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Tilman Kuban
CDU
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Frage von Philipp H. •

verpflichtendes Gesellschaftjahr: Weniger Fachkräfte, weniger Geld für Soziales?

Sehr geehrter Herr Kuban,
die Union hat ein "verpflichtendes Gesellschaftjahr" auf ihrem Parteitag beschlossen.
Dies bedeutet, das junge Menschen einen unqualifizierten Job ein Jahr machen, und nach ihrer Berufsausbildung in ihrem qualifizierten Beruf ein Jahr kürzer arbeiten.

Dazu folgende Fragen:
1. Wie hoch sind die Steuereinnahmen, die weg brechen, wenn angehende Ingenieure ein Gesellschaftsjahr in einem unqualifizierten Job ableisten - statt ein Jahr länger als Ingenieur zu arbeiten?
2. Wie sehr wird sich der Fachkräftemangel verstärken?
3. Durch die weg brechenden Steuereinnahmen muss an anderer Seite gespart werden, werden dann unqualifizierte, Arbeitslose weniger oft im sozialen Bereich eingestellt?
4. Wenn Bedarf für Unqualifizierte im sozialen Bereich ist, warum stellt der Staat nicht einfach Arbeitslose ein und bezahlt sie fair? Geht es beim Gesellschaftsjahr darum, am Gehalt zu sparen?

Freundliche Grüße,
Philipp. H.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr H.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage vom 13. September 2022, die ich gern beantworte.

Das verpflichtende Gesellschaftsjahr ist auf dem CDU-Parteitag in Hannover im September 2022 beschlossen worden, ich stehe dem dennoch sehr skeptisch gegenüber.

Ich stimme Ihrer Kritik aus der Perspektive des Fachkräftemangels ausdrücklich zu und lehne das Konzept des verpflichtenden Gesellschaftsjahrs auch deshalb ab, weil ich wenig Impulse sehe, die man in die Berufsorientierungsphase mitnimmt. Der aktuelle jährliche Bedarf von 400.000 Arbeits- und Fachkräften dürfte sich durch den Einsatz von 70.000 jungen Menschen noch einmal verschärfen. Im Gegenteil: Nach den für die Jugend sehr fordernden Coronajahren mit entsprechend negativen Folgen für die schulische und berufliche Bildung setzt die Verpflichtung zu einem Gesellschaftsjahr das falsche Zeichen.

In den Debatten vor und auf dem Parteitag der CDU habe ich zudem davor gewarnt, ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr zu beschließen, ohne die junge Generation, die es betreffen würde, im Diskursprozess einzubeziehen. Dies gelänge etwa durch eine entsprechende Umfrage, Diskussionsforen oder breit angelegte Studien. Aus meiner Sicht kommt es darauf an, mit jungen Menschen, von denen man ein Jahr Ihres Lebens fordert, auf Augenhöhe zu diskutieren und ihre Anliegen ernst zu nehmen. Die junge Generation ist sehr viel motivierter in Ihrer Bereitschaft für freiwilliges Engagement, als es ihr zuweilen zugetraut wird. Durch Lockdowns und Schulschließungen wurde ihr viel abverlangt, so dass es nun darauf ankommt, verlorengegangenes Vertrauen wieder aufzubauen. Dies gelingt nur durch mehr Beteiligung und nicht durch neue verpflichtende Programme.

Mit freundlichen Grüßen

Tilman Kuban MdB

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