Frage an Ulrich Lechte von Wolfgang B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Lechte,
die Colonia Dignidad war eine wesentliche Stütze des Regimes von Augusto Pinochet. Die deutschen Behörden, u.a. die Deutsche Botschaft in Santiago de Chile und das Auswärtige Amt, haben hier nicht nur aktiv weggeschaut, sondern ganz bewusst auch Unterstützung geleistet – obwohl es sich hier zwar um Nachkommen deutscher Auswanderer, jedoch nicht um deutsche Staatsangehörige handelt. (Überblick: https://de.wikipedia.org/wiki/Colonia_Dignidad)
Bis heute Kämpfen die Verfolgten der Colonia Dignidad um eine Entschädigung für die Verbrechen, die hier erfolgt sind. Einige der führenden Kräfte leben dagegen unbehelligt zwischenzeitlich in Deutschland und haben auch anstandslos die deutsche Staatsangehörigkeit zurückerhalten.
Auch die deutschen politischen Stiftungen haben hier anstatt die sich aus Chile zurückzuziehen aktiv das Regime unterstützt?
Ich frage daher:
1. Sind Sie bereit sich dafür einzusetzen, dass die Verfolgten der Colonia Dignidad aus dem deutschen Staatshaushalt eine Entschädigung für die Verbrechen erhalten? Wird sich Deutschland der Verantwortung stellen?
2. Welche Verantwortung sehen Sie bei den deutschen politischen Stiftungen?
3. Werden Sie sich für eine aktive Aufarbeitung der deutschen Beteiligung an den Unrechtstaten einsetzen, die mit Unterstützung deutscher Stellen verübt worden sind?
4. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Führungsebene der Colonia Dignidad, die in Deutschland lebt, zur Verantwortung gezogen wird?
Freundlichst, W. B.
Sehr geehrter Herr B.,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich teile Ihre Ansicht, dass die „Colonia Dignidad“ eine grausame und verbrecherische Organisation war und verurteile ihre Taten und ihre Kooperation mit dem Militärregime Chiles aufs schärfste. Ebenso empfinde ich es als skandalös, dass Deutschland sich so lange der Aufarbeitung der Verbrechen und seiner Verantwortung für die Opfer entzogen hat. Zwar sind durch die Geschehnisse in der „Colonia Dignidad“ keine rechtlichen Ansprüche an die Bundesrepublik Deutschland entstanden, dennoch stehen wir in der moralischen Pflicht, die erlittenen körperlichen und seelischen Verletzungen der Opfer der „Colonia Dignidad“ anzuerkennen und ihnen eine würdevolle Entschädigung zu ermöglichen.
Daher wurde im Mai diesen Jahres ein Hilfsfonds für die Opfer der „Colonia Dignidad“ eingerichtet, der bis zu 10.000 Euro pro Person zur Verfügung stellt. Zusätzlich können bedürftige Betroffene, die keinen Zugang zum deutschen Sozialsystem haben, finanziell im Bereich der Pflege unterstützt werden. Letzteres betrifft vor allem diejenigen Betroffenen, die heute noch auf dem Gelände der ehemaligen Kolonie oder anderswo in Chile leben.
Ich finde es richtig und wichtig, dass die Bundesrepublik Deutschland endlich einen finanziellen Beitrag als Zeichen des Respekts und der Anerkennung für die Opfer der „Colonia Dignidad“ leistet, wenngleich dieser Hilfsfonds das Leid niemals wieder gut machen kann. Entscheidend bei der Umsetzung des Hilfskonzepts ist, dass die Leistungen ohne großen bürokratischen Aufwand ausgezahlt werden. Dies werden wir Bundestagsabgeordnete der Freien Demokraten genau beobachten und gegebenenfalls Nachbesserungen fordern.
Ich verurteile ebenso, dass die Hanns-Seidel Stiftung jahrelang mit der „Colonia Dignidad“ kooperierte und die Augen angesichts der Verbrechen verschlossen hat. Außerdem bekümmert es mich, dass noch nicht alle Täter zur Rechenschaft gezogen werden konnten und viele Geschehnisse in der „Colonia Dignidad“ aufgrund von Mangel an Beweisen in der Dunkelheit verborgen bleiben. Ich habe jedoch vollstes Vertrauen, dass unsere Justiz im Rahmen des rechtlich möglichen für Gerechtigkeit sorgen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Lechte