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Thomas L. Kemmerich
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Frage von Thomas G. •

Frage an Thomas L. Kemmerich von Thomas G. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Kemmerich,

in der Vergangenheit wurde der Gesundheitsfonds auf dem Weg gebracht. Wir als Unternehmensberatung für betriebliche Gesundheit sehen täglich die Auswirkung des Gesundheitsfonds bei vielen Arbeitnehmern. Fazit: Unser Gesundheitssystem ist nicht mehr bezahlbar für den Bürger. Weil nach dem Rentensystem nun auch das Gesundheitssystem zum Verschiebe-Bahnhof für Geldmittel umgebaut worden ist.
Frage: Wie will die FDP Einfluß nehmen, um das Vertrauen ins deutsche Gesundheits-system wieder zu gewinnen.

Geschäftsführer noxus deutschland

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Genschow,

Die FDP plädiert für ein einfaches, transparentes und leistungsgerechtes Gesundheitswesen. Die wichtigsten Eckpunkte unserer Bestrebungen sowie dazugehörige Forderungen der FDP auf Bundesebene habe ich Ihnen im Folgenden zusammengestellt.

Die Bürger verstehen nicht mehr, was im Gesundheitswesen vor sich geht. Und sie merken, dass die gewohnt gute Qualität der medizinischen Versorgung nach- lässt. In ihrer Apotheke erhalten sie einmal dieses und einmal jenes Arzneimittel, je nachdem mit welchen Firmen Rabattverträge abgeschlossen worden sind. In den Krankenhäusern müssen sie zum Teil lange warten bis jemand kommt, um ihnen zu helfen. Bei Hilfsmitteln dürfen sie nicht mehr zu dem Belieferer ihrer Wahl gehen, sondern die Krankenkassen bestimmen, auf wen sie zurück- greifen dürfen. Die Patienten werden gegängelt. Sie werden zunehmend in standardisierte Schablonen gepresst. Man raubt ihnen mehr und mehr ihre Autonomie, gemeinsam mit ihrem Therapeuten eine Behandlung zu vereinbaren, die bei ihnen den besten Erfolg verspricht. Das deutsche Krankenversicherungssystem ist durch die letzten Reformen deutlich in Richtung eines zentralistischen, staats- gesteuerten Einheitskassensystems verschoben worden.

Gleichzeitig ist der Beitragssatz auf das Rekordniveau von 15,5 Prozent gestiegen. Die Bürger spüren das am eigenen Leib. Viele haben zu Beginn des Jahres starke Beitragssatzsteigerungen in Kauf nehmen müssen, ohne dass sich ihr Krankenversicherungsschutz verbessert hätte. Die im Rahmen des Konjunkturpakets II geplante Absenkung um 0,6 Beitragssatzpunkte ändert nichts daran, dass die gesetzliche Krankenversicherung im Hinblick auf die Aufgaben, die der Gesetzgeber ihr zuschreibt, unterfinanziert ist. Diese Absenkung verschleiert den tatsächlichen Finanzierungsbedarf und weckt die Illusion, auf Strukturreformen verzichten zu können. Sie verschärft, weil kreditfinanziert, zudem die sich aus der demografischen Entwicklung ergebenden Schwierigkeiten. Diese Schulden sind insbesondere von den dann aktiv Beschäftigten zurückzuzahlen, wenn noch mehr alte Menschen durch noch weniger junge Menschen unterstützt wer- den müssen.

Der Gesundheitsfonds macht die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und zunehmend auch die private Krankenversicherung (PKV) zum Spielball wechselnder bundespolitischer Interessen. Je nach Stimmung, Kassenlage und Wahltermin wird entweder Geld in das System hineingegeben oder aus dem System herausgezogen. Es ist deshalb im Rahmen dieser Denkweise konsequent, die Rückzahlung für die Bundesdarlehen zum Ausgleich wegbrechender Beitragseinnahmen des Gesundheitsfonds auf das Jahr 2011 zu verschieben, wohl wissend, dass das Defizit bis dahin so hoch sein wird, dass es aus eigener Kraft von der GKV kaum ausgeglichen werden kann. Dabei verlässt man auch den noch vor kurzem für unabdingbar gehaltenen Grundsatz, dass die gesetzlichen Krankenkassen sich nicht verschulden dürfen. Alle Anstrengungen, die vorhandenen Schulden bis zum 31. Dezember 2008 abzubauen, werden durch die Gewährung des Bundesdarlehens Makulatur.

Der Gesundheitsfonds mindert den Druck zu notwendigen Reformen. Verspätete Reformmaßnahmen müssen dann umso härter ausfallen. Der Gesundheits- fonds setzt eine Interventionsspirale in Gang, die zu einer vollständigen Zentralisierung führt. Zum Ausdruck kommt das in der Vereinheitlichung der Arzthonorare. Deutlich geworden ist das auch bei der Diskussion über die Basisfall- werte in den Krankenhäusern. Wenn regional tätige Krankenkassen bundesweit einheitliche Zuweisungen aus dem Fonds erhalten, sind sie nicht in der Lage, höhere Preise für Krankenhausleistungen zu bezahlen, obwohl dies in der Region angebracht sein kann. Das staatliche Globalbudget führt zu staatlicher Preisadministration. Die Politik bestimmt wie viel Geld in welche Verwendung fließen darf. Damit wird sie zum Adressaten für berechtigte wie unberechtigte Forderungen, die sie immer nur global befriedigen und damit den einzelnen Be- langen nicht gerecht werden kann. Die Krankenkassen werden von Krankenversicherern zu staatlich determinierten „Managementgesellschaften“ mit Fondszuweisungen.

Mit großem Aufwand ist ein hochkomplexer morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) geschaffen worden, der für größere Gerechtigkeit zwischen den Krankenkassen sorgen sollte. Stattdessen jedoch entstehen neue Ungerechtigkeiten. Nun ist es attraktiv, Versicherte zu gewinnen, die eine der erfassten Krankheiten haben, in diesem Rahmen aber eine relativ geringe Behandlungsnotwendigkeit aufweisen. Der Morbi-RSA ist höchst manipulationsanfällig. Die von ihm ausgehenden Anreize sind kontraproduktiv: Ärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen profitieren davon, wenn mehr Versicherte mit schwerwiegenderen Krankheiten eingestuft werden. Dieses gemeinsame Interesse am „Upcoding“ führt dazu, dass die deutsche Bevölkerung zumindest statistisch gesehen kränker wird. Besonders problematisch ist es, wenn die Qua- lität der Codierung der Erkrankungen davon abhängig gemacht wird, dass Ver- träge mit einer Arztgruppe geschlossen werden. Bedenklich ist auch, dass die Krankenkassen über das Zusammenführen der Daten aus dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich mit den Stammdaten ihrer Versicherten einen gläsernen Patienten schaffen und damit ihre Geschäftspolitik strategisch aus- richten können. Mit kleineren Korrekturen am Morbi- RSA ist es nicht getan. Notwendig ist die Rückbesinnung auf klare, nicht manipulierbare Faktoren.

Über die Jahre hinweg haben Regelungsdichte und Komplexität im Gesundheitssystem immer mehr zugenommen. Das führt im Ergebnis dazu, dass eine Handvoll Experten die Politik bestimmen, nicht aber die dafür verantwortlichen Politiker. Es ist an der Zeit, dies grundlegend zu ändern. Bei allen Regelungen im Fünften Buch Sozialgesetzbuch muss überprüft werden, ob sie überhaupt be- nötigt und wenn ja, wie sie deutlich vereinfacht werden können. Alle Beteiligten müssen auch ohne jahrelanges Studium in der Lage sein, zu verstehen, welche Rechte und Pflichten hieraus resultieren. Es ist an der Zeit, das Steuer herumzu- reißen und sich darauf zu besinnen, was eine Krankenversicherung leisten muss und soll und welches gesetzlichen Rahmens es hierfür bedarf.

Der Staatseinfluss muss darauf beschränkt werden, die Bedingungen zu formulieren, unter denen Gesundheitsversorgung stattfinden soll. Stattdessen unternimmt der Staat zurzeit den Versuch, alles und jedes im Gesundheitswesen bis ins Einzelne zu regeln. Alle Vorgaben ändern nichts daran, dass die in der medizinischen Versorgung Tätigen durch ihre Arbeit, ihr Engagement und ihre Qualifikation trotz dieser Reglementierung noch dafür sorgen, dass Kranke eine gute medizinische Versorgung erhalten. Wenn sie motiviert sind, ihr Bestes zu geben, ist das der Garant für die bestmögliche Behandlung und Betreuung. Das bedeutet, dass es einen grundlegenden Wandel geben muss von einem Klima, das geprägt ist durch Misstrauen, Detailvorschriften und Kontrollen hin zu einem Klima, das den in den Gesundheitsberufen Tätigen Vertrauen entgegen bringt. Wenn es nicht gelingt, dafür zu sorgen, dass Ärzte, Zahnärzte, Pflegekräfte usw. eine hohe Motivation entwickeln, wird es in den nächsten Jahren sehr schwierig sein, das gute Gesundheitsniveau zu halten. Dafür müssen Leistungsanreize richtig gesetzt werden mit leistungsgerechter Honorierung gerade auch für Hausbesuche und Gesprächsleistungen. Freiräume für verantwortliches Handeln müssen geschaffen werden. Die Freiberuflichkeit muss Vorrang vor der Institutionalisierung haben. Und die viel zu viel Zeit der Patienten raubende Überregulierung muss abgebaut werden.

Als FDP fordern wir die Bundesregierung auf, das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) auf den Prüfstand zu stellen und komplett neu zu fassen. Dabei sind folgende Kriterien zugrunde zu legen:

1. Eindämmung des Staatseinflusses – Ermöglichung eines funktionsfähigen Wettbewerbs. Die Krankenkassen wandeln sich von Körperschaften des öffentlichen Rechts zu Unternehmen mit sozialer Verantwortung. Als erstes erhalten sie die Beitragsautonomie zurück. Der Gesundheitsfonds muss rückgängig gemacht werden. Ein manipulationsunanfälliger, vereinfachter Risikostrukturausgleich wird entwickelt. Ein klarer wettbewerbs- und kartell- rechtlicher Rahmen, der den Missbrauch marktbeherrschender Stellungen auf allen Seiten verhindert, muss gesetzt werden. Wer den Wettbewerb bejaht, muss auch damit leben, dass es Unterschiede gibt, denn nur daraus entwickelt sich die zur Effizienzsteigerung notwendige Dynamik. Das bedeutet, dass nicht alles einheitlich und gemeinsam und bundesweit geregelt werden kann, sondern die Kreativität der Beteiligten vor Ort zum Tragen kommen muss.

2. Verständlichkeit und Transparenz für alle Beteiligten. Das System braucht klare, einfache, sich nicht widersprechende Regelungen. Bürokratische Vor- gaben und Kontrollen müssen auf das notwendige Mindestmaß beschränkt werden. Gesetzlich vorgegebene Budgets sind durch leistungsgerechte Preise zu ersetzen. Wer gute Arbeitet leistet, muss auch mehr Geld erhalten. Im ärztlichen und zahnärztlichen Bereich z. B. muss eine nachvollziehbare Euro-Gebührenordnung als Grundlage für die Kostenerstattung die hochkomplexen Regelleistungsvolumina und die Budgets ersetzen. Im Arzneimittelbereich muss die viel zu große Zahl der verschiedensten, sich zum Teil widersprechenden Instrumente deutlich reduziert werden.

3. Strikte Einhaltung des Grundsatzes der Subsidiarität. Eigenverantwortung geht vor Kollektivverantwortung. In erster Linie sind die Menschen für ihre Gesundheit und für die Absicherung von Krankheitsfolgen selbst verantwortlich. Unterstützung und Hilfe sind dort notwendig, wo sie hierzu, aus welchen Gründen auch immer, nicht in der Lage sind.

4. Beitragsgerechtigkeit. Hierfür ist eine klare Trennung von Versicherungsleistungen und Umverteilung erforderlich. Die Absicherung für den Krankheitsfall soll über leistungsgerechte Prämien erfolgen, die Umverteilung über das Steuer- und Transfersystem. So vermeidet man, dass die alleinstehende Verkäuferin die Familie des in der GKV verbliebenen Generaldirektors subventioniert. Stattdessen ist eine zielgerichtete Unterstützung derjenigen möglich, die anderenfalls nicht in der Lage wären, einen adäquaten Versicherungsschutz zu erhalten.

5. Vorsorge für kommende Lasten. So schnell wie möglich müssen zugriffssichere Kapitalreserven für steigende Gesundheitsausgaben im Alter gebildet werden. Die demografische Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten mit der steigenden Zahl älterer Menschen und einer Abnahme der Zahl jüngerer, arbeitsfähiger Menschen bei gleichzeitigem medizinisch-technischem Fort- schritt steht fest. Deutschland braucht einen Systemwechsel weg von der Umlagefinanzierung hin zur Kapitaldeckung. In der Alterssicherung ist ein erster Schritt in diese Richtung bereits gemacht worden.

6. Planungssicherheit für Arbeitsplätze. Der Arbeitgeberbeitrag soll als Lohnbestandteil ausgezahlt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nicht durch steigende Lohnzusatzkosten zu gefährden.

7. Verlässlichkeit und Konkretisierung des Bundeszuschusses. Steuergeld darf nur für die Übernahme der Kosten exakt bestimmter versicherungsfremder Leistungen und nicht als jederzeit veränderbarer Globalzuschuss gegeben werden. Nur so ist gewährleistet, dass das Geld gezielt für den vom Gesetzgeber vorgesehenen Zweck eingesetzt wird. Durch diese Zweckbindung ist auch sichergestellt, dass nicht jedes Jahr neu über den Bundeszuschuss nach Kassenlage entschieden wird.

8. Konzentration der obligatorisch durch die Solidargemeinschaft zu finanzierenden Leistungen auf das medizinisch wirklich Notwendige. Solidarität trägt nur so lange, wie sie nicht überstrapaziert wird. Deshalb müssen Menschen zunächst einmal für sich selbst einstehen, bevor sie erwarten können, dass andere das für sie tun.

9. Stärkung der Patientenautonomie. Der Patient muss das Sagen haben und nicht Experten am grünen Tisch. Er muss sich gemeinsam mit seinem Therapeuten frei für eine Therapie entscheiden können und darf nicht jeglichen Anspruch an seine Krankenkasse verlieren. Notwendig ist eine Mehrkostenregelung, damit Versicherte ihre Wahlfreiheit auch nutzen können.

10. Stärkung des Verantwortungsbewusstseins auf allen Ebenen. Die Versicher- ten sollen neben der unbedingt notwendigen Grundversorgung frei über den Leistungsumfang und die Tarifgestaltung bestimmen können. Das Sachleistungsprinzip, das dem Patienten nach Zahlung des Krankenversicherungsbeitrages freien Zugang zu allen Gesundheitsleistungen ermöglicht, ohne dass er überhaupt weiß, welche Kosten er hierdurch verursacht, muss durch das Kostenerstattungsprinzip ersetzt werden, verbunden mit intelligent aus- gestalteten Selbstbeteiligungslösungen.

11. Stärkung der Freiberuflichkeit als elementare Voraussetzung für eine Gesundheitsversorgung, die an den Interessen der Patienten ausgerichtet ist und individuelle Therapiekonzepte ermöglicht.

12. Verhinderung einer Kochbuchmedizin, die auf dem Irrglauben beruht, die Medizin sei eine reine Naturwissenschaft. Therapiefreiheit bedeutet auch Therapieverantwortung des Arztes. Es ist ureigenste Aufgabe der ärztlichen Standesorganisationen dafür zu sorgen, dass in diesem Rahmen die Qualität gewährleistet ist. Ärzte haben einen Anspruch darauf in ihrer Arbeit unter- stützt zu werden durch Leitlinien, Empfehlungen und eine gute Aufbereitung vorhandener Studienergebnisse. Das Arzt-/Patientenverhältnis darf nicht durch übermäßige Globalvorgaben gefährdet werden. Den Standardpatienten gibt es nicht und damit auch keine allgemein gültige Standardtherapie.

13. Faire Wettbewerbsbedingungen für GKV und PKV. Die Verschlechterung der Bedingungen, unter denen Bürger sich für einen privaten Krankenversicherungsschutz entscheiden können, muss rückgängig gemacht werden. Stattdessen muss jeder Bürger die freie Wahl haben, bei welchem Krankenversicherer er seinen Versicherungsschutz abschließen möchte.

14. Große Sensibilität für datenschutzrechtliche Belange. Voraussetzung für die elektronische Gesundheitskarte muss sein, dass ihre Nutzung auf freiwilliger Basis erfolgt. Auch ein indirekter Zwang muss ausgeschlossen sein. Patienten, die eine spezielle hausärztliche Versorgung wünschen, dürfen hier- von nicht abgeschnitten werden, nur weil sie nicht bereit sind, der Führung einer Patientenakte zuzustimmen. Krankenkassen dürfen nicht in die Lage kommen, ihre Versicherten zu gläsernen Patienten zu machen.

Mit besten grüßen aus Erfurt,

Thomas L. Kemmerich