Kämpfen Sie für die Unabhängigkeit Kataloniens?
Ich habe Ihre Einlassungen zum Theme Separation auf diesem Forum mit Frau Kim gelesen. Sie haben auf die Frage, ob demokratisch zustande gekommene Unabhängigkeitsreferenden illegitim sind, geschrieben "NEIN" - was wohl eher eine Trotzreaktion war.
In Katalonien hat es ein solches Referendum gegeben, gegen das die Regierung in Madrid mit Brutalität und der Auflösung der Regierung und zahlreichen Anklagen gegen demokratisch gewählte Volksvertreterinnen und Volksvertreter vorgegangen ist.
Würden Sie also die Unabhängigkeitsbestrebungen des katalonischen Volkes genauso unterstützen wie die Taiwans? Wenn nein, wieso nicht?
Treten Sie für die Freilassung der politischen Gefangenen ein, die den Willen des Volkes umsetzen wollten und dafür durch die Regierung in Madrid inhaftiert wurden? Halten Sie ein solches Verfahren in einem Rechtstaat für legitim?
Guten Tag, Camino L. C.!
Vielen Dank für Ihre Frage. Sie beziehen sich in Ihrer Frage auf eine Antwort von mir auf eine Frage von Kim Un Yang, die recht kurz ausgefallen ist. Das ist aber nur der Fall, weil es eine Klärung zu einer vorangegangen Antwort ist:
Darin hatte ich auch schon die Antwort auf Ihre Frage gegeben:
In Katalonien geht es um die Unabhängigkeit von einem demokratischen Rechtsstaat mit geschützten Rechten für Minderheiten. In solchen Staaten kann man auch lokale Autonomie verhandeln und sich anschließend darauf verlassen, dass die Vereinbarungen auch eingehalten werden. Daher sehe ich keine Veranlassung, mich für eine Separation Kataloniens einzusetzen.
Im demokratischen Taiwan geht es hingegen um die Unabhängigkeit von der Volksrepublik China, einer Diktatur, in der die Rechte der Bürger missachtet werden. Das sieht man ganz besonders stark an den systematischen Menschenrechtsverletzungen in der chinesischen Provinz Xinjiang mit der Internierung und Zwangssterilisierung von Angehörigen ethnischer Minderheiten. Aber auch im eigentlich autonomen Hong Kong werden vertraglich vereinbarten Freiheitsrechte ignoriert und die Bevölkerung unterdrückt. Unter diesen Umständen ist es nachvollziehbar, dass Hong Kong kein Vorbild für Taiwan sein kann und eine Vereinigung mit der Volksrepublik China von den meisten Taiwanern derzeit abgelehnt wird. Unser langfristiges Ziel muss es sein, dass sich die Volksrepublik China und Taiwan im friedlichen Dialog darauf verständigen, den Bürgerinnen und Bürgern Taiwans die freie Entscheidung über ihre politische Zukunft zu ermöglichen.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Lechte