Frage an Tobias Gotthardt von Petra S. bezüglich Recht
Guten Tag Herr Gotthardt,
ich stoße in Gesetztestexten öfter auf die Formulierung "nach billigem Ermessen". Kann das bitte durch "nach eigenem Ermessen" ersetzt werden, damit es besser verstanden wird?
Sehr geehrte Frau Soden,
zunächst danke ich Ihnen sehr herzlich für Ihre Anfrage, die ich sehr gerne beantworte. Ich habe mich bezüglich Ihres Anliegens an das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration gewandt. Das Staatsministerium hat mir nach Einbindung der Fachkollegen folgende Informationen mitgeteilt:
Der Begriff des "billigen Ermessens"ist beispielsweise in den bundesgesetzlichen Vorschriften § 315 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 106 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO), § 91a Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO), § 161 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) oder in diversen Gebührentatbeständen des Kostenverzeichnisses des Gerichtskostengesetzes (Anlage 1 zum GKG) enthalten. Die genannten Vorschriften zeigen, dass von der Formulierung "billiges Ermessen"oder auch dem Begriff der "Billigkeit"häufig im Zusammenhang mit Kosten oder Leistungen Gebrauch gemacht wird. So betreffen z.B. § 161 VwGO und § 91a ZPO die unter bestimmten Voraussetzungen nach billigem Ermessen zu ergehende Entscheidung über Gerichtskosten, die Vorschriften im GKG die Festsetzung von Gerichtskosten nach billigem Ermessen und § 315 BGB bzw. § 106 GewO die einseitige Bestimmung einer Leistung nach billigem Ermessen. Was dem "billigem Ermessen"entspricht, ist unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien und des in vergleichbaren Fällen üblichen festzustellen.
Auch im Bayerischen Kostengesetz (KG) findet sich eine Reihe an "Billigkeitsvorschriften"(vgl. etwa Art. 3 Abs. 1 Nr. 2, Art. 5 Abs. 6, Art. 8 Abs. 3 und Art. 16 Abs. 2, Abs. 4 KG). Insbesondere kann die Behörde nach Art. 16 Abs. 2 KG von der Festsetzung der Kosten absehen, den Kostenanspruch erlassen oder bereits entrichtete Kosten erstatten, wenn die Einziehung der Beträge nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Ähnliche Vorschriften enthält auch die Abgabenordnung (AO) (vgl. z.B. § 163 AO zur abweichenden Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen).
Die Verwendung des Begriffs "billig"oder "Billigkeit"mag zwar auf den ersten Blick veraltet erscheinen, macht aber in der Rechtssprache durchaus Sinn. So ist darunter etwa "angemessen"bzw. "berechtigt"zu verstehen (vgl. hierzu https://www.duden.de/rechtschreibung/billig). Oftmals geht es um die Verhinderung bestimmter "unbilliger"Härten im Einzelfall.
Aus unserer Sicht ist es sachlich gerechtfertigt und auch sinnvoll, wenn in einer auch durch die Rechtsprechung geprägten Rechtstradition überkommene und bewährte Begrifflichkeiten in Gesetzestexten verwendet werden.
Ich hoffe, sehr geehrte Frau Soden, Ihnen mit dieser Auskunft weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen alles Gute. Gerne steht Ihnen mein Bürgerbüro auch direkt für Ihre Anfragen zur Verfügung. Schreiben Sie einfach eine Mail an buergernah@tobiasgotthardt.de. Ich wünsche Ihnen alles Gute, bleiben Sie gesund!
Mit besten Wünschen nach Regenstauf,
Ihr Tobias Gotthardt, MdL