Victor Perli
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Frage von Karl N. •

Frage an Victor Perli von Karl N. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Perli,

zur Zeit ist das Thema der Jugendkriminalität und hier im besonderen die Anteile der Menschen mit nichtdeutschem Pass und/oder nichtdeutschem Hintergrund an den Tatverdächtigen ein großes Thema. Hier stellt sich die Frage, wie stehen sie zu diesem Thema, und was für Lösungskonzepte verfolgen sie?

vielen Dank im Voraus

Karl Neumann

Victor Perli
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Neumann,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Wenn wir uns die polizeilichen Kriminalstatistiken anschauen, können wir feststellen, dass die Zahl der Straftaten seit Jahren rückläufig ist und auch die Jugendkriminalität kontinuierlich sinkt. So ist bei Straftaten binnen der letzten zehn Jahre auch der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger im Alter von 14 bis 21 Jahren von 25 auf 17 Prozent gesunken.

Diese Tatsachen decken sich offenbar nicht mit dem Sicherheitsempfinden einiger, insbesondere älterer Menschen. Rechtspopulisten und Ausländerfeinde nutzen das zur Stimmungsmache, indem sie das Unsicherheitsempfinden schüren. Exemplarisch dafür sind die irreführenden Presseberichte der Springer-Medien ("Bild" und co.) sowie die in Teilen ausländerdiskriminierenden Äußerungen einiger Unions-Politiker. Deren Hintergrund ist offensichtlich: Angesichts der wahrscheinlichen Einbußen bei den anstehenden Landtagswahlen, war das Ziel der CDU-Strategen mit dieser Thematik von den zuvor diskutierten sozialen Fragen (Mindestlohn, Kinderarmut, Managergehälter) abzulenken, Deutsche gegen Migranten auszuspielen und mit dem repressiven Staat Wählerstimmen zu mobilisieren.

Experten wie der Leiter des kriminologischen Forschungsinstituts in Hannover, Dr. Christian Pfeiffer, warnen jedoch vor den Forderungen: "Wenn der Ruf nach härteren Strafen und Erziehungscamps für Jugendliche laut wird, kann ich nur antworten: Das ist eine teure Illusion. Wir sollten nicht in Gefängnisse investieren, sondern in bessere Schulen."

Weitere möchte ich auf meine Presseerklärung als Bundessprecher der Linksjugend [´solid] ( http://www.perli.de/2008/01/08/rechtspopulismus-der-cdu/ ) sowie auf die Position der innenpolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, Ulla Jelpke, verweisen:

"Die Forderungen der CDU/CSU zum Jugendstrafrecht bringen überhaupt nichts. Sie sind uralt und wurden immer wieder von Fachleuten als untauglich verworfen. Die Union fordert eine Höchststrafe für Jugendliche von 15 Jahren Freiheitsentzug statt bisher zehn Jahren. Wegsperren ist aber keine Lösung. Zudem denken Situationstäter - und um solche handelt es sich meistens bei Körperverletzungen - im Augenblick der Tatbegehung nicht an die möglichen strafrechtlichen Folgen. Deswegen schützen höhere Strafandrohungen die potentiellen Opfer gerade nicht (das zeigt sich ja beispielhaft in Staaten, in denen es mit der Todesstrafe die denkbar schwerste Strafe überhaupt gibt, ohne dass deshalb die Kriminalitätsrate niedrig ist).

Die Rückfallquote nach Vollzug von Jugendstrafen ist extrem hoch und liegt bei 70 bis 80 Prozent. Dasselbe gilt für den Jugendarrest, den die Union als "Warnschuss" verstärkt einsetzen will. In "Erziehungscamps" nach amerikanischem Muster wird die Menschenwürde missachtet. Der Ruf nach Ausweisung von Jugendlichen, die zum Herkunftsland ihrer Eltern gar keinen Bezug mehr haben, ist inhuman. Zudem musste sogar Innenminister Schäuble zugeben, dass es eine verkürzte Sichtweise wäre, beim Thema Kriminalität nur über Menschen mit Migrationshintergrund zu sprechen. Jugenddelinquenz hat - unabhängig von der Herkunft - fast immer mit fehlenden Perspektiven, abgebrochener Schulausbildung, beschämenden sozialen Verhältnissen zu tun. Hier muss man also ansetzen, anstatt populistisch die Keule des Strafrechts zu schwingen. Der Empfehlung des bekannten Kriminologen Christian Pfeiffer, ´in Schulen statt in Gefängnisse´ zu investieren, kann man sich vorbehaltlos anschließen. Statt Jugendliche auszugrenzen, muss man ihnen faire Bildungschancen eröffnen, Ausbildungs- und Arbeitsplätze und eine gerechte Entlohnung garantieren. Die Statistik zeigt, dass Jugendliche mit Schulabschluss signifikant weniger Straftaten begehen. In der Erziehung muss Abschied genommen werden von patriarchalischen Verhaltensmustern. Jugendliche sollen lernen, bei Konflikten nicht gewalttätig zu reagieren. Dazu bedarf es Hilfen statt Strafen, Sozialtherapie statt Freiheitsentzug."

Ich hoffe Ihnen weitergeholfen zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Victor Perli

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