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Ursula Heinen-Esser
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Frage von Daniel S. •

Frage an Ursula Heinen-Esser von Daniel S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Heinen-Esser,

Sie haben soeben in der Abstimmung zur dauerhaften Ermächtigung des ESM mit "ja" gestimmt. Sicherlich ist es Ihnen aus der Regierungserklärung von Frau Merkel und auch aus den Medien unlängst bekannt, wie dieser - noch nicht einmal vollständig ausgearbeitete - völkerrechtlich bindende und unkündbare Vertrag bereits jetzt angewendet wird. Mit Ihrem "ja" haben Sie für einen europäischen Gouverneursstaatshaushalt gestimmt, der sich jeglicher Kontrolle durch demokratische Organe entzieht.
Siehe z.B. http://www.sueddeutsche.de/politik/abstimmung-ueber-den-esm-im-bundestag-und-bundesrat-wie-man-einen-vertrag-aendert-ohne-ihn-zu-aendern-1.1397639

Bitte nehmen Sie Stellung zu Ihrem Verhalten und legen Ihre Entscheidungsgründe detailliert dar. Ebenfalls interessiert mich, weshalb Sie davon ausgehen, mit Ihrer Stimme nicht gegen das Grundgesetz verstoßen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Daniel Schlicker

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Schlicker,

vielen Dank für Ihre Email über Abgeordnetenwatch.de, in der Sie mich um eine Stellungnahme zu meiner Zustimmung zum ESM bitten.

Ich befürworte unsere derzeitige Vorgehensweise und möchte Ihnen unsere Position gerne darlegen: Es ist offensichtlich, dass die Währungsunion in der Form, wie sie in den ersten Jahren ihrer Existenz aufgestellt war, nicht dauerhaft existieren kann. Wir arbeiten daher konsequent an einer verbesserten Stabilitätsarchitektur für Europa, zu der der ESM einen wesentlichen Beitrag leisten wird. Ich habe am 29. Juni 2012 im Bundestag für den ESM-Vertrag und den Fiskalpakt gestimmt, da der auf europäischer Ebene beschlossene und unterschriebene ESM-Vertrag aus meiner Sicht ein deutliches Signal für nachhaltige Stabilität innerhalb Europas setzt. Dies ist wichtig, da Situationen auftreten können, in denen akut in Schwierigkeiten geratene Euro-Länder kurzfristig von ihren Partner unterstützt werden müssen. Ein im Falle des Nichthandelns möglicher Flächenbrand hätte unabsehbare Folgen für ganz Europa und damit auch für die deutsche Wirtschaft und unsere öffentlichen Haushalte.

Ziel aller jetzigen und zukünftigen Maßnahmen darf aber nur die kurzfristige zielgerichtete Krisenhilfe sein, ganz ausdrücklich nicht die dauerhafte Alimentierung von Staaten.

Der ESM darf daher nicht isoliert von den anderen, ebenso wichtigen Bausteinen für eine dauerhaft stabile Währungsunion betrachtet werden. Eine Währungsunion kann nur funktionieren, wenn jedes Mitgliedsland aus eigener Kraft solide wirtschaftet und wettbewerbsfähig ist. Ein fundamentaler Baustein im neuen Regelungsgefüge Europa ist neben dem ESM daher auch der am 30. Januar von den Staats- und Regierungschefs fast aller Mitgliedstaaten beschlossene Fiskalvertrag. Die Einführung von Schuldenbremsen nach deutschem Vorbild in allen anderen Euro-Staaten, die mit diesem Vertrag verpflichtend sein wird, ist eine entscheidende Weichenstellung für die Stabilisierung unserer Gemeinschaftswährung.

Um die zu hohe Staatsverschuldung schnellstmöglich zurückzuführen und zukünftige exzessive Staatsverschuldung nachhaltig zu vermeiden, ergänzt und verschärft der Fiskalvertrag das bestehende EU-Regelwerk zur haushaltspolitischen Überwachung, d. h. den Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie die sechs EU-Rechtsakte zur Stärkung der haushalts- und wirtschaftspolitischen Überwachung (sog. „sixpack“). Im Wesentlichen enthält der Vertrag folgende Neuerungen gegenüber der bestehenden Rechtslage:

• Der Vertrag sieht ehrgeizige Vorgaben für nationale Schuldenbremsen nach deutschem Vorbild vor. Das gesamtstaatliche strukturelle Defizit darf die Obergrenze von 0,5 % des nominalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht übersteigen, solange die Schuldenquote nicht deutlich unter 60 % liegt. Die Verantwortung für solide Finanzen liegt damit da, wo sie hingehört: auf nationaler Ebene.

• Die Umsetzung in nationales Recht muss mit starker und permanenter Bindungswirkung, vorzugsweise auf Verfassungsebene, erfolgen. Die Umsetzung kann durch eine Klage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) durchgesetzt werden.

• Mitgliedstaaten, die sich in einem Defizitverfahren befinden, müssen ein Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramm auflegen. Die Eröffnung und alle weiteren Beschlüsse im Rahmen eines Defizitverfahrens werden hinsichtlich der Nichteinhaltung des Defizitkriteriums zukünftig quasi-automatisch erfolgen (umgekehrte qualifizierte Mehrheitsentscheidung).

• Die Vertragsparteien verpflichten sich zu einer verstärkten wirtschaftspolitischen Koordinierung. Der Vertrag regelt ein Verfahren zu einer besseren politischen Steuerung des Euro-Währungsgebiets in Gestalt von regelmäßigen, mindestens zwei Mal im Jahr stattfindenden Tagungen des Euro-Gipfels.

• Nicht zuletzt wird die Möglichkeit einer Konferenz von Vertretern des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente zu Fragen der Haushaltspolitik und anderer vom Vertrag erfasster Angelegenheiten vorgesehen.

Nur Staaten, die die Vorgaben des Fiskal-Vertrages– insbesondere die der nationalen Schuldenbremsen – umsetzen, dürfen Leistungen des ESM beanspruchen. So wird eine enge Verzahnung der Aspekte kurzfristige Krisenhilfe und mittel- bis langfristige Solidität der Empfängerländer gewährleistet. Der ESM fußt also auf dem Grundsatz, dass Solidarität nur bei entsprechender fiskalpolitischer Solidität gewährt werden kann.

Es ist in keiner Weise so, dass wir mit dem ESM unsere Verpflichtung für einen verantwortungsvollen Umgang mit deutschen Steuergeldern aus der Hand geben. Der Deutsche Bundestag hat seine Haushaltsverantwortung im Zusammenhang mit dem ESM in vollem Umfang wahrgenommen und wird dies weiterhin tun. Der Deutsche Bundestag hat den ESM-Vertrag durch ein Zustimmungsgesetz ratifiziert. Der Deutsche Bundestag oder seine Gremien werden auch bei allen künftigen Entscheidungen einbezogen, wenn dies die Haushaltsverantwortung des Deutschen Bundestages erfordert. Dies gilt insbesondere für die Entscheidungen, einem in Not geratenen Euro-Mitgliedstaat eine Finanzhilfe zu gewähren. Ich bin daher insgesamt von der Notwendigkeit des ESM als Teil einer verbessertet Stabilitätsarchitektur in Europa fest überzeugt.

Mit freundlichen Grüßen

Ursula Heinen-Esser