Warum sollen beim neuen Tierschutzgesetz qualvolle Missstände erlaubt bleiben, wie z.B. Amputationen zur Anpassung der Tiere an landwirtschaftliche Haltungssysteme, Langstrecken-Tiertransporte etc.?
Sehr geehrter Herr Lindner,
ich finde es nicht hinnehmbar, dass das Leid von empfindenden Lebewesen immer wieder wirtschaftlichen Interessen untergeordnet wird.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Frau K.
danke für Ihre Frage. Dieses Jahr feiern wir 75 Jahre Grundgesetz – seit 2002 ist darin auch der Schutz der Tiere als Staatsziel festgelegt. Doch zwischen dem Auftrag des Grundgesetzes und der Wirklichkeit klafft bislang eine erhebliche Lücke. Das Leid der landwirtschaftlich genutzten Tiere ist nur eines von vielen eindrücklichen Beispielen dafür. Missstände zu beheben und Lücken in der Gesetzgebung zu schließen, ist unser Anspruch. Wir freuen uns auf die Beratung zur Tierschutzgesetzreform im parlamentarischen Verfahren und haben das Ziel, weitere Missstände konsequent zu bekämpfen.
Bis auf wenige Änderungen (z.B. Verbot von Legebatterien und Kükentöten) hat es nur überschaubare gesetzliche Fortschritte gegeben - zu denen die damalige Bundesregierung unter Schwarz-Rot durch Urteile u.a. des Bundesverwaltungsgerichts gezwungen war. Tierschutz blieb als Stückwerk bisher auf der Strecke. Auch Landwirt*innen und Vollzugsbehörden bietet die aktuelle Rechtssetzung nicht ausreichend Planungs- und Rechtssicherheit.
Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung haben wir uns auf konkrete Vorhaben zur Verbesserung des Tierschutzes in Deutschland geeinigt. Die verbindliche Tierhaltungskennzeichnung von tierischen Produkten, wie letztes Jahr vom Bundestag beschlossen, war nur ein erster Schritt. Zusätzlich überarbeiten wir die Tierschutznutztierhaltungsverordnung für einzelne Tierarten um auch hier Verbesserungen zu erzielen. Die Novellierung des Tierschutzgesetzes ist nicht nur das umfangreichste tierschutzpolitische Vorhaben dieser Legislatur, sondern sogar der vergangenen Jahrzehnte. Das Geschäft mit Tieren mit Qualzuchtmerkmalen soll ebenso bekämpft werden wie der illegale Tierhandel, qualvolle Verstümmelungen wie das Schwänzekürzen bei Lämmern sollen gänzlich verboten werden, viele Wildtierarten sollen künftige nicht mehr in Zirkussen gehalten werden dürfen. Verstöße sollen durch höhere Straf- und Bußgeldrahmen und Videoüberwachung in Schlachthöfen besser erkannt und härter bestraft werden.
Ende Mai dieses Jahres hat das Bundeskabinett mit der Novelle des Tierschutzgesetzes nun auch eine der umfangreichsten Reformen des Tierschutzrechts in Deutschland seit über 20 Jahren beschlossen und dem Bundestag vorgelegt. Denn es ist Zeit für ein modernes Tierschutzgesetz, das Tiere wirklich schützt. Geplant ist das Gesetz im September in den Bundestag einzubringen. Wir freuen uns auf die Beratung im parlamentarischen Verfahren und haben das Ziel, weitere Missstände konsequent zu bekämpfen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Tobias Lindner