Frage an Viola von Cramon-Taubadel von Gaios T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau von Cramon Taubadel,
am 17. Mai 2013, am internationalen Tag gegen die Homophobie gab es in der georgischen Hauptstadt Tiflis eine Demonstration für die Rechte der sexuellen Minderheiten (LGBT). Diese Demonstration wurde von gewaltsamen Gegendemonstranten aufgelöst und es gab auch 28 Verletze. da Sie sich als Expertin für die Südkaukasusstaaten oft mit Problemen in Georgien auseinandersetzen, hätte ich folgende Fragen an Sie.
1. Haben Sie bereits mit georgischen Politikern diesbezüglich ein Gespräch gehabt. Wie war Ihre Position? Wie hat die andere Seite reagiert?
2. Sehen Sie auch so, dass die jetzige georgische Regierung nicht ausreichend die Minderheitsrechte schützen kann /will?
3. Sehen Sie die jüngsten Verhaftungen von zweier führenden georgischen Oppositionspolitikern als Ablenkungsmanöver der Regierung vom eigenen Versagen am 17. Mai? (Die Untersuchungen gegen Merabishvili und Tschiaberashvili laufen bereits seit 2012, die Festnahmen erfolgten aber kurz nach den Gewaltausschreitungen am 17. Mai)
4.Spiegel-Online hat kürzlich berichtet, dass der georgische Vizeinnenminister Sexvideos über einen kritischen Journalisten im Internet verbreiten ließ. Der Vizeminister wurde zuerst verhaftet, dann aber gegen die Kaution (2500 EUR) freigelassen. Gleichzeitig sitzen einige Mitglieder der ehemaligen Regierung zu Recht hinter Gittern, die solche Videos aufgenommen haben. Denken Sie nicht, dass die jetzigen Machhaber in Tiflis mit doppelten Maßstäben messen?
5. Trotz des aufrichtigen Wunsches von Herrn Ivanishvili, das Land zu modernisieren und der Bemühungen von der progressiv denkenden Republikanischen Partei Georgiens, wie schätzen Sie die Arbeit der Regierung seit den letzten Wahlen im Oktober 2012 in Bezug auf die Menschenrechte? Denken Sie nicht, dass es langsam Zeit wird, die Altlasten und persönliche Feindschaften ruhen zu lassen und den Problemen der Menschen zu wenden?
Im Voraus vielen Dank für Ihre Antwort.
Mit freundlichem Gruß
Gaios Tsutsunashvili
Sehr geehrter Herr Tsutsunashvili,
vielen Dank für Ihr Schreiben, entschuldigen Sie die verzögerte Antwort darauf. In der Tat hat der gewaltsame Protest gegen die LGBT-Demonstration und der unzureichende Schutz durch die Polizei in Tiflis die weitverbreitete Homophobie in Georgien verdeutlicht. Besonders problematisch scheint mir dabei die Scharfmacherrolle, die Teile der orthodoxen Kirche dabei spielt. Die Gewalt gegen die Demonstranten müssen ein Grund zum Nachdenken sowohl für die Gesellschaft als auch für die Politiker sein, unabhängig davon, welcher Partei sie angehören.
Ihnen geht es in Ihrer Nachricht ja hauptsächlich um die politische Entwicklung, die Georgien derzeit nimmt. Im Rahmen der Gespräche, die ich mit den georgischen Politikern und Experten führen konnte, habe ich den Eindruck gewonnen, dass bei der aktuellen georgischen Regierung ein starker politischer Wille zum Schutz der Rechte der Minderheiten besteht. Das hat Premierminister Ivanishvili in persönlichen Gesprächen mit mir, aber auch in mehreren offiziellen Ansprachen zum Ausdruck gebracht. Dieser Wille muss sich natürlich auch in der Praxis staatlicher Institutionen widerspiegeln.
In letzten 9 Monaten war ich zweimal in Georgien. Zuerst vor den Wahlen im September 2012, und zuletzt vor Kurzem - im April 2013. Ich habe dort den Eindruck gewonnen, dass trotz bestehender Probleme mit der Kohabitation die Menschen in Georgien sehr viel größere Freiheiten heute genießen als noch unter der letzten Regierung.
Ich kann Ihnen nur zustimmen: Es ist tatsächlich die richtige Zeit, die Altlasten und persönlichen Feindschaften ruhen zu lassen und sich den Problemen der Menschen zuzuwenden. Dazu gehört allerdings nicht nur der politische Wille der Regierung, sondern auch die Bereitschaft der Opposition für eine konstruktiv geführte Diskussion. Nur in dem Fall kann es gelingen, das Land fest auf den rechtsstaatlichen und demokratischen Weg zu bringen und es stärker an die EU anzubinden. Konkrete Vorschläge dazu finden Sie in dem von mir federführend erarbeiteten Antrag der Grünen Fraktion mit der Bundestags-Drucksache 17/8778 http://www.bundestag.de/presse/hib/2012_03/2012_110/04.html .
Mit freundlichen Grüßen
Viola von Cramon