Frage an Ulrich Maurer von Peter R. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Maurer,
mit großem Interesse habe ich Ihren Beitrag in der Zeitschrift "Clara" zur aktuellen Wirtschaftskrise und den drohenden Problemen in der Finanzbranche verfolgt. Ich teile Ihre Meinung zu diesem Thema. Die getroffenen Bad Bank-Lösungen bürden dem Steuerzahler nicht nur neue Milliardenlasten auf - noch wichtiger - sie bewahren uns nicht vor einer drastischen Kreditverknappung in der näheren Zukunft. Man könnte sagen, wenn wir die Großbanken und die Finanzindustrie weiter mästen und das die Staatsverschuldung in die Höhe treibt, wäre das immer noch besser als eine neue wirtschaftliche Depression. Doch es muss nicht die Wahl zwischen Pest und Cholera sein, wenn die Banken einfach verstaatlicht würden.
Meine Frage ist: was halten Sie von der Ansicht des renommierten, lange Jahre in Japan lebenden Wirtschaftswissenschaftlers Richard A. Werner, nach denen die Höhe der Kreditschöpfung (nicht nur die Zinsen) fast autonom von den Zentralbanken bestimmt wird (siehe Buch "Neue Wirtschaftspolitik"? Seiner Ansicht ist die deutsche Wirtschaftsschwäche zwischen 2001 und 2005 einzig und allein auf eine Kreditrestriktion der EZB für dieses Land zurückzuführen und sollte möglicherweise der Agenda 2010 und all den anderen Sozialreformen den Weg bereiten. Dasselbe gilt für die Erklärung des "verlorenen Jahrzehnts" in Japan. Warum hatten wir 2002 und 2003 (siehe http://www.cesifo-group.de/portal/page/portal/ifoContent/N/data/Indices/KredKl/Kredit2_Container/Kred2-ungerade/Kredit-abb1-200905.gif und http://blog.zeit.de/herdentrieb/wp-content/uploads/2007/11/kreditrichtlinien_07q3.gif ) eine totale Kreditklemme in Deutschland, die viel schärfer ist als die zur Zeit, zwei Jahre nach Ausbruch der Krise?
Sollte dieser unglaublich wichtige Befund nicht einmal öffentlich erörtert werden? Wenn die Zentralbanken mit den Großbanken Vereinbarungen über die Höhe der Kreditvergabe treffen, ist die Depression nicht mehr zu vermeiden.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Hallonen
Sehr geehrter Herr Rügener,
Ich habe das von Ihnen genannte Buch von Prof. Werner leider bislang aus Zeitgründen nicht lesen können, finde aber verschiedene Positionen, die ich aus anderen Quellen von ihm kenne, unterstützenswert.
Insgesamt schöpft DIE LINKE immer wieder aus den Quellen Post-Keynesianischer aber auch anderer heterodoxer ökonomischer Strömungen. Vor diesem Hintergrund deckt sich natürlich insbesondere Prof. Werners kritische Haltung gegenüber dem ökonomischen Mainstream (der im weitesten Sinne neoklassischen Theorie) mit der Position der LINKEN. Dass die Stagnation ab 2001 "einzig und allein" auf die falsche Geldpolitik der EZB zurückzuführen ist, halte ich jedoch für übertrieben. Allerdings hatte die sehr restriktive Geldpolitik sicherlich einen gehörigen Anteil daran, dass sich die Wirtschaft in Europa - und insbesondere in Deutschland - im Vergleich zu den USA weit langsamer erholt hat. Insbesondere in Deutschland ist der Abschwung - neben der massiven Kapitalentwertung in Folge der geplatzten New-Economy-Blase - verursacht durch eine extrem unterduchschnittliche Einkommensentwicklung der Beschäftigten (s. etwa unten stehender Link).
DIE LINKE kritisiert mit Blick auf die Politik der EZB seit langem die einseitige Orientierung der EZB auf die Preisstabilität. Wir fordern eine Geldpolitik, die verstärkt das Ziel wirtschaftlicher Belebung und der Schaffung von Arbeitsplätzen verfolgt. Aus diesem Grund plädieren wir auch für eine demokratische Kontrolle der Zentralbank.
S. http://www.boeckler.de/32015_92684.html
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Maurer, MdB