Frage an Ursula Heinen-Esser von Sabine H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Heinen,
ich wohne in Ihrem Wahlkreis und habe folgende Fragen an Sie:
Sind aus Sicht Ihrer Partei Abschiebungen in Krisengebiete wie Afghanistan, Irak, Kosovo und Togo vertretbar?
Wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, Familientrennungen durch Abschiebungen rechtlich zu unterbinden?
Was werden Sie tun, um die Situation von Menschen ohne Papiere und ohne Aufenthaltsstatus in Deutschland zu verbessern?
Wie bewerten Sie die Ergebnisse von Legalisierungen in anderen europäischen Ländern, z.B. Spanien, und halten Sie diese Maßnahmen für übertragbar?
Was wollen Sie tun, um die Situation langjährig Geduldeter, also Menschen ohne sichere Aufenthaltsperspektive, zu verbessern?
Was wollen Sie tun, damit Deutschland und die EU ihrer Verantwortung für den Schutz von Flüchtlingen gerecht werden?
Wie steht Ihre Partei zu den Bestrebungen, den Flüchtlingsschutz durch die Einführung EU-weiter Drittstaatenregelungen und die Einrichtung von "Asyllagern" außerhalb der EU auszulagern?
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Heinz
Sehr geehrte Frau Heinz,
vielen Dank für Ihre Fragen. CDU und CSU haben bei den Verhandlungen zum Aufenthaltsgesetz mit Nachdruck darauf hingewirkt, dass das Gesetz im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands zum Schutz von Flüchtlingen steht und die bindenden Vorgaben aus EU-Richtlinien umgesetzt werden. Dies wird auch weiterhin die Leitlinie von CDU und CSU im Hinblick auf die sich fortentwickelnde europäische Asyl-, Ausländer- und Einwanderungspolitik sein.
Ob nach dem unter schwierigen Bedingungen zustande gekommenen Zuwanderungskompromiss in Zukunft Korrekturen am Aufenthaltsgesetz vorgenommen werden können, ist offen. Dies wird in der jeweiligen Situation aufgrund der konkreten Problemlage zu entscheiden sein. Eine von der Union geführte Bundesregierung wird dies zu gegebener Zeit unter Einbeziehung der Interessen aller Betroffenen und in einer gründlichen Abwägung sorgfältig prüfen.
Für den Vollzug von Abschiebungen sind nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes grundsätzlich die Länder zuständig. Das Aufenthaltsgesetz sieht detaillierte Vorschriften über Abschiebungshindernisse vor, die durch die Rechtsprechung konkretisiert worden sind. Grundsätzlich ist eine Abschiebung nach dem Aufenthaltsgesetz unzulässig, falls der Ausländer dem Schutzbereich der Genfer Flüchtlingskonvention unterfällt. Allerdings findet dieses Abschiebungsverbot keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, weil er wegen besonders schwerwiegender Straftaten verurteilt wurde. Das Gleiche gilt u. a. auch, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Ausländer ein Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit oder ein Kriegsverbrechen begangen hat. Allerdings darf ein Ausländer nicht in den Staat abgeschoben werden, in dem ihm eine konkrete Foltergefahr droht oder die Gefahr der Todesstrafe besteht. Auch nach Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention kann eine Abschiebung unzulässig sein.
Die Behörden sind bei der Anwendung dieser Rechtsgrundsätze an Recht und Gesetz gebunden. Vorhandene Spielräume für humanitäre Entscheidungen zugunsten der Betroffenen sollten genutzt werden, um vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Härten zu vermeiden. Regelmäßig gehen immer mehrere Verfahren der Prüfung, des Einspruchs und der erneuten Prüfung der endgültigen Abschiebung voraus. Auch wenn die Nüchternheit amtlicher Bescheide oft mangelndes Einfühlungsvermögen suggeriert, so stehen hinter diesen Entscheidungen meist keine herzlosen Bürokraten, sondern Menschen, die sich der Auswirkungen ihres Handelns bewusst sind und das Aufenthaltsrecht mit Augenmaß vollziehen. Falls es in Einzelfällen zu Fehlentscheidungen kommen sollte, sind diese abzuändern und der rechtmäßige Zustand ist herzustellen. Die Mitarbeiter der Ausländerbehörden müssen sich aber darauf verlassen können, dass sie nicht grundlos angegriffen werden, nur weil sie geltendes Recht vollziehen.
Das Thema „Leben in der Illegalität“ wirft große praktische, rechtliche und vor allem menschliche Probleme auf. Wer sich für eine Zuwanderung in unser Land außerhalb der legalen Möglichkeiten entscheidet und als Konsequenz daraus ein Leben in der Illegalität führt, mag zunächst viele Gründe dafür haben. CDU und CSU sehen durchaus die Einzelschicksale der Menschen, die sich nach illegaler Zuwanderung plötzlich mit den Konsequenzen ihres Handelns konfrontiert sehen. Für deren schwierige Situation gebührt den Betroffenen Verständnis.
Gleichwohl müssen innerhalb der gesamten Diskussion auch übergeordnete staatliche Interessen ihren Platz haben. Wenn dies auch menschlich nicht immer leicht zu akzeptieren ist, gehört hierzu auch die aus der Souveränität des Staates fließende Befugnis, dass der Staat regeln darf, welche Angehörige anderer Staaten unter welchen Voraussetzungen in sein Staatsgebiet einreisen, sich in ihm aufhalten und in ihm leben dürfen. Als abstrakte Regel wird hiergegen nichts einzuwenden sein, häufig wird es aber dann schwierig, wenn diese abstrakte Regel mit negativen Folgen einen Einzelfall betrifft und emotionale Bindungen entstanden sind. Diese Zielkonflikte sind nur selten für beide Seiten akzeptabel aufzulösen.
CDU und CSU legen besonderes Augenmerk darauf, dass geltendes Recht geachtet, befolgt und durchgesetzt wird. Wer sich in die Illegalität begibt, darf nicht damit rechnen, dass er auf diesem Weg ein Aufenthaltsrecht erzwingen kann. Ein verantwortlicher Umgang mit dem Thema Illegalität beinhaltet auch, dass man den Betroffenen in der Beratung Wege zu einer Rückkehr in Würde aufzeigt und sie nicht in einer Fehleinschätzung der tatsächlichen Aufenthaltsperspektiven bestärkt.
Für weitergehende als die im Aufenthaltsgesetz vorgesehenen Reglungen, insbesondere eine Altfallregelung, gab es bei den Verhandlungen zum Zuwanderungsgesetz parteiübergreifend keine Mehrheit. Maßgeblicher Grund für die Ablehnung einer Altfallregelung war, dass von einer weitreichenden Legalisierung illegaler Aufenthalte eine unerwünschte Anreizwirkung für weitere illegale Zuwanderung nach Deutschland ausgeht.
Ob nach dem unter schwierigen Bedingungen zustande gekommenen Zuwanderungskompromiss in Zukunft Korrekturen am Aufenthaltsgesetz vorgenommen werden können, ist offen. Dies wird in der jeweiligen Situation aufgrund der konkreten Problemlage zu entscheiden sein. Eine Handhabe der Problematik kann aber nur im Einklang mit den anderen europäischen Staaten im Wege einer europarechtlichen Vereinheitlichung gefunden werden, weil aus Legalisierungen weitgehende Rechte - wie beispielsweise nach 5 Jahren die volle Freizügigkeit innerhalb der EU - erwachsen können, die auch die anderen Mitgliedstaaten betreffen.
Im Rahmen des parteiübergreifenden Kompromisses zum Aufenthaltsgesetz aus dem Jahre 2004 sind die Bleiberechtsregeln im Bereich der humanitären Zuwanderung verbessert worden. Insbesondere soll die verbreitete Praxis von Kettenduldungen weitgehend abgeschafft werden. Wer eine Duldung erhalten hat, weil eine Abschiebung wegen Foltergefahr, der Gefahr der Todesstrafe oder wegen Abschiebungshindernissen nach der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht möglich ist, dem soll die Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Die Erteilung steht unter dem Vorbehalt, dass der Antragsteller nicht in einen anderen, dritten Staat ausreisen kann und er nicht wiederholt oder gröblich gegen gesetzliche Mitwirkungspflichten verstößt. Außerdem wird eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen wurden, oder der Antragsteller eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Bundesrepublik darstellt. Eine Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist, weil eine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist. Voraussetzung für die Erteilung ist, dass mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist und der Betroffene nicht ausreisen kann, auch wenn er es will. Eine Erteilung ist in jedem Fall ausgeschlossen, wenn der Antragsteller falsche Angaben zu seiner Identität oder Herkunft macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht.
Für weitergehende Regelungen, insbesondere eine generelle Altfallregelung, gab es bei den Verhandlungen zum Zuwanderungsgesetz im Hinblick auf die dargestellten Verbesserungen für Flüchtlinge parteiübergreifend keine Mehrheit. Ob nach dem unter schwierigen Bedingungen zustande gekommenen Zuwanderungskompromiss in Zukunft Korrekturen am Aufenthaltsgesetz vorgenommen werden können, ist offen. Dies wird in der jeweiligen Situation aufgrund der konkreten Problemlage zu entscheiden sein.
Eine von der Union geführte Bundesregierung wird dies zu gegebener Zeit unter Einbeziehung der Interessen aller Betroffenen und in einer gründlichen Abwägung sorgfältig prüfen.
Mit freundlichen Grüßen
Ursula Heinen