Frage an Ulrich Maurer von Peter B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Maurer!
Der Presse entnahm ich, dass Sie an den Sondierungsgesprächen für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen in NRW beteiligt waren. Nun hat die selbe Presse auch mehr oder weniger umfassend darüber berichtet, dass sowohl SPD, als auch die Grünen der Meinung seien, dass solche Koalitionsverhandlungen mit der Linken aus deren Sicht keinen Sinn machen würden.
Was die Presse leider nicht berichtet hat, war die Sichtweise der Linken. Somit meine Frage an Sie:
Was waren die Gründe für das Nicht-Zustandekommen von Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und Linken in NRW? Und welche Konsequenzen ergeben sich für Die Linken daraus?
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Möglichkeit für eine Antwort sehen würden und wünsche Ihnen zunächst ein schönes Pfingstwochenende!
Sehr geehrter Herr Bounin,
DIE LINKE ist von Wählerinnen und Wählern in Nordrhein-Westfalen mit 5,6 Prozent in den Landtag gewählt worden. Und das, obwohl CDU, FDP, SPD und GRÜNE sowie die Medien im Vorfeld alles versucht haben, dies zu verhindern. Der Wahlerfolg hielt aber die SPD und die Grünen nicht davon ab, bei den Sondierungsgesprächen die Politik der Ausgrenzung und Diffamierung erneut zu versuchen. Verhandlungen, die sich schnell als Schein und politische Farce herausstellten, sollten die Schuld am Scheitern mit fadenscheinigen Begründungen alleine der LINKEN in NRW zuschieben und von den wirklichen Intentionen von rot-grün ablenken. Dabei ging es nicht um inhaltliche Fragen bezüglich einer zukünftigen gemeinsamen Regierungspolitik in NRW, sondern um ein angeblich gestörtes Verhältnis zur nicht mehr existierenden DDR. DIE LINKE hat dazu erklärt: „Wer 15 Minuten nach den Scheingesprächen ein ausgedrucktes Statement verlesen und auch noch gleichzeitig ein Fax an die CDU schicken kann, mit dem Angebot zu Sondierungsgesprächen, hatte beides schon vorbereitet und uns in dem vermeintlichen Sondierungsgespräch belogen. Wer einen Wahlkampf führt mit der behaupteten Absicht, einen Politikwechsel am Rhein herbeizuführen, dann Scheingespräche unter dem Vorwand abbricht, DIE LINKE habe ein gestörtes Verhältnis zur nicht mehr existierenden DDR, der hat die Wähler belogen … Weder der Wille der Wählerinnen und Wähler noch die Zukunft des Landes stehen hier im Vordergrund, sondern eigene Machtinteressen.“ ( http://www.linksfraktion.de/publikationen/clara/902/926 ).
DIE LINKE hat dieses Vorgehen mehrfach kritisiert und ihre Bereitschaft erklärt, eine stabile rosarot-rot-grüne Landesregierung zu bilden. Diese Chance für das Land NRW wurde jedoch durch die SPD und die Grünen vertan. Mittlerweile regiert eine SPD-Grüne-Minderheitsregierung. Damit konnte zwar ein Wahlziel, schwarz-gelb abzulösen, erreicht werden, ob allerdings eine stabile Regierungspolitik mit angestrebten wechselnden Mehrheiten möglich ist bzw. in der Lage sein wird, die notwenigen und längst überfälligen politischen Veränderungen anzugehen, bleibt offen.
Eine Tolerierung ist zwar das schlechtere Modell, aber wenn wir dadurch erreichen können, dass es in den entscheidenden Politikfeldern zum Richtungswechsel kommt, zu einem wirklichen Politikwechsel, dann werden wir auch das unterstützen. „Das fängt bei den Modellversuchen für längeres gemeinsames Lernen an, wir wollen das gleich umsetzen. Wir wollen auch eine Politik der Re-Kommunalisierung und wir sind für Vergabegesetze, mit denen man Mindestlöhne durchdrücken kann und für eine Ausweitung des öffentlichen Beschäftigungssektors. Das sind nur einige Punkte. Und natürlich wollen wir im Bundesrat eine massive Ablehnungsfront gegen die Sparpläne der Bundesregierung. Wenn es gelingt, die Kräfte der Opposition im Bundesrat zu koordinieren, dann können wir zumindest zum Teil verhindern, dass die Sparlasten nur bei den unteren und mittleren Einkommensschichten abgeladen werden.“ s. ( http://www.sueddeutsche.de/politik/linkspartei-ulrich-maurer-im-gespraech-gabriel-hat-seine-not-zur-philosophie-erklaert-1.974363-2 )
Wenn die Minderheitsregierung eine Form findet, sich mit uns über Gesetze und den Haushalt zu verständigen, dann könnte diese durchaus länger als bis nach der Sommerpause überleben. Allerdings will ich nicht ausschließen, dass die SPD, die im Kern auf die Schwächung der LINKEN abzielt, um die an uns verloren gegangenen Stimmen zurückzuholen, auf die nächstbeste Gelegenheit wartet und einen Antrag einbringt, dem wir nicht zustimmen können, um uns daraufhin zu bezichtigen, wir würden den Politikwechsel im Lande blockieren. Darauf müssen wir vorbereitet sein und umso mehr durch inhaltliche Offensiven deutlich machen, dass rot-grün in NRW ohne die LINKE erneut Gefahr läuft, ihre Wählerschaft zu betrügen.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Maurer