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Uwe Schmidt
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Frage von Jens S. •

Frage an Uwe Schmidt von Jens S. bezüglich Gesundheit

Hallo Herr Schmidt wie stehen Sie zur der erneuten Änderung und Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes ,was nun im Eiltempo durchgebracht werden soll ?
Viele Grüsse aus Bremerhaven Eckernfeld
Jens Stolle

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Stolle,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Die Corona-Pandemie hat uns auch nach über einem Jahr fest im Griff. Auf die erste Welle folgte die zweite. Nun sind wir mitten in der dritten Welle. Noch immer stecken sich sehr viele Menschen mit dem Virus an. Mehr als 80.000 Menschen sind bereits durch das Virus gestorben. Ärzte und Pflegekräfte klagen seit Wochen über Engpässe auf den Intensivstationen. Auch mir persönlich machen die Einschränkungen, an die wir uns alle halten müssen, zu schaffen. Ich kann Ihre Sorgen und Ängste – sei es um die Zukunft Ihrer Kinder, um den Job oder die Existenz – nachvollziehen. Ich kann verstehen, dass es schwerfällt, Freunde nicht zu treffen, auf Restaurantbesuche, Kulturevents, auf Urlaubsreisen zu verzichten und nicht zu wissen, wann dies alles wieder möglich sein wird. Soziale Kontakte sind wichtig für uns – sie machen unser Leben lebenswert. Doch ohne die Gesundheit ist alles nichts. In dieser Pandemie geht es darum, Leid zu mindern. Und darin sehe ich als Bundestagsabgeordneter meine Mitwirkungspflicht.

Seit Wochen und Monaten wurde von vielen Seiten gefordert, Bund und Länder dürfen tiefgreifende Veränderungen nicht hinter verschlossenen Türen beschließen. Es sei die Stunde der Parlamente! Nun endlich entscheidet das Parlament. Die Infektionszahlen und das uneinheitliche Vorgehen der Bundesländer macht in dieser Phase der Pandemie das Eingreifen des Bundes notwendig. Notwendig um Leben zu retten. Die schon vor Wochen zwischen Bund und Ländern vereinbarte Notbremse wird nun endlich in bundeseinheitliche Regelungen gegossen.

Ein parlamentarisches Verfahren ist komplex. Den einen ist es angesichts der Pandemie zu langsam, den anderen gehen die Beratungen viel zu schnell. In der vergangenen Woche haben wir mit der 1. Lesung im Bundestag begonnen. Inzwischen liegen Änderungsvorschläge auf dem Tisch. Am Mittwoch ist die abschließende 2./3. Lesung des Gesetzes im Bundestag vorgesehen. Am Donnerstag soll der Bundesrat darüber entscheiden. Das ist sicher ein beschleunigtes Verfahren – aber die Pandemie wartet eben nicht.

Ich wäge das Für und Wider bei dieser Entscheidung genau ab. Nicht juristisch, sondern pragmatisch. Wir haben in zahlreichen Gesprächen in der Fraktion darüber diskutiert. Klar ist, wir müssen jetzt handeln. Wir haben keine Zeit mehr. Vom Zuschauen verschwindet das Virus nicht. Auch nicht, wenn man es ignoriert. Die Zahl der Infektionen muss deutlich und schnell gesenkt werden. Das geht nicht, wenn das eine Bundesland anfängt zu lockern, während das andere bereits Ausgangssperren verhängt. Dann kommen wir aus einem Dauer-Lockdown nie raus.

Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf wurde im parlamentarischen Verfahren verändert. In den Verhandlungen konnten wir als SPD-Bundestagsfraktion folgendes erreichen:

Unabhängig von der Inzidenz nehmen wir die Unternehmen beim Thema Arbeitsschutz noch stärker in die Pflicht. Denn auch am Arbeitsplatz gilt, dass wir Kontakte drastisch reduzieren und sicherer machen müssen. Wir schreiben deshalb Homeoffice, wo es möglich ist, noch verbindlicher als bisher vor. Und wir verpflichten Arbeitgeber, den Beschäftigten zweimal (statt nur einmal) pro Woche einen Corona-Test anzubieten, wo Homeoffice objektiv nicht möglich ist.

Uns als SPD war es wichtig, dass bei den Kontaktbeschränkungen das Prinzip "Außen vor Innen" greift. Deshalb ist Sport und Bewegung im Freien weiter möglich. Kinder können in Gruppen bis zu 5 Kindern gemeinsam mit einem getesteten Trainer:in im Freien Sport treiben.

Ab einer 7-Tage-Inzidenz von mehr als 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner müssen in einem Landkreis Geschäfte und Einrichtungen schließen und private Zusammenkünfte werden begrenzt. Zudem wird eine nächtliche Ausgangsbeschränkung zwischen 22 Uhr und 5 Uhr eingeführt. Zwischen 22 und 24 Uhr kann eine Person aber weiterhin Spazieren gehen oder Sport treiben. „Test, click and meet" wird im lnzidenzbereich von 100-150 weiter möglich sein und Abhol- und Lieferdienste bleiben erlaubt.

Um Schülerinnen und Schüler, insbesondere aber auch ihre Eltern und das Schulpersonal zu schützen, gehen Schulen im lnzidenzbereich von 100-165 in den Wechselunterricht und müssen ab einer lnzidenz von 165 in den Distanzunterricht.

Kinder und Jugendliche leiden besonders unter den Einschränkungen im Kita- und Schulbetrieb. Wir werden deshalb ein 2 Milliarden Euro schweres Corona-Aufhol-Paket für Kinder und Jugendliche beschließen und in den Nachtragshaushalt aufnehmen. Dabei müssen aufgetretene Lernrückstände in den Blick genommen und Nachhilfeangebote geschaffen werden. Auch zusätzliche soziale Arbeit in den Bildungseinrichtungen und schwerpunktmäßig im Umfeld von Schulen mit besonderen sozialen Herausforderungen werden gefördert. In den Schulferien werden wir kinder- und jugendgerechte Bildungs- und Erholungsangebote unterstützen.

Viele Familien leiden unter der Doppelbelastung von Homeoffice und Homeschooling. Um hier etwas Erleichterung zu schaffen, weiten wir den Rechtsanspruch auf Kinderkrankentagegeld aus: Künftig sind 30 Tage pro Kind möglich (10 mehr als bisher), für Alleinerziehende 60 Tage (20 mehr als bisher).

Auch für Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung haben wir Verbesserungen erreicht: die Assistenzkräfte zählen nunmehr mit den Betreuten wie ein Haushalt.

Die Notbremse wirkt unmittelbar, aber wir haben die Möglichkeit zur vorbeugenden Feststellungsklage beim Verwaltungsgericht durchgesetzt. So können die Bürgerinnen und Bürger auch weiterhin vor den Verwaltungsgerichten überprüfen lassen, ob sie unter die Beschränkungen der Notbremse fallen und müssen kein Bußgeld riskieren.

Die Einschränkungen sind bis zum 30. Juni befristet. Außerdem wird es Ausnahmen für geimpfte Personen geben, die in einer Rechtsverordnung des Bundes geregelt werden sollen. Diese bedarf der Zustimmung des Bundestages.

Viele der Bürgerinnen und Bürger, die mir geschrieben haben, sorgen sich, dass unsere Demokratie Schaden nimmt. Ich vertraue in unsere Demokratie. Ich sorge mich um die Pflegekräfte und das medizinische Personal, welche seit Monaten am Rande der Belastungsgrenze arbeiten und hilflos zusehen müssen, wie Menschen sterben. Hinter jedem Corona-Toten steht ein Schicksal. Das dürfen wir nicht einfach hinnehmen. Hier ist der Staat in der Pflicht zu handeln. Er muss Tests zur Verfügung stellen, Impfstoff beschaffen und Entscheidungen zum Wohle des Volkes treffen, auch wenn diese für den einen oder anderen als unverhältnismäßig empfunden werden.

Aber und das ist mir auch wichtig, einmal zu sagen: Es liegt eben auch in der Hand eines jeden Einzelnen von uns, wie wir aus der Pandemie rauskommen. Viele Menschen halten sich an die Regeln – egal ob immer sofort der Sinn der einzelnen Regelungen erkennbar ist. Sie tun dies aus Solidarität mit ihren Mitmenschen. Sie zeigen sich solidarisch, weil sie Leid verhindern wollen. Wenn wir uns schützen, indem wir Abstand halten, Kontakte reduzieren, uns testen (lassen) und letztlich, wenn verfügbar, auch impfen lassen, dann schützen wir auch immer die Menschen in unserem Umkreis. Ich bin überzeugt, aus dieser Krise schaffen wir es nur gemeinsam. Wenn alle mitmachen. Ich bitte Sie daher um Ihr Vertrauen, dass dieses Gesetz nicht dafür gemacht ist, der Regierung einen Blankocheck auszustellen. Nichts wird beschlossen ohne die Zustimmung des Bundestages.

Mit freundlichem Gruß
Uwe Schmidt

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