Frage an Ursula Heinen-Esser von Gerda P. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Heinen,
in wenigen Wochen sollen Abstimmungen im Bundestag über den Einsatz von deutschen Soldaten in Afghanistan stattfinden. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass diese Einsätze gegen das Völkerrecht verstoßen und ebenso gegen Artikel 25 und 26 unseres Grundgesetzes. Für die Operation Enduring Freedom bestand zu keinem Zeitpunkt ein UNO-Mandat. Laut UNO-Charta ist die Androhung und Anwendung von Gewalt ohne UNO-Mandat verboten (Gewaltverbot).
Demzufolge ist die OEF ein völkerrechtswidrig verbotener Angriffskrieg. Seit 2001 sichert die deutsche Marine unter diesem Kommando den Kriegsnachschub. Weiterhin kämpfen deutsche Soldaten unter dem Kommando der OEF (KSK). Seit 2003 sind die ISAF-Truppen unter NATO-Kommando gestellt und gaben damit ihren ursprünglichen Zweck auf. Bekannt ist darüber hinaus, dass sich die Kommandostrukturen von OEF und ISAF mittlerweile vermischen und nicht mehr klar abzugrenzen sind. Deutsche Tornados liefern Bilder zur Bombardierung afghanischer Zivilisten.
Artikel 26 Abs. 1 GG regelt, dass Handlungen, die geeignet sind, das friedliche Zusammenlenben der Völker zu stören, verfassungswidrig und unter Strafe zu stellen sind. Alle Abgeordneten, die für diese Einsätze abstimmen, handeln verfassungswidrig und machen sich strafbar.
Als Bürger sind wir nach Artikel 25 GG der Einhaltung des Völkerrrechts verpflichtet. Ich nehme diese Pflicht wahr und fordere Sie als meinen Vertreter auf: "Lassen Sie Ihr Gewissen sprechen und fühlen Sie sich mit den Kindern, Frauen und Männern, denen durch diesen Krieg unendliches Leid zugefügt werden. Krieg ist ein Verbrechen. Beteiligen Sie sich nicht daran".
Wie Sie wissen, spreche ich für die Mehrheit der deutschen Bürger.
In Erwartung einer Antwort verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Gerda Peters
Sehr geehrte Frau Peters,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 31. August 2007. Ich habe Verständnis für Ihre Sorge und respektiere Ihre Ablehnung des Einsatzes. Lassen Sie mich jedoch meine Sicht zu dem deutschen Engagement in Afghanistan darlegen.
Es ist sicherlich keine einfache Entscheidung, deutsche Soldaten in einen Auslandseinsatz nach Afghanistan zu senden. Es liegt jedoch in unserem eigenen Interesse, dass Afghanistan wieder zu einem stabilen, demokratischen Land wird. Afghanistan sich selbst zu überlassen und somit einer Basis von gewaltbereiten Fanatikern und Terroristen, dies hätte negative Auswirkungen nicht nur auf die gesamte Region, sondern auch auf unsere nationale Sicherheit. Ein Kampf gegen die Gewalt in Afghanistan bedarf eines umfassenden und nachhaltigen Ansatzes. Militärische Mittel sind dabei nur ein - allerdings unerlässliches - Element, das von polizeilichen, politischen, entwicklungspolitischen, zivilgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Maßnahmen begleitet werden muss. Deutschland verfolgt in Afghanistan einen umfassenden Ansatz aus zivilem Wiederaufbau und begleitender militärischer Absicherung – ein positiver Schritt, denn ohne Sicherheit wird es keine Entwicklung in Afghanistan geben. Deutschland ist daher für einen positiven Ausgang der Gesamtmission in Afghanistan mit verantwortlich und zur Absicherung dieser Ziele ist ein Einsatz der deutschen Soldaten und eine Aufstockung der zivilen Aufbauhilfe notwendig.
Der Einsatz der modernen Aufklärungsflugzeuge vom Typ Tornado ist in meinen Augen ebenfalls unabdingbar. Die Tornados fliegen primär zur Aufklärung für die ISAF Kräfte. Aufklärung dient der Sicherheit unserer in Afghanistan stationierten Soldaten. Diese Aufklärungsflüge bedeuten somit keinen Einstieg in Kampfhandlungen. Darum bin ich der Überzeugung, dass ein Einsatz der Tornados ein wichtiges Element zur Eigenständigkeit und Freiheit Afghanistans ist.
Auch wenn die Operation Enduring Freedom (OEF) vornehmlich der unmittelbaren Terrorismusbekämpfung gilt, widerspreche ich Ihrer Interpretation, wonach es sich bei OEF um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg handele. Der Einsatz der NATO im Rahmen der OEF ist rechtlich durch das Selbstverteidigungsrecht der Völker abgedeckt. Das andere - formell getrennte - Mandat der ISAF kann völkerrechtlich kaum angezweifelt werden, da es eindeutig auf einem Mandat des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen beruht. Die Beteiligung an OEF und ISAF ist daher völkerrechtlich legitimiert.
Ich hoffe, dass ich meine Ansichtsweise deutlich machen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Ursula Heinen