Frage an Thomas Lutze von Jürgen A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Lutze,
20 Jahre nach dem Fall der Mauer frage ich Sie: Wieviel SED erhalte ich noch, wenn ich Die Linke wähle?
Wie ich gelesen habe, stammen Sie selbst aus der DDR. Von daher würde mich Ihre Meinung zu diesem Thema wirklich brennend interessieren.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Alt
Sehr geehrter Herr Alt,
ich kann nur für mich sprechen. Ich selbst war niemals Mitglied oder „Kandidat“ der SED. Eine kritische Aufarbeitung der DDR-Geschichte hat in der PDS schon Anfang der 90er begonnen. Ohne diesen Umgang mit der Geschichte wäre ich nicht 1994 in die PDS eingetreten.
Grundsätzlich ist dieses Thema nicht im Rahmen dieses Forums kurz und bündig zu beantworten. Mein Grundsatz ist der, dass bei der Betrachtung der DDR-Geschichte Schwarzweißmalerei, wie sie teilweise im Westen der Bundesrepublik artikuliert wird, vollkommen unangebracht ist. Systembedingtes und oftmals auch persönliches Unrecht ist nicht abzustreiten und muss auch weiter diskutiert werden. Aber pauschal zu sagen, SED-Mitglieder seien schuld am Versagen der DDR ist jedoch auch nicht richtig. Viele SED-Mitglieder haben ihre Arbeit offen und ehrlich gemacht, in der Gewissheit „auf der richtigen Seite zu stehen“. Andererseits gab es auch Blockparteien (im Übrigen kritiklos in CDU und FDP aufgegangen), die zum Teil systemkonformer und kritikloser agiert haben, als viele SED-Strukturen.
Mir ist es wichtig, dass dies eine Debatte der Ostdeutschen sein muss. Westdeutsche Politiker, die sich heute als moralische Hüter von Freiheit und Demokratie aufspielen, scheinen zu vergessen, dass die deutsche Teilung nicht in Moskau beschlossen wurde, sondern Ergebnis eines von Deutschland angezettelten Krieges war. Und gerade in Westdeutschland gab es für Nazigrößen kaum Hürden, den Rechtsstaat mit aufzubauen.
Freundliche Grüße,
Thomas Lutze