Frage an Ulrike Bahr von Andreas R. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Bahr,
ich habe eine Anregung zum deutschen Namensrecht.
In sehr vielen Ländern werden Namensänderungen sehr liberal gehandhabt. Wenn bspw. sich in Dänemark Migranten aufgrund ihres ausländisch klingenden Namens diskriminiert fühlen, ist es ohne Probleme möglich, sich in Hans Jensen umzubenennen, selbst wenn die Eltern bspw. türkischer Abstammung sind. Auch sonst ist eine Namensänderung fast ohne Einschränkungen möglich. Wichtig ist nur, dass der Name dänisch klingen muss. Dies ist durch eine Liste mit dänischen Namen vorgegeben. Aus deutscher Sicht mag dies zwar zunächst merkwürdig klingen, aber dies ist eben eine andere Tradition. In Dänemark findet man hingegen, wie ich in Gesprächen mit Dänen festgestellt habe, die restriktive deutsche Regelung, die eine Namensänderung erschwert, durchaus merkwürdig.
Es ist inzwischen ja bekannt, dass man schlechtere Jobchancen hat, wenn man einen türkischen Namen hat (vgl. http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/bewerber-diskriminierung-tobias-wirft-serkan-aus-dem-rennen-a-676649.html ).
Meine Frage daher: Was spricht für die derzeitige Regelung im Namensrecht, die mir im internationalen Vergleich unglaublich kompliziert und bürokratisch erscheint? Insbesondere: Wem nutzt sie? Welchen Sinn macht eine derart restriktive Handhabung (bspw. darf man sich u.a. nur umbenennen lassen, wenn der Name einen Schimpfwort ähnelt etc.)? Was spräche -- auch im Sinne einer besseren Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in die deutsche Gesellschaft -- dagegen, die Namenswahl den Bürgern selbst zu überlassen, wie etwa in Dänemark oder, in Teilen, auch in Österreich?
Mit freundlichen Gruessen
Andreas Reichhardt
Sehr geehrter Herr Reichhardt,
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre Anregung zum deutschen Namensrecht über http://www.abgeordnetenwatch.de vom 26. August 2015.
Wie Sie vielleicht wissen, bin ich SPD-Bundestagsabgeordnete für die Stadt Augsburg. Dort haben mehr als 40 Prozent der Bürgerinnen und Bürger einen Migrationshintergrund. Ohne Zuwanderung wäre die Stadt Augsburg heute sicherlich nicht die drittgrößte Stadt Bayerns. Und in den vergangenen Jahrzehnten war das Ziel einer nachhaltigen Integration auch immer ein ganz wesentliches Element in der Augsburger Stadtpolitik. Deshalb denke ich, dass es für eine erfolgreiche und gelebte Integration vor allem eine umfassende Strategie braucht. Rechtliche Erleichterungen mögen hilfreich sein. Allerdings zeigen Beispiele wie die vielfältige und bunte Stadtgesellschaft in Augsburg, dass Integration auch unter den bestehenden gesetzlichen Regelungen gut gelingen kann.
Da ich keine Juristin bin und ich meinen Arbeitsschwerpunkt vorrangig in der Familien- und Sozialpolitik habe, habe ich in Reaktion auf Ihre Nachricht auch mit den zuständigen Fachbereichen Recht und Inneres in unserer Fraktion Rücksprache gehalten: Es ist richtig, dass das Namensänderungs- bzw. das Personenstandsrecht in Deutschland sehr strengen Regeln unterworfen ist. Denn nach dem Namensänderungsgesetz kann der Familienname eines deutschen Staatsangehörigen nur aus wichtigem Grund und auf Antrag geändert werden. Grund dafür ist, dass der Name als äußeres Kennzeichen einer Person zu ihrer Unterscheidung von anderen dient und Namensänderungen daher die Ausnahme bleiben sollen. Wie Sie richtig anführen, bestehen wichtige Gründe für eine Namensänderung vor allem dann, wenn der geführte Name lächerlich oder anstößig klingt oder aber geeignet ist, seinen Träger in seiner Ehre oder seinem Ansehen zu beeinträchtigen. Die Tatsache, dass der Träger seinen Namen als unangenehm, lästig oder hinderlich empfindet, reicht nicht aus, um eine Namensänderung ausreichend zu begründen. Zulässig ist die Namensänderung aber wiederum, wenn eine komplizierte Schreibweise eines ursprünglich ausländischen Namens dessen Übertragung in eine deutsche Form sinnvoll erscheinen lässt oder sich die beantragte Form zuvor schon im Rechtsverkehr durchgesetzt hat.
Sicherlich wirken diese Regelungen auf den ersten Blick sehr restriktiv. Und natürlich sind mir die Probleme auf dem Arbeitsmarkt, wo Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationsgeschichte aufgrund ihrer Herkunft Benachteiligungen ausgesetzt sind, durchaus bekannt - oft nimmt die Diskriminierung auch bereits bei der Wohnadresse ihren Anfang. Allerdings bezweifle ich, dass eine Vereinfachung des Namensänderungs- und Personenstandsrechts alleine hier die gewünschte Abhilfe schaffen würde. Denn eine Liberalisierung der Namensänderung beseitigt nicht die Ursache von Diskriminierung. Vielleicht mag ein deutscher Name auf den ersten Blick besser vor Anfeindungen schützen - ein generelles Umdenken in unserer Gesellschaft und in unserer Arbeitswelt hin zu einer tatsächlichen Willkommensgesellschaft bewirkt er allerdings kaum. Genau deshalb greifen meiner Ansicht nach vermeintlich einfache Lösungsansätze wie ein liberalerer Umgang mit Namensänderungen zu kurz. Denn was ich mir wünsche, ist ein grundsätzlich integrationsfreundliches Umfeld - am Arbeitsplatz genauso wie am Wohnort. Und das schaffen wir nicht dadurch, indem wir die Menschen mehr oder weniger dazu animieren, ihre Wurzeln und ihre Herkunft zu verschleiern. Vielmehr sollten wir daran arbeiten, dass in unserer Gesellschaft nicht mehr aufgrund des Namens, der Hautfarbe oder auch der sexuellen Orientierung geurteilt, differenziert und in Schubladen verteilt wird.
Möglicherweise wird dies ein längerer Weg sein als eine Gesetzesreform im Bereich des Namensänderungs- oder Personenstandsrechts. Aber ich finde in einem Land wie Deutschland muss es normal sein bzw. werden, anders zu heißen als Müller oder Schmidt - ohne automatisch auch anders behandelt zu werden. Denn Integration ist keine Einbahnstraße. Im Falle eines liberalen Namensänderungspraxis passt sich allerdings nur eine Seite an. Meiner Ansicht nach müssen sich aber beide Seiten bewegen. Augsburg ist mit diesem Ansatz, dass Integration mehr ist als Anpassung, in den vergangenen Jahrzehnten gut gefahren. Daher halte ich auch mit Blick auf eine Zuwanderungsgesellschaft und ein Einwanderungsland wie Deutschland einen Weg des Aufeinander-Zugehens für zielführender als beispielsweise rein rechtliche Erleichterungen bei der Namensanpassung.
In Ergänzung dazu können auch anonymisierte Bewerbungsverfahren dazu beitragen, die Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt bzw. bei der Stellenbesetzung zu verbessern. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beteiligt sich hier beispielsweise an einem Projekt der Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes. Die Vermeidung von Angaben, die Rückschlüsse auf Alter, Geschlecht, Familienstand, Religion oder Herkunft geben, ermöglicht eine Bewerberauswahl, die sich vorranging an den vorhandenen Qualifikationen orientiert. Ich würde es daher sehr begrüßen, wenn dieses Modell in Zukunft auch in der Wirtschaft noch mehr Beachtung und stärkere Anwendung findet.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihre
Ulrike Bahr