Frage an Ursula Helmhold von Dana K. bezüglich Soziale Sicherung
Wie stehen Sie zu den Forderungen, die ehemaligen Heimkinder der 50ziger und 60ziger Jahre zu entschädigen-für erlittenes Unrecht, Schläge, Kinderarbeit, sowie regelmäßige Schläge
MfG Koenig
Liebe Frau König,
herzlichen Dank für Ihre Frage.
Unsere Bundestagsfraktion hat bereits im April des letzten Jahres einen Beschluss "Gerechtigkeit für ehemalige Heimkinder" gefasst, dem ich mich voll und ganz anschließe.
Grundsätzlich setzen wir uns für eine öffentlich-rechtliche Stiftung ein. Eine Petition ehemaliger Heimkinder liegt dem Bundstag bereits vor, die Beratungen im Petitionsausschuss sind aber noch nicht abgeschlossen. Wir setzen uns natürlich für die Umsetzung unseres Fraktionsbeschluss ein. Zweckmäßig wäre natürlich ein fraktionsübergreifender Beschluss!
Erfreulicherweise rückt das Schicksal der Heimkinder nach und nach in den Blickpunkt der öffentlichen Diskussion. Mehr als eine halbe Million Kinder und Jugendliche wurden in der Bundesrepublik in solche Einrichtungen eingewiesen. Besonders in den Fürsorgeheimen erfolgte die Einweisung vielfach ohne nachvollziehbaren Grund, wie z.B. aufgrund behaupteter drohender "Verwahrlosung", oder bei Mädchen bzw. jungen Frauen und Müttern wegen Verstößen gegen rigide Sexualnormen. Hintergrund war nicht selten eine Denunziation.
Ehemalige Heimkinder berichten nicht nur von unrechtmäßiger Heimeinweisung, sondern auch von massiven psychischen und physischen Misshandlungen, Schlägen, Drohungen oder gar Elektroschocks, und immer wieder auch von sexuellem Missbrauch. Beklagt werden auch das Vorenthalten einer angemessenen Berufsausbildung und der systematische Einsatz von Kindern und Jugendlichen zu erzwungener Arbeit.
Diese Erziehungsmethoden waren vielfach nicht nur nach heutigen Maßstäben, sondern auch nach denen der damaligen Zeit brutal und menschenrechtswidrig. Auch in den 50er Jahren galt die Unantastbarkeit der Würde des Menschen! Die beschriebenen Zustände können nicht damit entschuldigt werden, dass strenge Erziehungsmethoden damals allgemein üblich waren. Unterbringung und "Erziehung" waren vielfach rechtswidrig. Die Heimaufsicht funktionierte in vielen Fällen nicht, es hat schwere Versäumnisse auch staatlicher Stellen gegeben.
Wir setzen uns für die öffentliche Anerkennung des geschehenen Unrechts ein, für eine verstärkte historische Aufarbeitung der Situation in den Heimen und für die Entschädigung der Betroffenen. Erreichen wollen wir diese Ziele über die Errichtung einer Bundesstiftung "Ehemalige Heimkinder".
Die Aufarbeitung der früheren Missstände und die konkrete Hilfe für die Opfer dieser Zustände ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Unbeschadet möglicher individueller Schadensersatzansprüche sind Bund und Länder sowie die kirchlichen und anderen Träger von Heimen in der Pflicht, ihren Beitrag zu leisten, um das geschehene Unrecht wenigstens in Ansätzen auszugleichen und damit zu ihrer Verantwortung zu stehen. Ein solches Zeichen der Reue ist zugleich ein unumgänglicher Akt der moralischen Rehabilitierung der Opfer.
Wir treten darum für die zeitnahe Errichtung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung ein. Die Stiftung soll Entschädigung leisten, finanzielle Ansprüche der betroffenen ehemaligen Heimkinder erfüllen sowie weitere Hilfen für ihre aktuelle Lebenssituation zur Verfügung stellen, denn viele Menschen leiden bis heute an den Misshandlungen. Dazu gehört beispielsweise die Kostenübernahme für ärztliche oder therapeutische Hilfe in den Fällen, in denen die Krankenkassen den Betroffenen den Zugang zur derartigen professionellen Hilfen verweigern. Sie soll ehemaligen Heimkindern auch beratend zur Seite stehen. Wegen des besonderen Charakters der Leistungen muss sichergestellt werden, dass Entschädigungszahlungen keine Anrechnung auf Leistungen des SGB II finden.
Finanziert werden soll die Stiftung von Bund, Ländern und den Trägern bzw. ehemaligen Trägern der Heime. Darüber hinaus ist es angezeigt, Unternehmen und Kommunen mit in die Verantwortung einzubeziehen, sofern sie seinerzeit von Heimkindern als billigen Arbeitskräften profitiert haben.
Eine eigenständige Stiftung ist aufgrund ihrer besonderen Sachkenntnis besser als andere Verwaltungsstellen in der Lage, den Betroffenen wirksam und zugleich mit einem Minimum an Bürokratie zu helfen.
Mit freundlichen Grüßen
Ursula Helmhold