Victor Perli
Victor Perli
DIE LINKE
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Frage von Andreas F. •

Frage an Victor Perli von Andreas F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Perli,

mit Befremden musste ich zur Kenntnis nehmen, dass auch Sie die Mär von der schlechter bezahlten Frau in gleicher Position wie ein Mann verbreiten.

Sogar das Ministerium für Frauen, Senioren, Jugend und Familie (Männer kommen nicht vor) hat dieses bereits 2008 auf 12% als Maximum revidiert, wobei Mehrleistungen seitens der Männer in Form von Überstunden, Nachtschicht u. ä. nicht eingeflossen sind.

Ist Ihnen ein einziger Fall dieses "Gender Pay Gap" bekannt? Wenn ja, sollte die Dame zum Arbeitsgericht gehen, denn dort würde sie auf jeden Fall Recht bekommen! Mir ist KEIN Fall bekannt und meinem Bekanntenkreis auch nicht.

Warum wird seitens der Politik und besonders Seitens des linken Parteienspektrums (ich habe Links gewält) die Diskriminierung und Benachteiligung von Männern vollkommen ignoriert?

- Im Gesundheitswesen: Männer sterben früher als Frauen. Laut Klosterstudie unterscheidet sich die Lebenserwartung von Mann und Frau nur um ca. 1 Jahr, bei der normalen Bevölkerung beträgt der Unterschied mehr als 5 Jahre, aber einen Männergesundheitsbericht gibt es bis heute nicht.

- In der Schule, wo Jungen nachweislich bei gleicher Leistung häufig schlechtere Noten bekommen und bei gleichen Noten seltener für weiterführende Schulen empfohlen werden. Es gibt bis heute so gut wie keine Förderprogramme für Jungs, obwohl diese im Schreib/Lese-Bereich und der Feinmotorik deutliche Defizite aufweisen, wogegen es dutzende von Hilfsprogrammen für Mädchen gibt, um deren Schwächen zu beheben.

- Ist Frauenbevorzugung nicht Männerdiskriminierung? Ich verweise da auf Artikel 3 des Grundgesetzes, nachdem NIEMAND aufgrund seines Geschlechtes benachteiligt werden darf!

- Warum werden Frauenquoten gefordert, aber dort, wo es einen klaren Frauenüberhang gibt, keine Männerquoten?

Ich muss aus Platzgründen schließen, könnte diese Reihe jedoch noch weiter fortsetzen. Ich würde mich über eine Antwort, welche von jeglicher Ideologie frei ist, sehr freuen.

Victor Perli
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Finke,

ich habe in meinem vorherigen Statement nicht von Gehaltsunterschieden bei gleicher Position, sondern bei gleicher Qualifikation gesprochen. Diese sind wissenschaftlich belegt und werden unter anderem von den Gewerkschaften und der Hans-Böckler-Stiftung regelmäßig publiziert. Ferner wurden gerade erst neue Zahlen veröffentlicht, wonach 41 Prozent der erwerbstätigen Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, während es bei Männern 12 Prozent sind (Quelle: http://www.nwzonline.de/Aktuelles/Politik/Niedersachsen/NWZ/Artikel/2652678/Jeder-Vierte-nicht-regul%E4r-besch%E4ftigt.html ).

Ich betone erneut, dass Gleichstellungspolitik aus meiner Sicht den gleichen Zugang und die gleiche Teilhabe von Frauen und Männern an allen gesellschaftlichen Bereichen zum Ziel haben, vor Diskriminierung und Gewalt schützen und von einschränkenden Geschlechterrollen befreien muss. Das Ziel der LINKEN ist die Überwindung von strukturellen Diskriminierungen und Benachteiligungen. Beispiele und Instrumente dazu habe ich in meiner vorherigen Antwort genannt. Dies als Männerdiskriminierung zu bezeichnen, entbehrt jeder Grundlage.

Zu Ihren Beispielen:
* Zur Lebenserwartung schicke ich voraus, dass der Zusammenhang zwischen dem sozialem Status und der Lebenserwartung wesentlich größer ist, als der Unterschied zwischen dem Geschlecht und der Lebenserwartung. Die Bundesregierung hat auf eine Große Anfrage der LINKEN bestätigt: Das ärmste Fünftel hat in Deutschland eine bis zu zehn Jahre geringere Lebenserwartung als das reichste Fünftel. Die durchschnittlich um fünf Jahre geringere Lebenserwartung von Männern in den Industrieländern resultiert laut wissenschaftlichen Studien vor allem aus den Unterschieden bei der Lebensweise, der höheren Risikobereitschaft, dem geringeren Gesundheitsbewusstsein und dem deutlich erhöhten Konsum von Alkohol und Tabak.

* Es ist bekannt, dass es an Kindertagesstätten und in Grundschulen zu wenige männliche Erzieher bzw. Lehrkräfte gibt. Dieses Problem wird man mangels Bewerbern jedoch nicht mit einer Quote ändern können. Die Ursache liegt im Wesentlichen in der im Vergleich beispielsweise zu Gymnasiallehrern deutlich schlechteren Bezahlung, aber auch in der geringeren gesellschaftlichen Anerkennung. DIE LINKE setzt sich seit langem dafür ein die Gehälter in diesen Bereichen zu erhöhen, weil es auch pädagogisch keinen Grund für die geringere Vergütung in der frühkindlichen und Grundschulbildung gibt.

* Die große Ungerechtigkeit im deutschen Bildungswesen liegt nicht in etwaigen geschlechtsspezifischen Unterschieden begründet, sondern in der sozialen Ausgrenzung, die Jungen und Mädchen aus den sogenannten bildungsferneren Schichten gleichermaßen trifft. Selbst bei gleicher Intelligenz haben 15-jährige Schülerinnen und Schüler aus der Oberschicht eine über dreimal größere Chance ein Gymnasium zu besuchen als Gleichaltrige aus Arbeiterfamilien. Das ist beispielsweise dem PISA-Ländervergleich zu entnehmen. Spürbar bessere Ergebnisse erzielen Schulsysteme, in denen Schülerinnen und Schüler länger gemeinsam lernen. DIE LINKE setzt deshalb auf die Leistungsfähigkeit und die moderne Pädagogik der Integrierten Gesamtschulen.

Mit freundlichen Grüßen

Victor Perli

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