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Frage von Stefan S. •

Frage an Ulli Nissen von Stefan S.

Sehr geehrte Frau Nissen,

vielen Dank für Ihre Nachricht

Ich stimme Ihnen zu, dass der IS bekämpft werden muss. Allerdings sehe ich die Unterbindung der Finanzierung als die wichtigere, schneller umsetzbare und weniger komplexe Option. Sie erwähnen sie als "ebenso" Maßnahme.

Ich verstehe nicht, dass zunächst die militärische Option wird, obwohl die Auswirkungen nicht abzusehen sind. Zu den nicht überschaubaren Auswirkungen gehört für mich bereits die Ausbildung und Ausrüstung der kurdischen Regionalregierung: Werden diese Waffen wieder eingesammelt, wenn der IS dann besiegt wurde? Wenn nicht, bleiben sie in einer politisch brisanten Region, zusammen mit ausgebildeten Kämpfern. In diesem Zusammenhang fallen mir sofort die Mudschaheddin in Afghanistan ein, die später auch in anderen Konflikten gekämpft haben

Mich stört, dass Sie die Toten und die Flüchtlinge des Bürgerkriegs in Syrien als erste Argumentation in Ihrer Begründung des Militäreinsatzes verwenden. Der Einsatz der Bundeswehr hat mit dem Bürgerkrieg in Syrien nichts zu tun. Er darf mit diesem Bürgerkrieg nichts zu tun haben, ansonsten würde sich die Bundeswehr in die Angelegenheiten eines souveränen Staates einmischen.

Ich habe mir das Gutachten von Herrn Hitschler durchgelesen, allerdings kann ich darin keine Legitimierung oder eine Befürwortung eines Einsatzes erkennen (z.B. Seite 5, Absatz 1). Könnten Sie mich bitte auf die Stellen verweisen, die Sie in Ihrer Entscheidung bestärkt haben?

Es ist richtig, dass sich der IS-Terror nicht zu einem Kampf der Kulturen entwickeln darf. Allerdings schreiben Sie in Ihrer persönlichen Erklärung (die für eine persönliche Erklärung sehr viel "wir" enthält), dass die Anschläge in Paris sich gegen uns alle richten und fordern: "Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert.". Für mich klingt das nach einer Trennung der Kulturen, vor der Sie zuvor noch warnen, und der Rhetorik nach den Anschlägen am 11.09.2001

Gruß
Stefan Schmidt

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Schmidt,

vielen Dank für Ihre Zuschrift über abgeordnetenwatch.

Sie wünschen erneut eine Begründung für meine Entscheidung dem Militäreinsatz zuzustimmen. Ich habe Ihnen dazu bereits umfassend am 16. Dezember 2015 geantwortet. Ich kann Ihnen gern noch einmal die entscheidenden Sätze zitieren:

Der Deutsche Bundestag hat am 4. Dezember 2015 nach ausführlicher Debatte mit großer Mehrheit dem Antrag der Bundesregierung zugestimmt, militärische Fähigkeiten im Kampf gegen den IS bereitzustellen. Dazu gehören sowohl Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträgers. Das Ziel dieses Mandates ist klar umrissen: Es geht darum, den IS zu bekämpfen, seine Rückzugsräume zu zerstören und zu verhindern, dass er weiterhin in vielen Ländern Angst und Schrecken verbreitet

Der Einsatz ist völkerrechtlich legitimiert. Deutschland unterstützt Frankreich, den Irak und andere Länder im Kampf gegen den IS auf Grundlage des Rechts der kollektiven Selbstverteidigung, wie es in Artikel 51 der VN-Charta zum Ausdruck gebracht wird.

Sie bitten mich, die entscheidenden Textpassagen des Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes zu benennen. Ab Seite 19 des Gutachtens finden Sie die Ergebnisse des Gutachtens. Dort wird ausgeführt, dass die EU-Beistandsklausel aus Art. 42 Abs. 7 EUV zusammen mit dem Selbstverteidigungsrecht der VN-Charta die Rechtsgrundlage für die militärische Intervention in Drittstaaten bildet.

Selbstverständlich darf die militärische Intervention nicht die einzige Maßnahme bleiben. Wir brauchen eine politische Lösung des Konfliktes und weitere Maßnahmen. Zu diesen weiteren Maßnahmen gehört es, dass wir die Finanzierung des Terrorismus unterbinden. Das muss von allen Staaten konsequent angewendet werden. Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanzzufluss an den IS – oftmals durch staatliche Institutionen geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln gestoppt werden. Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismusbekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spektrum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen. Diese enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen.

In Deutschland selbst haben wir bereits im April 2015 einen Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag verabschiedet, der die Resolution „Foreign Terrorist Fighters“ des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 24. September 2014 umsetzt. Das Gesetz ist seit Mai 2015 in Kraft.

Die Gesetzesvorlage schafft zur Trockenlegung terroristischer Finanzquellen einen eigenständigen Tatbestand der Terrorismusfinanzierung. Damit wird einer Forderung der bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung angesiedelten Financial Action Task Force (FATF) entsprochen. Die Finanzierung des Reisens zu terroristischen Zwecken wird ebenfalls durch einen neuen Tatbestand unter Strafe gestellt. Weiterhin sieht das Gesetz vor, das Strafgesetzbuch um eine weitere Vorbereitungshandlung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat – das Reisen in terroristischer Absicht – zu ergänzen: Danach soll künftig bereits die Ausreise in ein Gebiet, in dem sich ein Terrorcamp befindet, strafbar sein, wenn die Reise dem Zweck dient, schwere staatsgefährdende Gewalttaten zu begehen.

Die EU-Beistandsklausel als einen Kampf der Kulturen zu interpretieren ist vollkommen an den Haaren herbeigezogen. Daher verzichte ich auf weitere Begründungen dazu.

Mit herzlichen Grüßen

Ulli Nissen, MdB