Frage an Till Mansmann von Gabriele H. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Mansmann,
ich bin langzeitarbeitslos und beziehe ALGII. Da im Kreis Bergstraße die
Mietobergrenzen offenbar völlig willkürlich festgesetzt sind und für
diese Beträge keine Wohnungen zu finden sind, ist man gezwungen, auf
irgendeine Weise Geld zu verdienen, um ein halbwegs menschenwürdiges Leben führen zu können. Ich bin fast 60 Jahre alt und finde trotz intensiver Suche nicht mal einen 450-Euro-Job. Daher habe ich vor ein paar Monaten an einer Inventur (kurzzeitige Beschäftigung) teilgenommen und mußte dann feststellen, dass zwar Schüler, Stundenten, Rentner und Hausfrauen den vereinbarten Lohn netto ausgezahlt bekamen, mir aber Steuer und Sozialversicherungsbeiträge abgezogen wurden, ich also für ungefähr 4 Euro netto die Stunde Knochenarbeit geleistet habe und die Fahrtkosten auch noch selbst tragen musste.
Meine Frage an Sie ist: Können Sie mir bitte erklären, warum Arbeitslose
in solchen Fällen von ihrem Lohn Abzüge haben und ob Sie vorhaben, diese
Ungerechtigkeit zu beseitigen?
Ich danke schon im voraus für eine Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Hieber
Sehr geehrte Frau Hieber,
zur Praxis der Mietobergrenzen kann ich mich nicht äußern, weil ich mich damit leider nicht gut genug auskenne - dass Mietkosten nicht unbegrenzt und ohne Kontrolle übernommen werden, halte ich politisch jedoch für richtig, das muss immer im Einzelfall geprüft werden. Das kann hier nicht geschehen, dafür haben Sie sicherlich Verständnis.
Was die Entlohnung für solche Jobs angeht: Ich setze mich dafür ein, das Hartz-IV-System im Sinne eines Bürgergelds (liberales Bürgergeld nach Mitschke) so weiterzuentwickeln, dass jeder Bürger ein Anrecht auf eine Grundversorgung hat, sofern er das nicht selbst erwirtschaften kann. Ich bin der Überzeugung, dass dies der Sinn der Vorgaben ist, die das Bundesverfassungsgericht in mehreren Urteilen aus dem Grundgesetz abgeleitet hat, die mir sehr genau angesehen habe und die ich für unsere Demokratie und unsere Soziale Marktwirtschaft für eine wertvolle Weiterentwicklung halte.
Ich glaube auch, dass wir auf dem von mir favorisierten Weg viel Bürokratie, die durch Kontrolle entsteht, einsparen können und diese Summe besser in die Leistungen selbst fließen sollte. Weiter setze ich mich dafür ein, dass oberhalb dieser Grundsicherung progressiv Steuern und Sozialabgaben (bei niedrigen Eingangsquoten) abgeführt werden müssen, weil dann jeder, der arbeitet (und sei es auch nur teil- oder zeitweise), auch grundsätzlich immer mehr zur Verfügung hat, als der, der das nicht tut.
Eine gewisse Steuer- und Abgabenlast entsteht dann allerdings auch (wie bei jedem anderen Arbeitnehmer und Leistungserbringer auch - Sie müssen auch immer daran denken, dass den meisten Steuerzahlern deutlich mehr abgezogen wird, als sie selbst aus irgendeinem Topf erhalten, um denen helfen zu können, die keine Wirtschaftsleistung erbringen können). Diese Last sollte dann aber über die verschiedenen Gruppen (Studenten, Rentner, ALGII-Bezieher etc.) gleichmäßig ausgestaltet sein.
Ich hoffe, dass ich Ihnen meine Position hier verständlich machen konnte,
mit freundlichen Grüßen
Till Mansmann