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Thomas von Sarnowski
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Frage von Günther W. •

Sehr geehrter Herr von Sarnowski, wie werden Sie sich im Landtag für eine Verkehrswende im Wahlkreis Ebersberg einsetzen (falls Sie gewählt werden)?

Konkrete Anliegen sind für mich:
Zulauf zum Brenner-Basistunnel
Rad(-schnell-)weg nach München
Reduktion des MIV, Parkraumbewirtschaftung, Klimaneutralität (wir haben ca. 680 PKW pro 1000 Einwohner)
Zweite S-Bahnstammstrecke und Auswirkungen auf Lkr. Ebersberg
Welche anderen Maßnahmen halten Sie für wichtig, zielführend und machbar?
Besten Dank G. W.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr W.

es gibt viele Gründe, eine andere Verkehrspolitik zu machen - ob im Landkreis oder in ganz Bayern. Und Sie sprechen sehr detailliert eine Vielzahl an Themen an - deshalb wird die Antwort recht lang:

Ich bin 2003 als Jugendlicher unter anderem deswegen politisch aktiv geworden, weil die Südumfahrung Ebersberg, die damals in Planung war, keine Lösung für die Verkehrsprobleme darstellte. Prognostiziert wurden nur etwas mehr als 12% Entlastung für die Innenstadt, und gleichzeitig war klar, dass dafür andere Stadtteile neu verlärmt würden, dass neue Straßen neuen Verkehr anziehen und damit in anderen Gemeinden die Belastung durch Lärm und Abgase steigen, dass dafür mitten durch ein Moor mit seltenen Arten gebaut würde.

Die Straße konnten wir leider nicht verhindern, aber die Prognosen sind eingetreten. Die Kosten haben sich von 12 auf 24 Millionen Euro verdoppelt, und in der kurzen Zeit seit Fertigstellung brauchte es bereits zwei grundlegende Sanierungen, weil der Moorboden zu starken Senkungen geführt hat. Was in den 20 Jahren seitdem nicht passiert ist? Maßnahmen für eine Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene entlang dieser wichtigen Ost-West-Verbindung fehlen noch immer: Eine zweigleisige Anbindung von Ebersberg für die S-Bahn, eine Elektrifizierung bis Reitmehring für komfortablere Züge und weniger Umsteigen und eine Reaktivierung der Bahnstrecke in die Altstadt Wasserburg. Das muss alles schleunigst kommen!

Ich bin überzeugt, dass wir in der Vergangenheit die falschen Prioritäten gesetzt haben. Bayern hat eines der dichtesten Straßennetze der Welt. Als Grüne Bayern wollen wir keine neuen Mittel in den Straßenausbau und -neubau stecken - mit der Sanierung unserer Brücken, Straßen und Tunnel haben wir eh schon genug zu tun. Das frei werdende Geld wollen wir in den Ausbau von Bus und Bahn und in eine sichere Radinfrastruktur stecken.

Radschnellwege aus dem Umland nach München sind seit langem im Gespräch, gebaut wurde fast nix und nur in Richtung Garching. Immerhin laufen die Planungen für einen Radschnellweg nach Markt Schwaben als einer von sechs Korridoren. Das unterstütze ich voll - es darf aber nicht so lange dauern wie im Münchner Norden. Leider ist die Verbindung München-Ebersberg nicht unter den 6 in Planung befindlichen Radschnellwegen im Großraum München. Deshalb haben wir als Grüne aus den Gemeinden entlang der S6 zwischen Ostbahnhof und Ebersberg uns zusammengetan und das Projekt www.schneller-radweg-muenchen-ebersberg.de ins Leben gerufen. Hier geht es um eine schnelle Radverbindung, die nicht nur zügiges Alltagsradeln ermöglichen soll, sondern die auch möglichst schnell umgesetzt werden können soll. Auf die Radschnellwegstandards - 4m Breite außerorts - wird dafür verzichtet. Dafür setzen wir darauf, dass bereits bestehende Wirtschaftswege asphaltiert und mit neuen Brücken über die Eisenbahnunterführungen verbunden werden. In Grasbrunn, Vaterstetten und Haar sind die Projekte bereits unterwegs, aktuell gibt es noch mal eine Prüfung der Bahn zur Freigabe der Grundstücke. Es gibt zwei weitere relativ einfach verbesserbare Strecken via Grasbrunn/Solalinden und via Pöring/Ottendichl/Buga-Park

Der Zweite S-Bahn-Stammstreckentunnel soll wegen der Missplanungen und des schlechten Managements des Auftraggebers, dem Freistaat Bayern, leider erst zu einem Zeitpunkt fertig werden, wo viele heutige Pendlerinnen und Pendler längst in Rente sind - 2037 oder später. Gleichzeitig explodieren die Kosten auf 8,5 Mrd. Euro. Das bedeutet zudem, dass auf viele Jahre das Geld für alle anderen Zugprojekte im Nahverkehr in Bayern fehlt. Bisher ist kein Meter Tunnel gebaut, vor allem gibt es hinter dem Rathaus am Marienhof ein großes tiefes Loch. (Die Überwerfungsbauten im Westen sind auch so von großem Nutzen.) Im Landtag will ich mich deshalb dafür einsetzen, dass eine Umplanung der zweiten Stammstrecke als Süd- und Nordring geprüft wird. Hier könnte man Schritt für Schritt neue Haltepunkte für Regionalzüge und S-Bahnen schaffen - ein Bonus wäre, dass damit auch tangentiale Verbindungen geschaffen werden und nicht der ganze Umsteigeverkehr über Ostbahnhof, Marienplatz und Hauptbahnhof abgewickelt werden müsste. Mit den frei werdenden Mitteln könnten endlich die Außenäste der S-Bahn mit Zweigleisigkeit / mehr Ausweichgleisen uvm. gestärkt werden, womit Verspätungsanfälligkeit, Sicherheit und Taktdichte besser würden.

Ein gutes Angebot von sicheren Radwegen und Bus und Bahn ist essentiell, um den MIV zu reduzieren:

  • Als Teil des Teams hinter dem Radentscheid Bayern habe ich dafür gekämpft, dass Bayern ein Radgesetz bekommt. Bekommen haben wir nur ein vages CSU-Radgesetzchen. Das einzige konkrete Ziel - 1500 km neue Radwege bis 2030 - bedeutet: 91 Metern pro Jahr und Gemeinde. Das ist zu wenig, und es fehlen Impulse für mehr Sicherheit und die Vision Zero. Wir brauchen ein echtes Radgesetz, so wie es der Radentscheid mit seinen 100.000 Unterschriften fordert.
  • Deshalb wollen wir aufbauend auf dem Erfolg des Deutschlandtickets ein Klimaticket Bayern für 29€ anbieten, dazu die Version als kostenloses Junge-Leute-Ticket für Kinder, Jugendliche und alle bis 28 Jahre in Ausbildung. So entlasten wir Familien, geben jungen Menschen Freiheit und verankern eine nachhaltige Mobilität. Aber der beste kostenlose Bus nützt nichts, wenn er nicht fährt. Deshalb wollen wir Grüne Bayern eine Mobilitätsgarantie, also dass Bus, Bahn oder intelligenter Rufbus in jeder Gemeinde mindestens stündlich von 5 bis 24 Uhr halten, auf nachfragestarken Strecken halbstündlich.
  • Dazu gehört auch der Ausbau leistungsfähiger internationaler Schienenverbindungen im Güter- und Personenverkehr, darunter München-Mühldorf-Freilassing und der Brennerbasistunnel mit Zuläufen, womit letztlich Mittelmeer und Nordsee verbunden werden. Ich war im Juli unten in der Tunnelbaustelle - es ist beeindruckend, wie schnell die vorankommen! Mir ist wichtig, dass wir davon auch profitieren und die Güter nicht hinter der Landesgrenze bei Kufstein auf den Lkw zurückverladen werden, die dann auch durch unseren Landkreis fahren. Es braucht neben den Bestandsgleisen zwei weitere Gleise, um den Nahverkehr und Fern-/Güterverkehr von einander zu entflechten. Für größtmögliche Akzeptanz brauchen wir einen hohen Anteil an Trogführungen, Tunneln und Lärmschutzwänden, entlang der Bestandstrasse zwischen Grafing und München angesichts der großen Verkehrssteigerung auch übergesetzlich. Die Trassenwahl im Landkreis Ebersberg ist mit Limone (statt Türkis) unter anderen darauf zurückzuführen, dass vorab (!!) Lärmschutz von Menschen höher gewichtet wurden als Landschaftsschutz und die türkise Trasse im Atteltal auch naturschutzrechtlich bedenklich wäre. Ich habe persönlich aber keine Präferenz für die eine oder andere Trasse, mir geht es um ein ordentliches Verfahren: Ich finde es richtig, dass im Planungsverfahren im Vorhinein klar alle Kriterien definiert wurden, um dann transparent und neutral die objektiv beste Trasse auszuwählen. Insofern Planungsfehler vorliegen, muss man darauf reagieren. Nach der abgeschlossenen Trassenwahl mit zwei Trassen weiter zu planen, wäre sehr ungewöhnlich. Damit würden wertvolle Planungskapazitäten mindestens zur Hälfte verschwendet, wir müssten noch länger auf die Fertigstellung des BBT-Zulaufs warten, während Tiroler & Italiener längst fertig wären.
  • Zudem wollen wir Kommunen mehr rechtliche Freiheiten an die Hand geben, selbst über die Gestaltung ihres öffentlichen Raums zu entscheiden, beispielsweise bei der Einrichtung von sicheren Fußgängerquerungen, der Gestaltung der Parkgebühren und der Anordnung von Tempo 30.

Besonders auf dem Land wird das Auto ein Mobilitätsbaustein bleiben, aber künftig ein E-Auto sein. Das ist für unsere Klimaziele unabdingbar. Dafür bauen wir die öffentliche Ladeinfrastruktur flächendeckend aus. Mit Carsharing wollen wir auch Menschen ohne eigenes Auto in Bayern individuell einen barrierefreien, niedrigschwelligen, günstigen und umweltfreundlichen Zugang zu E-Mobilität und Lastentransporten eröffnen und insbesondere Familien auf dem Land von den hohen Kosten für Anschaffung und Unterhalt von Zweit- und Drittautos entlasten. Auf dem Land fehlen Carsharing-Angebote - der Landkreis Ebersberg ist da mit seiner bundesweiten Vorbildrolle die Ausnahme. Wir geben deshalb ein Ziel von mindestens 1,5 verfügbaren elektrischen Carsharing-Autos je 1000 Ein­wohner*innen flächendeckend in allen Gemeinden und Ortsteilen Bayerns bis 2025 vor, die bayernweit mit einer Anmeldung nutzbar sein sollen. Damit wir dieses Ziel erreichen, unterstützen wir Carsharing-Vereine in jeder Gemeinde mit Start-Zuschüssen, reservierten Stellplätzen und kommunaler Mitnutzung.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas von Sarnowski