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Ulli Nissen
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Frage von Jürgen S. •

Frage an Ulli Nissen von Jürgen S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Frau Nissen,

nachdem Herr Gabriel noch im Sommer 2015 verkündet hatte, dass es TTIP, CETA u.a. ohne parlamentarische Zustimmung nicht geben wird, erklärt der Parteivorsitzender nunmehr seine Absicht, die Abkommen ohne Abstimmung anzuwenden und hält das obendrein für völlig demokratisch.

Ich halte dieses Verhalten für völlig inakzeptabel.

Sowohl die Abkommen selbst, sofern ihr Inhalt öffentlich bekannt wurde, als auch die Art und Weise, wie sie nunmehr mit allen Mitteln und gegen den massiven Widerstand großer Teile der Bevölkerung durchgesetzt werden sollen, stellen die Fundamente unserer Demokratie auf den Kopf. Diese Abkommen sind grundsätzlich nicht zustimmungsfähig, sie greifen massiv in die Regelungshoheit des Parlaments ein und stehen damit im Widerstand zum GG.

Frau Nissen, wie ist IHRE Meinung zu diesem Vorgehen? Bitte erklären Sie uns, den Bürgern und Wählern Ihrer Partei, diesen Meinungswechsel!

Nicht die Frage "Schiedsgerichte-ja-oder-nein" ist hier entscheidend. Allein die Absicht, mit einem Investorenschutz ein Recht auf eine (erwartete) Kapitalrendite einklag- und durchsetzbar zu installieren, welches künftig über sozialen, ökologischen und Menschenrechten steht, ist eine - mild gesprochen - Dreistigkeit.

Nur ein verschwindend kleiner Anteil der Menschen - in Deutschland, Europa und weltweit - verfügt überhaupt über Kapital zum Investieren, und ihr Anteil wird laufend geringer. Und die Rendite-Ansprüche dieser verschwindenden Minderheit sollen rechtlich festgeschrieben und zulasten fundamentaler Menschenrechte durchsetzbar gestaltet werden.

Ich fordere Sie auf, sich gegen die Entmachtung des Parlamentes, gegen die Stärkung der Rechte weniger Großinvestoren zulasten sozialer und ökologischer Rechte der Mehrheit der Menschheit und für den Erhalt der Demokratie einzusetzen. Verhindern Sie mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln diese geplanten Abkommen.

Freundliche Grüße

JS

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Seibt,

vielen Dank für Ihre Zuschrift vom 11. April 2016.

Für die Freihandelsabkommen ist das Europäische Parlament zuständig. Wenn Sie Fragen zum Ratifizierungsverfahren haben, können Sie sich bei dem zuständigen Berichterstatter im Europäischen Parlament informieren unter:

http://www.bernd-lange.de/imperia/md/content/bezirkhannover/berndlange/2016/ratifizierung_von_handelsabkommen_-_bernd_lange.pdf/ratifizierung_von_handelsabkommen_-_bernd_lange.pdf

Der Parteikonvent der SPD hat am 20. September 2014 die Erwartungen an die transatlantischen Freihandelsgespräche formuliert (Beschluss http://www.spd.de/linkableblob/123760/data/20140920_parteikonvent_beschluss_ttip.pdf ). Mit dem Beschluss werden die Bedingungen für das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) und für das Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) festgelegt. Die SPD will eine intensive und öffentliche Diskussion über die TTIP-Verhandlungen und über CETA. Wirtschaft und Handel müssen sich demokratischen Spielregeln unterwerfen. Auf dem Bundesparteitag der SPD vom 10. bis 12. Dezember 2015 hat die SPD erneut einen Beschluss https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Bundesparteitag_2015/B27_IA_8_Globalisierung_gestalten_-_fairen_Handel_ermo__glichen____demokratische_Grundsa__tze_gewa__hrleisten_n.pdf gefasst, der den Beschluss vom September 2014 noch einmal verstärkt. Mit dem neuen Beschluss wird auch TISA aufgenommen.

Strittig ist, ob auch die nationalen Parlamente den Freihandelsabkommen zustimmen müssen. Bei uns wäre das der Deutsche Bundestag.

Sigmar Gabriel hat zuletzt in seinem Offenen Brief erklärt, dass bei den Freihandelsabkommen das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente das letzte Wort haben sollten:

http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/M-O/offener-brief-sigmar-gabriel-ttip,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf

Die Parlamentarische Linke der SPD-Bundestagsfraktion, der ich auch angehöre, setzt sich massiv dafür ein, dass CETA auch in den nationalen Parlamenten abgestimmt werden muss. Eine getrennte Inkraftsetzung bestimmter Teile des umfangreichen und in seiner Wirkungsdimension beispiellosen Vertrags weist nach unserer Auffassung zahlreiche rechtliche Probleme auf. Wir halten es für fatal, ein so weitreichendes und hoch umstrittenes Abkommen ohne die notwendige Akzeptanz in Kraft zu setzen. Ob wir uns allerdings mit dieser Auffassung durchsetzen werden, bleibt abzuwarten.

Ich hoffe, dass diese Antwort für Sie hilfreich war.

Mit herzlichen Grüßen

Ulli Nissen, MdB