Frage an Ursula Helmhold von Ludger W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo, Frau Helmhold,
wie stehen die Grünen in Niedersachsen zur Beschneidung? Das ist ja immer noch ein Thema, das die Menschen bewegt.
Mir hat nicht gefallen, was der Kandidat der Grünen aus Cloppenburg dazu gesagt hat. Das klang sehr nach pauschaler Beschimpfung gegen Muslime und Juden. Ich dachte eigentlich, die Sache sei geklärt, aber jetzt habe ich gesehen, dass der Herr Dunkel immer noch auf der Landesliste steht. Wie kann das sein und warum haben Sie ihn nicht von der Liste gestrichen?
Und dann hat mich noch eines geärgert, dass Herr Trittin mit Herrn Dunkel zusammen auftreten und Wahlkampf machen will. Ist das wirklich weiter geplant?
Für eine kurze Antwort wäre ich sehr dankbar.
Sehr geehrter Herr Wohltat,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Grundsätzlich zum Thema Beschneidung:
Die mediale Berichterstattung über ein Urteil des Landgerichts Köln vom 7. Mai 2012 über religiös motivierte Beschneidungen von Jungen hat eine öffentliche Debatte ausgelöst. Das Gericht hat in der Urteilsbegründung die Beschneidung von Jungen ohne medizinische Indikation als rechtswidrige Körperverletzung gewertet. Auch wenn das Urteil über den konkreten Fall hinaus keine rechtliche Bindungswirkung hat, so hat es dennoch für große Verunsicherung vor allem bei jüdischen und muslimischen Gläubigen gesorgt. Für uns Grüne ist selbstverständlich: Zu Deutschland gehören das Judentum und der Islam ebenso wie das Christentum und Konfessionsfreie. Wir wissen, dass die Beschneidung von Jungen für Juden und Muslime eine zentrale religiöse Bedeutung hat.
Deswegen muss eine Lösung gefunden werden, die alle Grundrechte optimal verwirklicht, sowohl die körperliche Unversehrtheit des Kindes als auch die Religionsfreiheit von Kind und Eltern sowie das elterliche Sorgerecht im Rahmen der Rechtsordnung.
Die Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben im Bundestag zu diesem Thema unterschiedlich abgestimmt. Wie wichtig der Bundestagsfraktion dieses Thema ist, zeigen die persönlichen Erklärungen, die einzelne oder mehrere Abgeordnete abgegeben haben.
Allen gemein ist, dass sichergestellt werden muss, dass Beschneidungen medizinisch fachgerecht durchgeführt werden und dass sie für die Jungen möglichst schmerzfrei sein müssen.
Die Frage der religiösen Beschneidung von Jungen wurde und wird innerhalb der grünen Partei sehr intensiv und durchaus auch kontrovers diskutiert. Dieser Diskussionsprozess ist auch mit der Abstimmung im Bundestag noch nicht abgeschlossen. Dabei ist es sicherlich legitim, die religiöse Beschneidung von Jungen auch grundsätzlich zu kritisieren.
Aber gerade aufgrund der hohen Sensibilität dieser Thematik ist es wichtig, eine klare Abgrenzung gegenüber antisemitischen und fremdenfeindlichen Einstellungen zu wahren.
Deshalb haben sich die Grünen Niedersachsen umgehend und deutlich von den Äußerungen des grünen Parteimitglieds und Landtagskandidaten Ulf Dunkel distanziert. Wir akzeptieren derartige Äußerungen in unseren Reihen nicht. In diesem Kontext begrüßen wir, dass Ulf Dunkel eine Erklärung abgegeben hat, das Mandat im Falle seiner Wahl nicht anzunehmen. Da die Landeswahlleiterin die Listen bereits angenommen hat, ist eine nachträgliche Streichung des Wahlvorschlags nicht mehr möglich.
Jürgen Trittin hat die geplante Wahlkampfveranstaltung in Cloppenburg abgesagt.
Mit freundlichen Grüßen
Ursula Helmhold, MdL