Frage an Ursula Heinen-Esser von Peter F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Heinen-Esser,
am 26. April soll der Bundestag über die geplante Änderung der Geschäftsordnung abstimmen, die Änderungen hinsichtlich des Rederechtes der Abgeordnteten vorsieht.
In vielen Presseartiklen ist derzeit darüber zu lesen. ( http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,827651,00.html )
Die große Empörung und die erheblichen Bedenken gegen die geplante Beschränkung der Redefreiheit mit Verweis auf den "Fraktionszwang" (den es ja lt. GG nicht geben darf), besteht meines Erachtens völlig zu Recht.
Als Abgeordnete für meinen Wahlkreis frage ich Sie:
Wie stehen Sie zu dem Entwurf des Geschäftsordnungsausschusses und werden Sie in dieser Frage abstimmen?
Freundliche Grüße!
Sehr geehrter Herr Füssenich,
vielen Dank für Ihre Frage zur Diskussion um eine Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags.
In Ihrer E-Mail sprechen sie sich gegen eine angebliche Anweisung des Ältestenrats des Deutschen Bundestages aus, wonach der Bundestagspräsident künftig nur noch nach Absprache mit den Fraktionsvorsitzenden Redner benennen dürfe. Nach der öffentlichen Berichterstattung zu diesem Thema habe ich Verständnis für Ihre Besorgnis. Es war jedoch keineswegs beabsichtigt, Rechte der Abgeordneten oder des Bundestagspräsidenten einzuschränken. Dies wäre nach unserer Verfassung schlichtweg unzulässig.
In der Sache geht es um Folgendes:
Nach der Geschäftsordnung des Bundestages werden bisher die Redezeiten zunächst zwischen allen Fraktionen abgestimmt. Die Gestaltung und Dauer von Plenardebatten wird sodann auf Vorschlag des Ältestenrates im Bundestag zu Beginn jeder Sitzung grundsätzlich einvernehmlich festgelegt. Die konkrete Redeordnung dient der Berechenbarkeit des Beratungsablaufs. In der Praxis ist die Vereinbarung der Redezeit von einem sehr kooperativen Umgang zwischen allen Fraktionen geprägt.
Eine ausdrückliche Regelung für die Handhabung von Ausnahmen von der Rednerreihenfolge kennt die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages bisher nicht. Diese Regelungslücke sollte geschlossen werden.
Die Wahrnehmung des Rederechts des Abgeordneten gehört zu den verfassungsrechtlich geschützten Kernelementen seiner Mandatsrechte. Es kommt allen Abgeordneten gleichermaßen zu, also auch den Mitgliedern von Fraktionen, die im Plenum von der Mehrheitsmeinung ihrer Fraktion abweichen wollen. Das Rederecht sollte weder beschnitten, noch sollte gegen Abgeordnete ein „Maulkorb“ verhängt werden. Es sollte lediglich neu geregelt werden, dass der amtierende Präsident abweichend von der im Bundestag jeweils beschlossenen Redeordnung weiteren Rednern „im Benehmen mit den Fraktionen“ das Wort für in der Regel drei Minuten erteilen kann. „Benehmen“ bedeutet weder „Einvernehmen“ noch „Zustimmung“. Es sollte letztlich der amtierende Bundestagspräsident über die Zulassung, Platzierung und Dauer des Wortbeitrages eines Abgeordneten entscheiden.
Sinn und Zweck dieser Regelung sollte es sein, den Fraktionen in Kenntnis der zusätzlichen Wortbeiträge die Gelegenheit zu geben, die Rednerreihenfolge auch der von ihnen gemeldeten Rednerinnen und Redner noch einmal zu überdenken. Die Dauer des zusätzlichen Redebeitrages sollte begrenzt werden auf „in der Regel“ drei Minuten. Eine darüber hinausgehende Verlängerung der Redezeit sollte möglich sein, wenn der Verhandlungsgegenstand und der Verlauf der Aussprache dies nahelegen. Dabei sollte z.B. auch eine Rolle spielen die Bedeutung der Debatte, aber auch die Anzahl der zusätzlichen beantragten Wortbeiträge im Verhältnis zu den anderen Kolleginnen und Kollegen und den Fraktionen. Es hätte also insgesamt keine starre zeitliche Vorgabe für einen Redner außerhalb der Rednerreihenfolge bestanden.
Eine transparente und – natürlich auch kontroverse – Diskussionskultur im politischen Meinungsbildungsprozess ist selbstverständlich notwendig und wünschenswert. Auch nach dem Entwurf zur Änderung der Geschäftsordnung war es keinesfalls beabsichtigt, das Rederecht von Abgeordneten in Frage zu stellen, insbesondere wenn sie eine von ihrer Fraktion abweichende Auffassung im Plenum vertreten wollten.
Mit freundlichen Grüßen
Ursula Heinen-Esser