Frage an Ulrich Maurer von Cornelia E. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Maurer,
die Linke kämpft - gottseidank - für den Mindestlohn. Trotzdem haben Sie selbst und der größte Teil Ihrer Fraktion am 22. 1. GEGEN die Ausweitung eines Mindestlohns auf 6 weitere Branchen gestimmt. Ich kann das nicht so recht nachvollziehen: selbst wenn Sie und Ihre Partei für die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohnes für ALLE Arbeitsplätze sind, ist solch eine Ausweitung doch immerhin besser als gar nichts und könnte als Teilerfolg gesehen werden; wenigstens den Kolleginnen und Kollegen in den betroffenen Branchen wäre damit geholfen. Würden Sie den Grund für Ihr "Nein" erläutern. Ihrer Antwort sehe ich mit großem Interesse entgegen und bedanke mich im voraus
viele Grüße
Cornelia Echzeller
Sehr geehrte Frau Echzeller,
für Ihr Interesse an Positionen der LINKEN danke ich Ihnen.
für DIE LINKE ist es selbstverständlich und das haben wir auch immer eingefordert, dass ein flächendeckender Mindestlohn in ausreichender Höhe Grundlage für die Abschaffung von Lohndumping und somit des Niedriglohnsektors ist. In Deutschland sind davon 6,6 Millionen Menschen betroffen, davon erhalten 3,8 Millionen Menschen weniger als 50 % des Durchschnittlohns. Damit ist ein Leben in Würde, wie es der Art. 1 des Grundgesetzes garantieren soll, für uns nicht mehr gewährleistet. Aber da stimmen wir ja überein.
Ihre Argumentation, dass eine Ausweitung des Mindestlohnes auf 6 weitere Branchen besser als nichts und ein Teilerfolg wäre, klingt, wenn man sie isoliert von dem Gesetz der Bundesregierung betrachtet, verständlich. Unsere Beweggründe diesem nicht zuzustimmen, waren aber andere. Das eine ist der unterschiedliche Mindestlohn in allen Branchen für Ost und West trotz gleicher Kostenstruktur. Müssen Menschen im Osten aber weniger verdienen? Wir finden nein! Wenn für den Wachdienst im Osten z. Bsp. ein Mindestlohn von 6,- € brutto die Stunde festgeschrieben wurde, kann jemand davon in Würde leben? Ich denke nicht.
Ein zweiter Punkt den wir kritisiert haben, ist der Mindestlohn bei Zeitarbeitsfirmen. Wir fordern, dass jede Zeitarbeiterin und jeder Zeitarbeiter Anspruch auf denselben
Lohn hat, den ein anderer in demselben Unternehmen für die gleiche Tätigkeit verdient. Stattdessen wird durch dieses Gesetz nur garantiert, dass an der Leiharbeit verdient wird und die Stammbelegschaft unter Druck gesetzt werden kann, um die Löhne zu senken. Auch das konnten wir nicht mittragen. Wir können keinem Gesetz zustimmen, das Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegeneinander ausspielt. Darüber hinaus haben wir abgelehnt, dass in der Pflegebranche Kirchen selbstständig die Höhe des Betrages für einen Mindestlohn festlegen können. Ich verweise dabei beispielhaft auf einen Artikel aus dem Tagesspiegel vom 18. April 2008 unter der Überschrift „Kirchen gegen Mindestlohn in der Pflege“ ( http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland/Mindestlohn;art122,2515161 ).
Was macht es da für Sinn, den Kirchen selbst die Höhe des Mindestlohns festlegen zu lassen? Keinen.
Der Vorsitzende unserer Bundestagsfraktion Gregor Gysi hat die grundsätzliche Frage nach einem Mindestlohn bei der Debatte um dieses Gesetz in einen Vergleich mit dem pfändungsfreien Betrag eines Schuldners gesetzt. Bei einem Schuldner hat der Gesetzgeber festgeschrieben, dass Gläubiger an die letzten 1000 Euro seines Einkommens nicht heran dürfen. Das entspräche etwa 1455 Euro brutto bei einem Stundenlohn von 8,71 Euro monatlich, wie er in Frankreich als Mindestlohn festgeschrieben ist.
Unsere berechtigte Frage ist doch, warum dies aber dann nicht generell als flächendeckender Mindestlohn eingeführt werden kann. In Anbetracht dieser Einwände und weil wir dieses Flickwerk, dass als Gesetz zur Abstimmung stand, nicht mittragen wollten, haben wir es abgelehnt.
Ich hoffe unsere Argumente zeigen Ihnen, warum wir nicht davon überzeugt sind, dass dieses Gesetz besser als gar nichts wäre und als Teilerfolg gesehen werden kann. Dabei habe ich hier noch nicht einmal berücksichtigt, dass 3 Millionen der Geringverdienerinnen und Geringverdiener in Deutschland weiterhin außen vor bleiben. Auch auf die Fragen, welche Mindestlöhne wir brauchen, woran wir uns dabei orientieren, welche Kriterien dabei ausschlaggebend sein sollen oder ob man einfach willkürlich entscheidet, gab es von der Bundesregierung noch keine Antwort. Wir haben uns dagegen immer klar positioniert, in unseren Anträgen im Bundestag genauso, wie im Europa- oder Bundestagswahlprogramm.