Frage an Victor Perli von Beate K. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Perli,
als Apothekerin bin ich entsetzt, dass durch Arzneimittel geschädigte Menschen in Deutschland keine Chance auf Entschädigung haben. Der Fall Contergan ist 60 Jahre her, aber: kein Sammelklagerecht in Deutschland. Ich selbst habe ganz schlechte Erfahrungen mit der Hormonspirale Mirena (s. risiko-hormonspirale.de) gemacht, stehe aber auch in Verbindung mit dem Bund der Duogynongeschädigten (BdD, 1. Vorsitzende Margret Pyka, Infos auch unter duogynonopfer.de).
Was wird Ihre Partei bzw. Sie selbst unternehmen, um die momentane Situation zum Besseren zu wenden?
Bisher hat sich lediglich Herr Maik Beermann, MdB CDU, engagiert in Sachen Duogynon. In Sachen Hormonspirale Mirena verweise ich auf die zur Zeit laufende Untersuchung in Sachen "psychiatrische Nebenwirkungen". Wieso ist dieses Arzneimittel zur Empfängnisverhütung immer noch im Handel? Jenapharm gerade die "goldene Tablette" für ihre neueste Hormonspirale namens Kyleena erhalten. Das ist ein Schlag ins Gesicht für die durch Hormonspiralen geschädigten Frauen weltweit. PS: In den USA gibt es zahlreiche Klagen, in Deutschland nicht eine. Und: der Beipackzettel fällt je nach Vertriebsland anders aus, in Österreich steht z.B. Übergewicht als Nebenwirkung drin, in Deutschland nicht.
Ich bitte um Kenntnisnahme und Nachdenken in Sachen Verbesserungsbedarf (Einführung von Sammelklagen ins Strafrecht).
Mit freundlichen Grüßen Dr. B. K.
PS: zur Info: Der CDU-Landtagsabgeordneter Herr Frank Oesterhelweg (CDU) antwortete am13. Okt. 2017:
(...) diese Angelegenheit ist für mich ebenfalls nicht nachvollziehbar. Da ich hier kein fachliches Hintergrundwissen habe, werde ich in der neuen Landtagsfraktion zuständige Kollegen dazu befragen.
Beste Grüße
Frank Oesterhelweg
Sehr geehrte Frau K.,
vielen Dank für Ihre Frage und Anregung. Etliche Arzneimittel mit älteren Zulassungen lassen Zweifel aufkommen, ob sie nach heutigem Wissensstand noch breit angewendet oder auch nur verkehrsfähig sein sollten. Solche Hinweise aus der Praxis, in ihrem Fall mit der Erfahrung einer Apothekerin, sind enorm wichtig, um die gesellschaftlichen Realitäten in der parlamentarischen Arbeit im Bundestag abzubilden. Ihren Hinweis zur Hormonspirale Mirena habe ich an die Fachpolitiker unserer Fraktion weitergegeben. Für uns ist es weder nachvollzieh- noch hinnehmbar, dass sich bei dem EU-weit weitgehend harmonisierten Arzneimittelrecht in den Gebrauchsinformationen so erhebliche Unterschiede feststellen lassen. Wir erwarten, dass die deutsche Gebrauchsinformation alle relevanten Risikoinformationen enthalten und dass die Änderung wirklich ergebnisoffen auf Grundlage des wissenschaftlichen Kenntnisstandes angepasst wird.
Das Haftungsrecht im Arzneimittelbereich ist auch nach unserer Auffassung verbesserungswürdig. Zwar ist eine recht weitgehende Gefährdungshaftung im Arzneimittelgesetz festgelegt (§ 84 Abs. 2) und deutsche Patientinnen und Patienten sind damit formal bessergestellt als in anderen Staaten. Erst im Juni 2017 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) grundsätzlich bestätigt, dass solche nationalstaatlichen Regelungen rechtmäßig sind. Zugleich müssen wir feststellen, dass die Realität in den deutschen Gerichten anders aussieht und die Chancen für Entschädigungen für erlittene Schäden bei bestimmungsgemäßem Gebrauch sehr gering sind. Gerade bei Haftungsprozessen muss „Waffengleichheit“ hergestellt werden. Die Möglichkeit von Sammelklagen ist dafür ein wichtiger Baustein und wird auch von der LINKEN eingefordert (https://www.linksfraktion.de/themen/a-z/detailansicht/sammelklagen/).
Auch das Thema Duogynon hat uns bereits sehr beschäftigt. Wir haben, auch in Zusammenarbeit mit dem Betroffenenverband dazu eine parlamentarische Anfrage an die Bundesregierung gestellt (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/079/1807927.pdf). Offenbar besteht dort, anders als in Großbritannien, nur sehr geringe Motivation, das Ausmaß der Schädigungen seriös festzustellen. Dass bei einem evidenten Nachweis von Schädigungen dann die Betroffenen mit berechtigten Forderungen an Hersteller und auch Staat herantreten würden, dürfte dabei eine Rolle spielen. Wir fordern eine Untersuchungskommission nach britischem Vorbild und haben die Forderung nach einem Entschädigungsfonds für Duogynon-Geschädigte unterstützt (https://www.kathrin-vogler.de/themen/gesundheit/patientenrechte/details/news/petition-fuer-entschaedigungsfonds-fuer-duogynon-geschaedigte/).
Es ist und gut und wichtig, wenn Sie auch mit Politikern anderer Fraktionen in Kontakt treten, um unter einer neuen Bundesregierung, wie immer diese auch zusammengesetzt sein wird, endlich Fortschritte in der Sache zu erzielen. Die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag wird sich jedenfalls weiter für eine strengere Regulierung, angemessene Entschädigungen und die Möglichkeit von Sammelklagen einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Victor Perli