Sollten die Diäten von Abgeordneten nach dem letzten Gehalt bestimmt werden?
Sehr geehrter Herr Lechte
in der BILD (https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/mehrheit-der-deutschen-sagt-bezahlt-politiker-so-wie-in-ihrem-frueheren-job-81990188.bild.html) war ein Vorschlag enthalten, der sich an die Bestimmungen für Betriebs- und Personalräten orientiert. Diese erhalten ein Gehalt, welches sich an ihrem letzten Gehalt orientiert. Warum ist dies kein Modell auch für den Bundestag, ggf. mit einem nach oben hin bestehenden Deckel? Die Unabhängigkeit der Abgeordneten orientiert sich schließlich nicht am Gehalt, sondern an der Haltung und dadurch würde vermieden, dass jemand nur wegen der Diäten in den Bundestag gewählt würde.
Zudem würden somit die Parteisteuern auch nicht mehr bestehen.
Sehr geehrte Frau B.,
grundsätzlich teile ich das Anliegen der Idee, den Politikerberuf für Topverdiener und High-Performer attraktiver zu machen, die Arbeit politischer Mandatsträger muss jedoch weiterhin ausnahmslos ansprechend entschädigt werden und Mindeststandards erfüllen, damit sich weiterhin genug qualifizierte Personen aus allen Schichten der Bevölkerung finden, sich politisch zu engagieren. Die Orientierung am letzten Gehalt würde zu einer frappierenden Ungleichbehandlung der Bundestagsabgeordneten und mittelbar wahrscheinlich auch der verschiedenen Parteien führen. Sie ersehen dies etwa am Gehaltsvergleich von Friedrich Merz und Ricarda Lang. Gleiche Arbeit im Dienste des Staatswesens und der Bürgerinnen und Bürger würde unterschiedlich entschädigt, das wäre höchst ungerecht. Abgeordnete, die vor ihrem Mandatsantritt noch in Hochschulausbildung oder arbeitslos waren, würden nach ihrem Modell überhaupt keine Diäten erhalten. Und Selbständige, die Verlust gemacht haben, müssten dem Staat Diäten überweisen? Am anderen Ende würde die Orientierung am letzten Gehalt zu einer Kostenexplosion führen und die Abgeordnetentätigkeit in der Tat möglicherweise wegen der fantastischen Verdienstmöglichkeiten angestrebt. Die Betriebsräte erhalten ihr Gehalt vom Arbeitgeber gezahlt, bei dem sie weiter in Anstellung bleiben, insofern funktioniert die Analogie nicht. Sie funktioniert insbesondere auch nicht bei Selbständigen, die in den Bundestag wechseln. Die Orientierung am letzten Gehalt berücksichtigt auch nicht mögliche Gehaltssteigerungen, die der Abgeordnete in seinem eigentlichen Beruf erfahren würde, und klammert auch mögliche Karrieresprünge aus. Dieser Aspekt kann bei sehr langen Mandatszeiten von erheblichem Gewicht sein.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Lechte