Wie wollen Sie den Beitritt der Ukraine in die EU beschleunigen?
Sehr geehrter Herr P.,
der Rat der EU hat am 14. Dezember 2023 den Weg für Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine freigemacht und ist damit der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 8. November 2023 gefolgt, umgehend formale Beitrittsgespräche aufzunehmen. Das begrüße ich sehr. Die Ukraine hat in den letzten zwei Jahren unter Beweis gestellt, dass sie trotz des verheerenden russischen Angriffskrieges EU-Standards bspw. beim Vorauswahlsystems für Richter des Verfassungsgerichts oder in den Leitungsgremien der Justiz einführen kann. Zugleich wurden auch Erfolge bei der Korruptionsbekämpfung und -verurteilung, bei der Geldwäschebekämpfung und der Reduzierung des Einflusses von Oligarchen Erfolge erzielt.
Vorrangiges Ziel bleibt es, dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine endet. Gleichzeitig müssen weitere Reformen vorangetrieben werden, um die Beitrittsfähigkeit zur EU zu erreichen. Deutschland sollte diese Bemühungen nach Kräften und mit geeigneter personeller Expertise, etwa mit Verwaltungsexperten als Berater, unterstützen. Konkret könnte dies durch Partnerschaften mit deutschen Städten und Gemeinden gelingen, um auch die kommunale Ebene im Land zu erreichen.
Da Beitrittsverhandlungen für eine Vollmitgliedschaft viele Jahre dauern können, sollten mit der Ukraine auf dem Weg dorthin einem schrittweisen Integrationsansatz folgend möglichst bald geeignete Zwischenschritte einer engeren Anbindung an die EU vereinbart werden, wie beispielsweise ein „phasing in“ in EU-Programme und EU-Politiken, eine Assoziierung im Bereich der Gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik/GASP (ohne Stimmrecht) oder die Gewährung des graduellen Zugangs zum EU-Binnenmarkt.
Insbesondere die junge Generation in der Ukraine strebt nach Europa und spielt eine wichtige Rolle beim Wiederaufbau des Landes. Die jungen Ukrainerinnen und Ukrainer sehnen sich nach Sicherheit und Wohlstand und kämpfen aktuell für unsere europäischen Werte wie Freiheit und Demokratie. Die schwierige geostrategische Lage wird auch nach einem möglichen Ende des Krieges bestehen bleiben. Umso wichtiger ist die feste Verwurzelung des Landes in der Europäischen Union. Ein EU-Beitritt der Ukraine wäre deshalb in beiderseitigem Interesse – auch in wirtschaftlicher Hinsicht. So ist die Ukraine weiterhin ein bedeutender Industriestandort und produziert u.a. Kabelbäume für die deutsche Autoindustrie sowie Saatgut und Baustoffe. Als großer Produzent landwirtschaftlicher Güter ist das Land die Kornkammer Europas.
Mit freundlichen Grüßen
Tilman Kuban