Frage an Ulrich Maurer von Ursula B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Maurer,
wie stehen Sie und Ihre Partei zur Einführung eines Bürgergeldes, d. h. ein passives steuerfinanziertes Grundeinkommen für alle Bürger?
Mit freundlichen Grüssen
Ursula Baptiste
Sehr geehrte Frau Baptiste,
Ihre Frage ist nicht so einfach und kurz zu beantworten. Mittlerweile existiert eine Vielzahl von Modellen zum Bürgergeld bzw. steuerfinanziertem Grundeinkommen vom „liberalen Bürgergeld“ der FDP bis zum „Bedingungslosen Grundeinkommen“. Differenzen gibt es bei der Höhe des Betrages, aber auch in der Art und Weise der Gewährung und Finanzierung. Hierbei geht es u.a. um an die Zahlung geknüpfte Bedingungen, die Frage des Nachweises einer Bedürftigkeit, um eine grundsätzliche nachweisliche Arbeitsbereitschaft oder teilweise vorgesehene Sanktionen.
Das Modell eines sogenannten liberalen Bürgergeldes der FDP in Höhe von 662 Euro, d.h. einem Betrag, der unter dem per Verfassung garantierten soziokulturellen Existenzminimum liegt, wird von der LINKEN abgelehnt. Nicht nur, weil eine Zusammenlegung aller Sozialleistungen den Wegfall von Leistungen, die für Familien und Kinder wichtig sind, beinhaltet und generell die Kaufkraft von Betroffenen weiter einschränkt, sondern auch wegen der geplanten Sanktionen bei Ablehnung von Arbeit.
Beim Konzept des thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) unterschritte das Grundeinkommen mit 600,- € sogar noch das heutige Einkommensniveau alleinstehender Arbeitslosengeld-II-Bezieher_innen, die mit Regelsatz plus Miet- und Heizkostenzuschuss auf einen höheren Betrag kommen. Renntner_innen sollen plus 600 € Rente mit einer Obergrenze von 1200,- € abgespeist werden. Auch dieses Modell lehnt DIE LINKE ab. Eine Reihe weiterer Modelle folgen ebenfalls einer wirtschaftsliberalen und unsozialen Zielsetzung und sollen bestehende ungerechte Verteilungsverhältnisse zementieren und den Sozialausgleich auf die unteren Einkommensschichten zu beschränken versuchen.
Das Konzept eines „Bedingungslosen Grundeinkommen“ (BGE) wird von einer Minderheit der LINKEN befürwortet, ist jedoch nicht Position der Gesamtpartei. Im BGE soll jeder Mensch unabhängig von der Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme über ein staatlich garantiertes Einkommen von ca. 850 Euro verfügen. Dieses soll nicht als Ersatz für alle Sozialleistungen dienen, sondern als Ergänzung im Sinne eines Mindestniveaus, das nicht unterschritten werden darf.
Die Debatte über das BGE ist bei uns nicht abgeschlossen. Meine Position dazu ist klar: Die Forderung, dass auch die Millionärsgattin ohne Arbeitsmotivation Anspruch auf das BGE hat, ist mit dem Alltagsbewusstsein eines Facharbeiters nicht zu vermitteln –ganz abgesehen von der ungeklärten Frage ihrer Finanzierung. Außerdem fokussiert sie die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen auf einen reinen Verteilungskampf und blendet den Kampf in den Betrieben und Verwaltungen für mehr Entgelt und bessere Lebensbedingungen aus.
DIE LINKE setzt diesen Modellen das Konzept einer Grundsicherung für Bedürftige in Form einer sanktionsfreien, bedarfsdeckenden Mindestsicherung entgegen, die immer auch die Bedarfsprüfung einschließt, d.h. die Frage, ob z.B. die Gattin von Herrn Ackermann ein BGE benötigt. Der Bedarf soll ermittelt werden durch eine „Bedarfsbemessungskommission“. Die Höhe dieser Grundsicherung richtet sich an dem (von uns geforderten) Regelsatz für ALGII-Bezug von 500 Euro plus den (regionsabhängigen) Kosten für Unterkunft und bewegt sich bei ca. 850 Euro monatlich. Die Grundsicherung setzt allerdings zwingend einen gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde voraus, um eine Explosion von Hartz-IV-Aufstockern mit der Folge einer Absenkung des Lohngefüges auf Kosten des Staates zu vermeiden.
Die Fraktion DIE LINKE im Bundestag hat dazu Anfang des vergangenen Jahres einstimmig ein Positionspapier „Vorschläge für eine bedarfsdeckende soziale Mindestsicherung“ verabschiedet ( http://www.linksfraktion.de/positionspapier_der_fraktion.php?artikel=7790169921 ). Auf Basis dieses Papiers hat DIE LINKE im Bundestag Februar 2010 den Antrag „Weg mit Hartz IV – Für gute Arbeit und eine sanktionsfreie, bedarfsdeckende Mindestsicherung“ (BT-Drs. 17/659) ( http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/006/1700659.pdf ) und im Mai 2010 den davon inhaltlich nicht zu trennenden Antrag „Risiken der Altersarmut verringern – Rentenbeiträge für Langzeiterwerbslose erhöhen“ ( BT-Drs. 17/1735) ( http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/017/1701735.pdf ) eingebracht.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Maurer