Frage an Viola von Cramon-Taubadel von Heribert K. bezüglich Wirtschaft
Sehr verehrte Frau con Cramon-Taubadel,
meine Frage betrifft den Bereich „Kapitalmarktsteuer – Transaktionssteuer“:
Problematisch scheint die Einführung einer europäischen Kapitalmarktsteuer ja aus dem Grund zu sein, dass sich das Kapital immer den günstigsten Handelsplatz sucht. Wie kann nun ein Handelsplatz dazu gebracht werden, eine derartige Steuer einzuführen?
1. Könnten nicht z.B. Steuereinnahmen aufgrund von Transaktionssteuern direkt dem ESFS oder IWF zufließen (eigene Steuerhoheit)- und damit nicht den EU-Ländern direkt. Die Steuereinnahmen dienen dazu, systemische Banken und in Schieflage geratene Länder in der Krise zu stützen. Nur systemische Banken in Ländern und Länder als solche, in denen Transaktionssteuern erhoben werden, können von diesem Rettungsschirm Gebrauch machen.
2. Ratingagenturen werden im Rahmen ihrer Länder-Rating-Bewertung überprüfen, ob Transaktionssteuern in dem jeweiligen Staat erhoben werden. Staaten, die keine Transaktionssteuern erheben und aus diesem Grund keinen Leistungsanspruch aus dem Rettungstopf erhalten, werden in ihrer Kreditwürdigkeit herabgestuft. Gleiches geschieht mit den dort geschäftsansässigen Banken.
3. Die Frage ist, ob und wie man Ratingagenturen dazu bewegen kann, die Frage von Transaktionssteuern mit in deren Bewertung einfließen zu lassen. Zumindest bei der von der EU geplanten Ratingagentur sollte das möglich sein.
Gibt es die Möglichkeit, Ratingagenturen zumindest teilweise einen Rahmen für deren Bewertung vorzugeben? Wer wäre dazu in der Lage?
Sehr geehrter Herr Karsch,
entschuldigen Sie meine verspätete Antwort, in der ich mich für Ihre Anregungen zur Finanztransaktionssteuer bedanken möchte. Tatsächlich nutzen die Gegner der Finanztransaktionssteuer in erster Linie das Argument, eine Einführung einer solchen Steuer auf einzelnen Märkten würde zu einer massiven Abwanderung in steuerfreie Märkte führen. Die größten Gegner der Finanztransaktionssteuer sind dabei die USA und Großbritannien – was auch das Problem mit Ihrem theoretisch guten Vorschlag erklärt. IWF Hilfen werden an Länder mit Zahlungsbilanzproblemen bezahlt, also an Länder, denen die Hoheit über die Währung, in welcher sie sich verschuldet haben, abhanden gekommen ist. Schwellenländer etwa können in solche Probleme geraten, wenn ihre Staatsanleihen in Euro oder Dollar begeben wurden, die heimische Währung aber deutlich abwertet. Griechenland oder Portugal kommen beispielsweise auch in Frage, weil auch diese beiden Länder keine Kontrolle über die Geldpolitik der unabhängigen Europäischen Zentralbank haben.
Großbritannien und die USA, die es von einer solchen Steuer zu überzeugen gilt, haben dieses Problem allerdings nicht. Beide Länder sind in ihrer eigenen Währung verschuldet und die Zentralbank könnte theoretisch unbegrenzt eigene Staatsanleihen kaufen, ohne dass es wie im Falle der Europäischen Zentralbank zu einer Umverteilung der Kreditwürdigkeit innerhalb einer Währungsunion kommen würde. Des Weiteren sind sowohl US-Dollar als auch das Pfund international anerkannte Reservewährungen – beiden Ländern steht also der Zugang zum Devisenmarkt vollständig offen. Daher wäre eine Drohung, im Zweifel keine Hilfen an Großbritannien oder die USA zu zahlen, ohne Wirkung auf die Politik vor Ort. Auch Ratingagenturen wissen von dem dargelegten Zusammenhang – weshalb sich durch einen IWF-Ausschluss in ihren Augen keine Verschlechterung der Bonität ergeben würde.
Derzeit wird die konkrete Ausgestaltung der Steuer weiter diskutiert. Eine Möglichkeit, um das Ausweichen zu einem anderen Handelsplatz zu vermeiden, wäre eine Verknüpfung von den Wertpapieren zugrunde liegenden Rechten mit der Zahlung der Steuer. Konkret könnte etwa Deutschland festlegen, dass keine Rechte aus einer Aktie eines deutschen Unternehmens in Deutschland Rechtsgültigkeit besitzen, wenn nicht bei jeder Transaktion der Aktie die Zahlung der Steuer nachgewiesen werden kann. Die notwendigen Daten liegen in Europa dank den neuen Gesetzen EMIR und MiFID ohnehin vor. Eine solche Ausgestaltung würde dazu führen, dass Steuern anfielen, wenn ein deutsches Unternehmen an einer US-Börse gehandelt würde, jedoch keine Steuern anfielen, wenn ein US-Unternehmen an einer deutschen Börse gehandelt würde.
Die Diskussionen um die bestmögliche Ausgestaltung der Steuer sind also in vollem Gange. Es wäre nicht das erste Mal, dass Schwarz-Gelbe Lippenbekenntnisse zur adäquaten Belastung des Finanzsektors wieder gestrichen werden, wenn das Thema an Popularität verliert. Angebliche Probleme in der Ausgestaltung könnten hierbei eine willkommene Ausrede sein. Wir Grünen haben uns von Anfang an für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer eingesetzt und werden auch in der Debatte um die Ausgestaltung am Ball bleiben, um ein Umfallen der Regierung zu verhindern.
Herzliche Grüße,
Viola von Cramon