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Ulrich Lechte
FDP
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Frage von Peggy R. •

Frage an Ulrich Lechte von Peggy R. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Lechte

Prostitution zählt zu den ältesten Gewerben der Welt. Vor rund zwei Jahren hatte der Bundestag eine gesetzliche Neuregelung erlassen. Dieses wird vielfach kritisiert, weil es die Arbeiter in diesem Bereich weiterhin diskriminiert und den "Bockschein" in veränderter Form wieder eingeführt hat.
Dabei wird immer nur über Frauen in diesem Gewerbe gesprochen. Richtig ist, dass es weniger Häuser für Prostitution für Männer als für Frauen gibt. Plattformen wie www.hunqz.com bieten jedoch einen schnellen Zugang. Es zeigt sich dort, dass vorallem junge Menschen aus Asien, Osteuropa und Lateinamerika diese Tätigkeit ausüben, meist aus der Not heraus.

Wie wollen Sie diese Menschen schützen? Welche Vorstellungen haben Sie, um diesen Bereich gesetzlich zu regeln oder schwebt Ihnen ein Verbot wie in anderen Ländern vor?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Rothenhofer,

vielen Dank für Ihre 12. Frage in Folge.

Mit dem Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes (ProstG) am 1. Januar 2002 war die Ausübung von und Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen nicht länger sittenwidrig und Vereinbarungen zwischen Prostituierten und ihren Kunden wurden zivilrechtlich wirksam. Mit ihm sollte die rechtliche Situation von Prostituierten verbessert werden, insbesondere sollte die Möglichkeit zur Sozialversicherung geschaffen werden. Die Legalisierung des Prostitutionsgewerbes soll es den Ordnungs- und Polizeibehörden erleichtern, den nunmehr legalen Markt zu beobachten, besorgniserregende Entwicklungen wie Zwangsprostitution schneller zu erfassen und darauf zu reagieren. Ergänzt wurde das ProstG 2016 mit dem Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG), das einen verbesserten Schutz der Prostituierten erzielte und eine Kondom- und Anmeldepflicht für alle Prostituierte einführte. Allerdings verfehlt diese Gesetzgebung ihr Ziel: Die Ordnungsgesetze werden nicht umgesetzt und führten bislang zu keiner verbesserten Lebenssituation der Prostituierten.

Wir, die Freien Demokraten im Deutschen Bundestag unterstützen nach wie vor die Entkriminalisierung von freiwilliger Prostitution. Allerdings muss diese mit effektiven Maßnahmen verbunden werden, die gefährdete Menschen beschützen, sei es Opfer von Menschenhandel oder Menschen, die sich aus Zwang prostituieren. Die mangelnde Umsetzung der aktuellen Gesetzgebung zeigt, dass größere Anstrengungen dringend nötig sind, um die Prävention, Ermittlung und Sanktion strafbarer Sachverhalte zu verstärken, den Menschenhandel effektiv zu bekämpfen und die Rechte und den Schutz von Prostituierten zu gewährleisten.

Trotz der Vielzahl an gesetzlichen Pflichten, die zu einer verbesserten Lebenssituation von Prostituierten beitragen sollten, profitieren Prostituierte – insbesondere diejenigen, die einen besonderen Schutz brauchen – nicht von dem ProstSchG. Prostituierte sind durch das Gesetz z.B. verpflichtet, ihr Gewerbe anzumelden, wobei ein Nachweis über eine zu absolvierende gesundheitliche Beratung, die auch über Rechte und Pflichten gemäß ProstG und ProstSchG aufklärt, benötigt wird. Die Anmeldepflicht soll den gesundheitlichen Schutz und das Wissen um die Rechte und Pflichten von Prostituierten verbessern und Zwangsprostitution und Menschenhandel entgegenwirken. Nichts von alledem wird erreicht.

Schätzungen des BMFSFJ und des Statistischen Bundesamts gehen davon aus, dass ungefähr 200.000 Prostituierte unangemeldet in Deutschland tätig sind; 6.959 waren bis Dezember 2017 angemeldet. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt deutschlandweit bei zu vernachlässigenden 76 Personen (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage "Evaluierung des Prostitutionsgesetzes, des Prostitutionsschutzgesetzes und des effektiven Schutzes Prostituierter" der FDP-Fraktion, BT-Drs. 19/7810).

Die Gründe für die Ineffektivität der Anmeldepflicht sind vielseitig: Zum einen liegt dies an der Nachlässigkeit einiger Länder bei der Implementierung. Die Stadt Berlin beispielsweise war bei Inkrafttreten des ProstSchG nicht in der Lage, Anmeldungen überhaupt zu verarbeiten. Zum anderen gibt es diverse Hürden für die Schutzbedürftigen, die in einem Milieu von Gewalt und Zwangsprostitution leben, sich anzumelden. Sie verfügen beispielsweise in der Regel über wenig Vertrauen in den Rechtsstaat, währenddessen Zuhälter regelmäßig die Anmeldung verhindern. Dadurch hat die Pflicht zur Anmeldung gerade für diejenigen, die von den Vorteilen einer Anmeldung profitieren könnten, keine positive Auswirkung auf ihre Lebenssituation erzielen können.

Ebenso unwirksam ist die gesetzliche Kondompflicht, die sexuell übertragbaren Erkrankungen und ungewollten Schwangerschaften vorbeugen soll, da gerade abhängige oder gefährdete Prostituierte die Einhaltung dieser Kondompflicht nicht durchsetzen können. Die Gründe liegen auf der Hand: Das Verbot erhöhte den Preis für eine sexuelle Dienstleistung ohne Kondom. Gerade abhängige Prostituierte werden deshalb regelmäßig unter Androhung massiver Gewalt dazu gezwungen, sexuelle Dienstleistungen ohne Kondom zu erbringen. Dass seit Inkrafttreten der Regelung in einer Stadt wie Stuttgart in den Jahren 2018 vier Verstöße und in 2019 bislang zwei Verstöße erfasst wurden, spricht Bände über die Effektivität der Norm. Hinweise auf die Kondompflicht im Rahmen der Anmeldung sowie die Pflicht für Betreiber eines Prostitutionsgewerbes, Hinweise auf die Rechtslage auszuhängen, gehen völlig an der Realität vorbei. Diejenigen, die Prostitutionsdienstleistungen tatsächlich selbstbestimmt erbringen, sind auf Vorschriften, die auf den gesundheitlichen Schutz von Prostituierten zielen, in aller Regel nicht angewiesen.

Wir Freien Demokraten erkennen die Notwendigkeit, größere Anstrengungen zu unternehmen, um die Ziele des ProstG und ProstSchG sinnvoll zu erfüllen, den Schutz und die Gesundheit von Prostituierten zu verstärken und Ausbeutung, Zwangsprostitution und Menschenhandel zu verringern. Auf der einen Seite muss die geltende Rechtslage effektiver umgesetzt werden. Um auf nationaler Ebene strafbare Sachverhalte konsequenter zu verfolgen, müssen die Bundesländer bei der Ermittlung in Rotlichtmilieus stärker in die Pflicht genommen werden. Schwierige Ermittlungsbedingungen dürfen ebenso wenig wie die Legalisierung keine gefällige Ausrede dafür sein, gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution nicht effektiv vorzugehen. Gerade als Staat mit liberaler Prostitutionsgesetzgebung trifft Deutschland hier eine besondere Pflicht zum Schutz der Betroffenen vor Missbrauch und Ausbeutung.

Für uns ist darüber hinaus klar, dass Deutschland eine Verantwortung trifft, negative Folgen deutscher Gesetze auch in anderen Staaten zu verhüten. Eine Folge der Legalisierung der Prostitution in Deutschland ist nach Einschätzung relevanter Nichtregierungsorganisationen auch, dass der Anreiz größer wurde, Menschen aus dem Ausland nach Deutschland zu führen, um sie hier sexuell auszubeuten. Internationale Akteure wie der Global Slavery Index oder das U.S. Department of State sehen für die Bundesrepublik Deutschland einen erheblichen Nachholbedarf bei der Bekämpfung von Menschenhandel. Bemängelt werden dabei vor allem die niedrigen Verurteilungszahlungen, das Fehlen von Opferschutzprogrammen - insbesondere für Kinder und Männer - sowie das Fehlen einer proaktiven Strategie zur Bekämpfung des Menschenhandels und zur Abschöpfung der entsprechenden Gewinne. Der Umstand, dass Ermittlungen wegen Menschenhandels im Zuständigkeitsbereich der Landespolizeibehörden, aber auch in dem von Bundespolizei und Zoll liegen, erschwert den Ermittlern zusätzlich die Arbeit (vgl. auch Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage "Bekämpfung von Menschenhandel und Ausbeutung" der FDP, BT-Drucks. 19/10903). Wir Freien Demokraten sind überzeugt, dass die europäischen Anstrengungen zur Bekämpfung organisierter Kriminalität rund um das Rotlichtmilieu erhöht werden müssen. Auch unsere europäische Verantwortung gegenüber EU- und Nicht-EU-Staaten bedingt, dass sich Deutschlands Beitrag im internationalen Kampf gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution erhöhen muss.

Will man die Verhältnisse im Rotlichtmilieu wirklich verbessern, muss man direkt mit den Betroffenen arbeiten. Nur ein direkter Austausch ist dazu geeignet, den Betroffenen die Informationen zukommen zu lassen, die nachhaltig den Gesundheitsschutz verbessern und auch das Wissen um Rechte und Schutzmöglichkeiten zu erhöhen. Zur Realität gehört, dass nicht die Ordnungsämter und Polizeibehörden den direkten Kontakt haben zu Betroffenen, sondern Streetworker, NGOs und andere, die sich im Ehrenamt aufopferungsvoll um Betroffene kümmern. EU-finanzierte Erhebungen zur Verteilung der Rotlicht-Etablissements in mehreren Städten Deutschlands haben deutlich gezeigt, dass der Bedarf an dieser Form der Arbeit mit Schutzbedürftigen das Angebot vielfach übersteigt. Gerade Streetworker, NGOs und Ehrenamtliche sind in der Lage, dort Lösungen anzubieten und dort zu unterstützen, wo sich staatlicher Zwang und staatliche Kontrolle nicht als effektiv erwiesen haben. Wir Freie Demokraten im Deutschen Bundestag fordern deshalb, dass Mittel verstärkt dort eingesetzt werden, wo sie den meisten Nutzen entfalten können: bei den Organisationen, die für Betroffene vor Ort wirken. Wir sind davon überzeugt, dass die Stärkung zivilgesellschaftlichen Engagements der Schlüssel dazu ist, den Gesundheitsschutz und insbesondere auch das Wissen über rechtliche Schutzmöglichkeiten zu verbessern. Die Unterstützung der Wehrhaftigkeit der Betroffenen wird auch die Ermittlungsbedingungen für Strafverfolgungsbehörden erleichtern.

Mit freundlichen Grüßen

Ulrich Lechte

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