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Frage von Thomas O. •

Frage an Ulli Nissen von Thomas O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Liebe Frau Nissen,

wir hatten in den letzten Jahren Kontakt v.a. in Sachen "Wingertstr. 21" und ich danke Ihnen sehr für Ihren engagierten Einsatz zugunsten der Betroffenen und überhaupt zum Thema Wohnungsnot.

Ich habe jetzt eine Frage in einer anderen Sache: Mich beunruhigt sehr, dass zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Attac und Campact, die für Demokratie und Bürgerrechte, für Steuergerechtigkeit und gegen Korruption kämpfen, die Gemeinnützigkeit aberkannt wird, während alle möglichen wirtschaftlichen Lobbyverbände, Sport- und Automobilclubs oder auch beliebige Hobbyvereine von großzügigen Steuervergünstigungen profitieren können. Die bekanntgewordenen Pläne des Bundesfinanzministers laufen auf eine Verfestigung und evtl. sogar Verschlimmerung dieses Zustands hinaus. Auch andere Pläne des Ministeriums erwecken Misstrauen, etwa wenn der deutsche Vorschlag für eine EU-Finanztransaktionssteuer die wichtigsten Spekulationsvarianten (z.B. Derivate) außen vor lässt und am Ende womöglich nur noch Aktienkäufe von Kleinanlegern betrifft. Zugleich ist Minister Scholz auf EU-Ebene offenbar einer derjenigen, die sich am hartnäckigsten gegen effektive Instrumente zur Bekämpfung der internationalen Steuerflucht und Geldwäsche wehrt.

Daher meine zwei Fragen:
1. Wird sich die SPD für eine Änderung der Gemeinnützigkeitsvorschriften einsetzen, die das Engagement eines Vereins für Demokratie und Menschenrechte, für Steuergerechtigkeit und gegen Korruption, als schützenswerte Zwecke in der Abgabenordnung verankert?
2. Wird sich die SPD für eine Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene einsetzen, die alle wichtigen Spekulationsinstrumente erfasst?

Dank im Voraus
und viele Grüße

Thomas Ormond

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr O.,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 27. Januar. Ich freue mich sehr, dass Sie meinen Einsatz um die Wingertstraße 21 so gut in Erinnerung behalten haben.

Ich beantworte gerne Ihre Fragen:

1. Die An- und Aberkennung der Gemeinnützigkeit fällt in den Zuständigkeitsbereich der Finanzämter (Bundesfinanzhof). Fakt ist aber leider, dass die Finanzämter bei der Ab- und Anerkennung von gemeinnützlichen Organisationen öfter - aus meiner Sicht - tendenziös handeln. Politisch aktive linke Organisationen werden mit der Aberkennung der Gemeinnützlichkeit bedroht, während andere, eher zum rechten politischen Spektrum zählende Organisationen, wie z.B. Journalistenwatch nicht. Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit darf aber nicht von Geschmacksfragen oder Weltanschauungen abhängen.

Das Urteil des Bundesfinanzhofs im Fall von attac hat nahegelegt, dass der Status anderer gemeinnütziger Organisationen, die auch keine anderen Förderzwecke erfolgen, außer politischer Bildungsarbeit, unsicher ist. Das gefährdet die Zivilgesellschaft und die freie politische Meinungsäußerung.

Wir in der SPD-Bundestagsfraktion sind der Auffassung, dass gemeinnützliche Organisationen politisch aktiv sein dürfen. Wir müssen eine einheitliche politische Richtlinie finden, die die Kriterien der Gemeinnützigkeit eindeutig definiert. Dafür wollen wir die Abgabeordnung neu regeln. Im Bundesministerium für Finanzen wird gerade ein Gesetzentwurf vorbereitet, der die Kriterien der Gemeinnützigkeit eindeutig regelt. Ein solches Gesetz ist dringend nötig für eine moderne Gesellschaft, in der zivilgesellschaftlichen Organisationen eine politische Rolle einnehmen.

2. Die SPD strebt eine möglichst weitgefasste Regelung der Finanztransaktionssteuer an.

Finanzprodukte werden heute weltweit gehandelt, die verschiedenen regionalen Finanzmärkte sind eng miteinander verflochten. Ein Nebeneinander verschiedener nationaler Regelungen begünstigt die Entstehung von Steuerschlupflöchern sowie ungewollte Ausweichreaktionen und behindert die grenzüberschreitende Integration der Kapitalmärkte („Kapitalmarktunion“).

Außerdem führt dies für die Unternehmen zu mehr Bürokratie, da sie sich mit vielen verschiedenen Regelungen auseinandersetzen müssen. Die Einführung eines weltweit geltenden Standards wäre daher die beste Lösung. So wurde die Idee einer globalen FTT auch bereits im Jahr 2011 vor dem Hintergrund der globalen Finanzkrise im G 20-Kreis diskutiert. Allerdings zeichnete sich seinerzeit schnell ab, dass sich dieser Idee nicht alle Staaten anschließen wollten.

Daher streben wir eine Lösung auf europäischer Ebene, als zweitbeste Alternative an. Da sich auch innerhalb der EU bisher nicht alle Mitgliedstaaten auf ein gemeinsames Konzept einigen konnten, haben sich diejenigen Staaten, die eine FTT befürworteten, im Wege der Verstärkten Zusammenarbeit zusammengeschlossen. An dieser nehmen derzeit zehn EU-Staaten teil (Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien).

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen konnte.

Mit herzlichen Grüßen

Ihre

Ulli Nissen, MdB