Wie stehen Sie zu einem Verbotsverfahren gegen die AfD?

Sehr geehrter Herr M.,
die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag und ich persönlich teilen die Sorgen vieler Bürger:innen bezüglich der AfD. Auch ich beobachte eine sich immer schneller drehende Radikalisierungsspirale bei der Partei. Wir erkennen deutlich, dass die AfD eine verfassungsfeindliche Haltung vertritt. Dies wird an einer Vielzahl von Äußerungen, auch von höchsten Vertreterinnen und Vertretern der Partei, deutlich.
Gegen Verfassungsfeinde stellt das Grundgesetz mit dem Parteiverbotsverfahren nach Artikel 21 Absatz 2 das schärfste Schwert unserer wehrhaften Demokratie bereit. Danach sind Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf aus sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, verfassungswidrig.
Die Folgen sind drastisch: Stellt das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit einer Partei fest, ordnet es deren Auflösung an, verbietet die Gründung einer Ersatzorganisation und kann die Einziehung des Parteivermögens zu gemeinnützigen Zwecken aussprechen (§ 46 Absatz 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz). Weiterhin verlieren Mitglieder des Deutschen Bundestages, die dieser Partei angehören, nach § 46 Absatz 1 Nummer 5 des Bundeswahlgesetzes ihr Mandat.
Aufgrund dieser Konsequenzen sind die Anforderungen an das Verbot einer Partei in einer Demokratie, die maßgeblich durch den parteipolitischen Diskurs lebt, hoch. Eine Haltung, durch die oberste Verfassungswerte in der politischen Meinungsäußerung in Zweifel gezogen, nicht anerkannt, abgelehnt oder ihnen andere entgegengesetzt werden, genügt nicht den hohen Anforderungen an ein mögliches Parteiverbot.
Eine Partei kann durch das Bundesverfassungsgericht nur dann verboten werden, wenn sie planvoll das Funktionieren der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beseitigen will. Dies setzt voraus, dass konkrete, gewichtige Anhaltspunkte vorliegen, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass das Handeln der Partei erfolgreich sein kann. Dies muss in einem ordnungsgemäßen Verfahren festgestellt werden, das nach bisherigen Erfahrungen mindestens eineinhalb Jahre in Anspruch nehmen wird.
In einem solchen Verbotsverfahren müssen dabei eindeutige Beweise vorgebracht werden. Die hohen Voraussetzungen für ein Parteiverbot stellen auch an diese Beweisführung erhebliche Ansprüche. Eine Antragsschrift, die den hohen Anforderungen an Begründung und Beweisführung gerecht wird, kann nicht in wenigen Wochen erstellt werden.
Viele Expertinnen und Experten sind zudem skeptisch, ob die aktuell vorliegenden öffentlich zugänglichen Informationen bereits für ein Verbot der AfD ausreichen würden. Anträge auf Prüfung eines Verbotes gibt es dabei nicht. Der Antrag darf sich nicht ergebnisoffen auf eine Prüfung richten, sondern richtet sich ausdrücklich auf ein Verbot der Partei. Deshalb muss ein entsprechender Antrag umfassend begründet sein und bereits mit den erforderlichen Beweismitteln vorgelegt werden.
Für eine umfassende Beweissammlung sind die Antragsberechtigten auch auf die Ermittlungen hierzu berufener staatlicher Institutionen angewiesen. Seinem gesetzlichen Auftrag entsprechend sammelt das Bundesamt für Verfassungsschutz Informationen über Bestrebungen, die gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Aufgrund ihrer immer deutlicher zu Tage tretenden Haltung wird auch die AfD als Gesamtpartei in diesem Sinne als Verdachtsfall geführt.
Dass die AfD rechtmäßig durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtet wird, hat nach dem Verwaltungsgericht Köln nun auch das Oberverwaltungsgericht Münster als Berufungsinstanz bestätigt. Das Bundesamt darf damit Erkenntnisse über die Handlungen der AfD auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln sammeln. Die Auswertung dieser Erkenntnisse durch den Verfassungsschutz sind entscheidend, um ein fundiertes Verfahren zu ermöglichen. Solange die Auswertung dieser Erkenntnisse nicht abgeschlossen ist, wäre ein Antrag verfrüht und würde die Erfolgsaussichten eines möglichen Verbots gefährden.
Der vorliegende Antrag zum AfD-Verbot wurde vor kurzem zwar im Bundestag debattiert, er wurde aber nicht abgestimmt, sondern gemäß dem üblichen Verfahren in die Ausschüsse überwiesen. Es wird daher in dieser Legislaturperiode keine finale Abstimmung geben, so dass dieser Antrag letztlich der sogenannten Diskontinuität anheimfallen wird. In der kommenden Wahlperiode sollte sich der Deutsche Bundestag daher nach meiner Auffassung mit den neuen Erkenntnissen und Einschätzungen der zuständigen Behörden und insbesondere des Bundesamtes für Verfassungsschutz zeitnah auseinandersetzen und einen entsprechenden Antrag beraten. Dafür werde ich mich auch mit allem Nachdruck einsetzen, sofern ich wieder in den Deutschen Bundestag gewählt werden sollte.
Wenn dann die Beweislast gegen die AfD nach Einschätzung der Expertinnen und Experten so hoch sein sollte, dass ein umfassend begründeter und mit den erforderlichen Beweismitteln versehener Antrag gestellt werden kann, weil mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Erfolg des Verbotsverfahrens gegen die AfD auszugehen ist, dann werde ich ein solches Verfahren selbstverständlich unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen
Thorsten Rudolph