Frage an Ulrich Lechte von Anton S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Lechte,
wie positionieren Sie sich zu dem derzeitigen Krieg um die Republik Arzach? Zwar völkerrechtlich noch nicht anerkannt, handelt es sich dabei um eine Demokratie, welche somit, zusammen mit den Menschenleben, aus deutscher (und somit demokratischer) Sicht schützenswert sein sollte.
Wie bewerten Sie dabei die Rolle der Türkei, welche derzeit nicht nur diesen Krieg aktiv (mit)gestaltet?
Mit freundlichen Grüßen
Anton Seidl
Sehr geehrter Herr S.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Auch ich beobachte die Situation in und um Bergkarabach mit allergrößter Sorge. Die Lage in der Konfliktregion ist extrem angespannt, die seit nunmehr Ende September andauernden schweren Gefechte währen trotz vereinbarter Waffenruhen weiter fort und sind die schwerste Auseinandersetzungen seit dem Waffenstillstandsabkommen von 1994 mit inzwischen mehreren Tausend zu beklagenden Toten, sowohl bei den kämpfenden Soldaten als auch bei der Zivilbevölkerung auf beiden Seiten. Die internationalen Appelle und Vermittlungsversuche verlaufen im Sande und alle Kriegsparteien sind nicht dazu bereit, aufeinander zuzugehen. Währenddessen steigen die Opferzahlen täglich, mehr und mehr Menschen sind dazu gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, mittlerweile geschätzte Zigtausende. Das unerträgliche Leid der Menschen wächst und humanitäre Hilfe ist dringend nötig.
Dieser seit Jahrzehnten vorherrschende Konflikt kann nur politisch gelöst werden. Wir als Freie Demokraten plädieren für eine friedliche Lösung des Konfliktes. Voraussetzung für eben diese ist aus unserer Sicht aber Dialog- und Kompromissbereitschaft aller Parteien, der direkten Kontrahenten als auch der regionalen Partner von Armenien und Aserbaidschan Türkei und Russland. Mit der Minsk-Gruppe der OSZE wurde ein Dialogformat geschaffen, dem alle Beteiligten zugestimmt haben. Wir sind fest der Meinung, dass dieses Format und die OSZE als solches eine wesentlich aktivere Rolle bei der Beilegung des Konflikts spielen sollten und appellieren an alle Parteien eine OSZE-Beobachtermission für die Region zu ermöglichen.
Die Bundesregierung sollte umgehend ihr diplomatisches Engagement, insbesondere im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft und in enger Abstimmung mit der Minsk-Gruppe, intensivieren und sich in diesem Konflikt viel stärker als Vermittler positionieren. Auch die Rolle außenstehender Akteure muss kontinuierlich und kritisch evaluiert werden, das Entstehen eines Stellvertreterkrieges gilt es unbedingt zu verhindern. Dabei ist besonders die aggressive und undiplomatische Einmischung des NATO-Partners Türkei streng zu verurteilen. Hier ist eine klare und abgestimmte Positionierung der EU-Mitgliedstaaten erforderlich.
Wir appellieren seit Beginn der Gefechte an alle Konfliktparteien, zurück an den Verhandlungstisch zu kommen und setzen uns für eine friedliche Lösung ein. Dies werden wir auch gegenüber der deutschen Bundesregierung weiterhin mit Nachdruck tun.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Lechte