaten. Statt seiner wurde der Dalai Lama daher in der Vergangenheit durch den Außenminister oder andere hochrangige Mitglieder der Bundesregierung empfangen.
Die Entführung des Panchen Lamas Gedhun Choekyi Nyima war und ist kein Tabu! Ebenso wie die Europäische Union bemüht sich auch Deutschland seit der Entführung im Jahr 1995 um Aufklärung über den Verbleib und die Gesundheit des Kindes. Dies ist regelmäßig Gesprächsgegenstand zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China.
Mehr zu dem Fragenkomplex Tibet/Panchen Lama können Sie auch der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der FDP vom 27. Juli 2004 entnehmen. Die Drucksache 15/3630 ist über die Internetseite des Deutschen Bundestages erhältlich.
Tatsächlich spielen die Wirtschaftskontakte mit der Volksrepublik China eine große Rolle im Dialog zwischen den beiden Ländern. Darüber hinaus werden aber auch Umwelt- und Sicherheitsfragen ebenso wie das Verhältnis Chinas zu seinen Nachbarn angesprochen. Der Dialog mit China ist ein hochdiplomatischer Vorgang. Die flächenmäßige Größe und die Bevölkerungszahl der Volksrepublik verhelfen den Staat zu einer enormen Macht; das Land verfügt darüber hinaus über beträchtliche Rüstungsreserven und Atomwaffen. Gerade der Umweltaspekt darf nicht unterschätzt werden: Die möglichen Emissionen, die von der chinesischen Industrie und den Verkehrsmitteln eines Milliardenvolkes ausgehen, gehen angesichts des weltweiten Klimawandels uns alle an!
Es ist daher im Interesse Deutschlands, dass diese Themenkomplexe Teil des bilateralen Dialogs bleiben. Niemand kann ein Interesse daran haben, dass dieser Dialog durch unbedachtes Vorgehen beendet würde. Nur wenn er vorgeführt werden kann, ist ein Fortschritt im Bereich der Menschenrechte ebenso wie in Sicherheitsfragen erreichbar.
Ich unterstütze daher die Linie der Bundesregierung in diesem Dialog und setze auch zukünftig auf ein diplomatisches Vorgehen, in dessen Rahmen alle relevanten Themen angesprochen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Volker Kröning