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Ulrike Bahr
SPD
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Frage von Robert S. •

Frage an Ulrike Bahr von Robert S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Bahr,

mit großer Faszination entnehme ich der Abendschau des Bayerischen Fernsehens, dass der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages den Gemeinden und Kreistagen mitteilt:

"Weder den Gemeinderäten noch den Kreistagen stehen Befassungs- oder Beschlusskompetenzen im Hinblick auf diene politische Erörterung oder Bewertung der geplanten Freihandelsabkommen zu." (Quelle: Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, zitiert nach BR Abendschau, 2.4.2015, 18:00 Uhr)

Ich möchte gerne verstehen:

- Wie stehen Sie zu diesem Vorgang? Ich bitte um Aufklärung, wie es dazu kommt, dass der Wissenschaftliche Dienst hier aktiv wurde? Wer erteilt solche Aufträge?

- Wie stehen Sie inhaltlich dazu, dass sich Menschen auch auf kommunaler Ebene mit den Fragen und möglichen Auswirkungen von TTIP auseinandersetzen und den Weg durch kommunale Instanzen unserer demokratischen Institutionen wählen um Entscheidungen herbeiführen?

- Wie stehen Sie zu den Sorgen, Ängsten und Bedürfnissen, die sich in dieser Auseinandersetzung deutlich zeigen und wie stehen Sie zu TTIP?

Abschließend möchte ich Ihnen ausdrücklich für Ihr persönliches Engagement danken und würde mich sehr freuen, wenn ich Ihre persönlichen Ansichten erfahren dürfte und keine Aussagen Ihrer Partei.

Mit freundlichen Grüßen
Robert Summers, Bürger und Steuerzahler

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Summers,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 27. April 2015 über www.abgeordnetenwatch.de .

Grundsätzlich besteht für jedes Mitglied des Deutschen Bundestages die Möglichkeit, sich vom Wissenschaftlichen Dienst eine Stellungnahme zu unterschiedlichsten Fragestellungen erarbeiten zu lassen. Scheinbar haben mehrere Abgeordnete von dieser Möglichkeit mit konkretem Bezug zu der Frage nach der Beschlusskompetenz der Kommunalvertretungen im Hinblick auf Freihandelsabkommen Gebrauch gemacht. Daher hat der wissenschaftliche Dienst dazu einen Infobrief mit seiner juristischen Einschätzung erstellt. Mir persönlich sind die einzelnen Abgeordneten, die hierzu konkret nachgefragt haben, nicht bekannt, so dass ich Ihnen zu deren Beweggründen keine näheren Hinweise geben kann.

Die in der Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes enthaltenen Schlussfolgerungen werden verständlicherweise nicht nur auf kommunaler Ebene sehr intensiv diskutiert. Insgesamt sehe ich persönlich darin keinen Anlass, den Kommunen im Rahmen der öffentlichen Diskussion den Mund zu verbieten. Denn gerade die Diskussion vor Ort ist notwendig und richtig. Deshalb sollte sie auch nicht vor den Türen der Kommunalvertretungen Halt machen.

In persönlichen Gesprächen wie auch in Form zahlreicher Schreiben teilen mir viele Augsburgerinnen und Augsburger ihre Sorgen und Bedenken in Bezug auf TTIP mit und ich nehme diese auch sehr ernst. Dabei kommen vor allem auch immer wieder die umstrittenen Investor-Staat-Schiedsverfahren zur Sprache. Dies ist ein Punkt, den auch ich besonders kritisch sehe. Deshalb werte ich den Vorschlag der sozialistischen und sozialdemokratischen Partei- und Regierungschefs, Schiedsgerichte zu einem internationalen Handelsgerichtshof weiter zu entwickeln, als durchaus positives Zeichen. Denn damit würde das bisher im Geheimen verhandelte Instrument der Investor-Staat-Schiedsverfahren einen überfälligen Reformschub erhalten, der die Klagerisiken bei neuen Gesetzen zu Umwelt, Kennzeichnungspflichten, Tierschutz oder Verbrauchergesundheit deutlich eindämmt. Mittlerweile scheint sich nun auch die EU-Kommission (langsam) in diese Richtung zu bewegen – auch wenn hier sicherlich weiterhin Verbesserungsbedarf besteht.

Grundsätzlich ist es aber nach wie vor Fakt, dass zu TTIP noch kein ausgehandelter Text vorliegt, so dass meine persönliche Meinungsbildung hier noch nicht abgeschlossen ist. Es widerspricht auch meinem persönlichen politischen Ansatz, etwas von vornherein und ohne klare Entscheidungsgrundlage zu befürworten oder abzulehnen. Unabhängig davon aber steht für mich fest, dass TTIP im Falle eines erfolgreichen Abschlusses der Verhandlungen und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments auf alle Fälle auch durch den Deutschen Bundestag ratifiziert werden muss.

Mit den besten Grüßen,

Ihre Ulrike Bahr

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