Frage an Ursula Heinen-Esser von Michael K. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrte Frau Heinen-Esser,
mit erschrecken habe ich erfahren das ein neues Meldegesetz im Bundestag verabschiedet wurde.
Ist es wahr dass die Meldeämter sodann alle Adressen von Privathaushalten weitergeben dürfen?
Wie stehen Sie und Ihre Bundestagsfraktion dazu?
Mit freundlichen Grüßen
Michael Kluth
Sehr geehrter Herr Kluth,
vielen Dank für Ihre Frage zum Meldegesetz. Das vom Deutschen Bundestag am 28. Juni 2012 beschlossene Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens basiert auf einem Gesetzentwurf der Bundesregierung und wurde in 2. und 3. Lesung am 28. Juni 2012 in geänderter Fassung angenommen.
Worum ging es in der Sache konkret: Bislang kann nach § 21 Absatz 1 Melderechtsrahmengesetzes (MRRG) jede Person oder Stelle eine Auskunft zu Vor- und Familiennamen, Doktorgrad und Anschriften einzelnen Einwohner bei der Meldebehörde erhalten (§ 21 Absatz 1 Satz 1 MRRG). Die Angabe eines Zweckes o.ä. ist nicht erforderlich. Der Bürger hat hier nur die Möglichkeit, der automatisierten Auskunft über das Internet zu widersprechen (§ 21 Absatz 1a Satz 2 MRRG). Die Beauskunftung im manuellen, schriftlichen Verfahren bleibt stets erhalten und kann nicht gesperrt werden.
In der Folge des Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes von 2006 (Urteil des 6. Senats vom 21. Juni 2006 – BVerwG 6 C 05.05) wurde ein Widerspruchsrecht in den Ländern nach § 6 MRRG eingeführt, allerdings nicht als gesetzlich normiertes Widerspruchsrecht. Da in der jetzigen Melderegisterauskunft keine Zwecke angegeben werden müssen, greift diese Widerspruchsregelung nur, wenn offensichtlich zu Zwecken der Werbung eine Anfrage auf Melderegisterauskunft erfolgt, bspw. durch eine „Direktwerbung GmbH“ oder „Quick Adresshandels GmbH“. In der Praxis läuft diese Widerspruchsregelung ins Leere, da es meist an der Offensichtlichkeit fehlt.
Im Gegensatz zum noch geltenden Melderecht, das für die sog. einfache Melderegisterauskunft keinen speziellen Voraussetzungen vorsieht, soll künftig nach dem neuen Gesetz die Erteilung der einfachen Melderegierauskunft für Zwecke der Werbung und/oder des Adresshandels im Hinblick auf die o.g. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Jahr 2006 an folgende enge Voraussetzungen und Rechtsfolgen geknüpft werden:
• Notwendigkeit der Angabe der Zwecke „Werbung“ und/oder „Adresshandel“, soweit dieser Zweck seitens der die Auskunft begehrenden Stelle verfolgt wird (§ 44 Absatz 1 Satz 2 BMG).
• Der betroffenen Person steht ein Widerspruchsrecht zu (§ 44 Absatz 1 Satz 3 1. Halbsatz BMG).
• Die Meldebehörde hat die Pflicht, die betroffene Person bei ihrer Anmeldung sowie einmal jährlich durch ortsübliche Bekanntmachung auf das Widerspruchsrecht hinzuweisen (§ 44 Absatz 1 Satz 3 2. Halbsatz BMG).
• Eine Nutzung zu den Zwecken Werbung und Adresshandel ist verboten, wenn dieser Zweck bei der Anfrage nicht angegeben wurde oder wenn die betroffene Person Widerspruch eingelegt hat. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtung vorhandener Daten verwenden werden (§ 44 Absatz 4 BMG). Dabei ist das Merkmal der „Berichtigung“ datenschutzfreundlich auszulegen.
• Der Verstoß gegen eine solche verbotene Nutzung von Daten aus einer Melderegisterauskunft zum Zwecke der Werbung und des Adresshandels ist bußgeldbewehrt (§ 54 Absatz 2 Nummer 12 i.V.m Absatz 3 BMG).
• Eine einfache Melderegisterauskunft ist gebührenpflichtig.
Der Regierungsentwurf vom 31. August 2011 sah im Rahmen der einfachen Melderegisterauskunft eine Einwilligungslösung (Opt-in) für die Bereiche Werbung und Adresshandel vor. Die betroffene Person hätte danach gegenüber der Meldebehörde oder dem anfragenden Unternehmen in die Nutzung ihrer Daten zu diesen Zwecken einwilligen müssen. Da es keinen zwingenden Grund für eine solche völlige Abkehr vom geltenden Recht gab, wurde der Regierungsentwurf in dem Punkt im weiteren parlamentarischen Verfahren wieder geändert.
Die Presseberichterstattung, wonach ein Erlangen der Adressdaten zu einer Person, deren Widerspruchsrecht nach § 44 Absatz 1 Satz 3 1. Halbsatz BMG dauerhaft aushebelt, ist unrichtig. Vielmehr gilt die Ausnahme für Bestandsdaten gemäß § 44 Absatz 4 Satz 2 BMG nur bei einer Bestätigung (Anfragedaten sind komplett identisch mit Auskunftsdaten) oder bei einer Berichtigung vorhandener Daten. Die Berichtigung ist verfassungskonform eng auszulegen, Berichtigungen sind bspw. Eintragung des Doktortitels nach erfolgreicher Promotion, Namensänderungen wegen Heirat, Zahlendreher bei der Hausnummer, offensichtliche Schreibfehler im Straßennamen oder falsche Postleitzahl und dergleichen. Ein Umzug innerhalb der Gemeinde oder in eine andere Gemeinde kann nach hiesiger Auffassung nicht unter „Berichtigung“ gefasst werden. In diesem Bereich gilt die o.g. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes als Richtschnur, entsprechend würde eine erweiterte Auslegung der Anwendungsfälle einer „Berichtigung“ dem Urteilsinhalt widersprechen.
Weiter hat die Bundesregierung bereits angekündigt, dass das Gesetz vor seiner Verabschiedung im Bundesrat nochmals überarbeitet wird, um der derzeitigen Diskussion besonders Rechnung zu tragen.
Mit freundlichen Grüßen
Ursula Heinen-Esser