Frage an Thomas L. Kemmerich von Thomas F. bezüglich Wirtschaft
Tausende Opel-Werker gehen auf die Straße - Zack ist der Staat mit 2 Milliarden Rettungspaket auf der Bildfläche. Das Ergebnis: Wir Bürger stehen nun mit mehreren Millionen für den Schaden gerade.
Ich bin gegen diese Art Stimmenkauf. Wie steht die FDP zum Rettungswahn der Regierung?
Sehr geehrter Herr Frankenhäuser,
es gibt durchaus Situationen, in denen der Staat Unternehmen helfen muss, um in einer wirtschaftlich prekären Lage nicht Konkurs zu gehen. Diese Hilfen sollten sich jedoch auf günstige Kredite bzw. staatliche Darlehen nach Prüfung der Fakten beschränken und in Zeiten herrschender Finanzmarktkrise unkompliziert und rasch vergeben werden können. Im Moment verzeichnen wir eher eine Kreditklemme. Die Banken reagieren übervorsichtig und bremsen Unternehmen mit ihrer Vergabepraxis aus. Gleichzeitig steigern sie ihre Eigenkapitalquote. An dieser Stelle würden staatliche Vergabe-Maßstäbe helfen, Gelder auch ankommen zu lassen anstatt den Banken saftige Rücklagen zu bescheren.
Der Fall Opel ist dagegen komplizierter gelagert, denn die Automobilindustrie insgesamt sieht sich einem Abwärtstrend gegenüber, der noch immer negiert bzw. schön geredet wird. Fakt ist, dass wir eine Überproduktion von knapp vierzig Prozent weltweit verzeichnen. Auch in Deutschland. Außerdem sind die Produktpaletten nicht an die Nachfrage angepasst. Kleine, Sprit sparende Autos kamen erst schleppend auf den Markt, bei alternativen und umweltfreundlichen Antrieben wie dem Hybridantrieb oder den Elektromotoren (Stichwort Solarenergie) hat sich die Industrie lange gewehrt, auf die Wünsche der Kunden einzugehen. Zu lange. Ganz im Gegenteil: Mit großen Dieselfressern (SUVs) wurde kurzzeitig eine Marktlücke gefunden.
Mit der Abwrackprämie kam ein kurzfristig wirkendes Instrumentarium hinzu, die Absätze der strauchelnden Branche anzukurbeln. Doch wir vergessen über den dreiseitigen Anträgen auf 2500 Euro beim Kauf eines Neuwagens zu gern, das auch diese "Finanzspritze" zurück gezahlt werden muss. Von den Steuerzahlern. Und den Trend auf dem Automobilmarkt konnten wir mit diesem Geld nicht herum reisen!
Warum dieser Exkurs? Nun, im Fall Opel hat selbst Wirtschaftsminister zu Guttenberg angesichts der sich zuspitzenden Lage des Autobauers und auch angesichts der längst überholten Produktpalette seine Zweifel geäußert, ob staatliche Finanzspritzen hier noch helfen oder nicht eine geordnete Insolvenz dem Unternehmen mehr Chancen bieten würde. Im Fall Opel ist es aber zu einer emotionsgeladenen Debatte ausgeufert, die Regierung wurde durch Gewerkschaften und Industrieverbände geradezu genötigt, einzugreifen und um jeden Preis Arbeitsplätze zu retten. Am besten jeden Einzelnen. Aus der Holzmann-Pleite, die Gerhard Schröder 1999 zur "Chefsache" erklärt hatte, hat man nichts gelernt. Damals wurde dem Baumogul auch durch Millionen-Hilfen vom Staat ein überleben ermöglicht. Ganze zwei Jahre später sollte sich dieser Schritt als überflüssig erwiesen haben. Holzmann war am Ende.
Vor diesem Hintergrund und mit diesen Prognosen hätte sich die Regierung nicht derart unter Druck setzen lassen dürfen. Es gehört auch heute - so emotionslos das auch klingen mag - zum Wirtschaftsalltag, dass Unternehmen nicht am Markt bestehen und andere immer wieder einen Weg finden. Siehe Ford. Ganz ohne großes Tamtam haben sich die Quartalszahlen des Autobauers stetig verbessert. Ohne Rettungsschirm und Demonstrationen. Aber sicher nicht ohne Einschnitte und strategische Maßnahmen.
Prinzipiell soll der Staat eine Hilfe zur Selbsthilfe bieten, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschlossen werden können. Wir müssen sehen, wie sich Opel nach der Magna-Übernahme entwickelt. Ich bleibe skeptisch angesichts der zu erwartenden Rückzahlsummen. Und: Privat geht auch hier vor Staat.
Mit freundlichen Grüßen aus Erfurt,
Thomas L. Kemmerich