Frage an Uwe Flüß von Matthias K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Flüß,
die Mitentscheidungsrechte der Bürgerinnen und Bürger sind in unserem Land völlig unzureichend. Deshalb interessieren mich Ihre Aussagen zu den folgenden Fragen:
1. Sehen Sie es als politische Aufgabe, die demokratischen Rechte zu verbessern?
Wenn ja, in welcher Weise?
2. Sind Sie für die Erleichterung von Volksabstimmungen?
a) Auf Gemeindeebene (Bürgerentscheide)?
Wenn ja, was wollen Sie dafür tun oder haben Sie dafür schon getan?
Sind Sie insbesondere dafür, dass Bürgerentscheide über Bebauungspläne und Gemeindeabgaben wie in Bayern möglich sind?
Sind Sie dafür, dass das Zustimmungsquorum abgeschafft oder gesenkt wird?
Sind Sie dafür, dass es auch in Landkreisen Bürgerentscheide geben kann?
b) Auf Landesebene (da sind Volksentscheide bisher praktisch fast unmöglich)?
Wenn ja, was wollen Sie dafür tun oder haben Sie dafür schon getan?
c) Auf Bundesebene (Einführung des bundesweiten Volksentscheides)?
Wenn ja, was wollen Sie dafür tun oder haben Sie dafür schon getan?
3. Für welche anderen demokratischen Mitentscheidungsrechte, auch z.B. in der Wirtschaft, in den Schulen, im Gesundheitswesen, setzen Sie sich ein?
Vielen Dank, mit freundlichen Grüssen
Matthias Kunstmann
Sehr geehrter Herr Kunstmann,
Ihre Fragen könnte ich in einem Satz beantworten:
Ich unterstütze die Ziele von Mehr Demokratie e.V.!
Aber ich mache es ausführlich:
zu 1.
Die Grünen werben seit ihrer Gründung für die Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volkesentscheid.
Ich bin der Ansicht, dass die tief greifenden gesellschaftlichen Veränderungen nur gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern bewältigt werden können. Durch mehr Mitspracherechte der Bürger wird die Demokratie gestärkt und der Politikverdruss gestoppt.
Zu 2a)
Die grüne Landtagsfraktion hat vergangenes Jahr einen Gesetzentwurf eingebracht, der sich am bayerischen Vorbild orientierte. Damit wollten wir aufzeigen, wie die Gemeinde- und Landkreisordnung für mehr Mitbestimmung der Bürger geöffnet werden kann. Für die darin enthaltenen Punkte treten wir trotz des Scheiterns unseres Entwurfes nach wie vor ein:
Wir wollen die Themenbegrenzung für Bürgerentscheide aufheben und wichtige Themen wie Bebauungspläne zulassen. Weiterhin wollen wir die Frist von vier Wochen, innerhalb der Bürgerbegehren gegen Gemeinderatsbeschlüsse eingereicht werden müssen, auf acht Wochen verdoppeln. Des Weiteren fordern wir eine Staffelung des erforderlichen Zustimmungsquorums nach der Größe der Gemeinde: wie in Bayern soll in Gemeinden mit maximal 50000 Einwohnern eine Zustimmung von 20% der Bevölkerung ausreichen. In Gemeinden bis 100.000 Einwohner soll das Quorum 15% betragen, in noch größeren Gemeinden sollen 10% ausreichen.
Wir treten dafür ein, dass die Bürgerpartizipation auch auf Landkreisebene zugelassen wird, zumal im Zuge der Verwaltungsreform gerade auf die Landkreise viele neue Aufgaben übertragen wurden.
Zu 2b)
Auch auf Landesebene wollen wir uns für mehr Bürgerbeteiligung stark machen.
Hier haben wir schon vor längerer Zeit im Bündnis mit mehr Demokratie e.V. versucht, beispielsweise das erforderliche Zustimmungsquorum deutlich abzusenken, da die bisherigen Regelungen einen Volksentscheid nahezu unmöglich machen. Dafür setzen wir uns nach wie vor ein.
Zu 2c)
Die Grünen werben seit ihrer Gründung für die Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid auf Bundesebene. Wir wollen, dass durch Volksinitiativen Gesetzesvorschläge auch von außerhalb des Parlaments kommen können. Weiterhin, dass BürgerInnen durch Volksbegehren diese Vorschläge auch zur Abstimmung bringen können. Und wir wollen, dass die Bevölkerung die Möglichkeit bekommt, wichtige Sachfragen rechtlich bindend selbst zu entscheiden.
Die grüne Bundestagsfraktion hat dafür bereits Ende 2004 und 1998 Gesetzentwürfe gemeinsam mit der SPD in den Bundestag eingebracht. Die Union hat diese Vorschläge abgeblockt, und die für eine Grundgesetzänderung notwendige Zweidrittelmehrheit verhindert.
Zu 3.
Die Landtagsfraktion der Grünen hat bereits im vergangenen Jahr einen Gesetzentwurf zur Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes in den Landtag eingebracht:
Wir setzen uns auch weiterhin dafür ein, das Verwaltungshandeln der Landesbehörden durch erleichterten Informationszugang transparenter zu machen sowie die demokratischen Beteiligungsrechte der BürgerInnen zu stärken. Deshalb wollen wir einen allgemeinen und voraussetzungslosen Zugang zu amtlichen Informationen der Landesbehörden unter Berücksichtigung des Daten- und Geheimnisschutzes eröffnen.
Ein weiterer wichtiger Punkt sind aus unserer Sicht auch die Partizipationsmöglichkeiten von Jugendlichen an kommunalpolitischen Entscheidungen, die sie oftmals unmittelbar betreffen. Wir wollen deshalb die Gemeinden verpflichten, die Jugendlichen einzubinden. Ob dies über den Jugendgemeinderat, Schülerrat, Jugendforen oder ähnliches geschieht, soll den Kommunen überlassen werden, die individuelle Konzepte mit den Jugendlichen erarbeiten sollen.
Mit freundlichen Grüßen
Uwe K. Flüß