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Thomas Hitschler
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Frage von Michael M. •

Frage an Thomas Hitschler von Michael M. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Hitschler,

wie stehen Sie persönlich zum Cannabisverbot?
Halten Sie eine kontrollierte Abgabe für sinnvoll?
Sind Sie für eine Entkriminalisierung der Konsumenten?
Wie stehen Sie dazu, das man auch nach mehrwöchiger Abstinenz noch seinen Führerschein verlieren kann? Sehen Sie in dem Thema Handlungsbedarf?

Vielen Dank,

M. Mayer

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Sehr geehrter Herr Mayer,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne beantworte.
Gerade junge Menschen fragen mich immer wieder nach meiner Haltung zu diesem Thema. Grundsätzlich muss man mehrere Aspekte differenzieren, etwa gesundheitliche, suchtpolitische und strafrechtliche.
Zunächst müssen wir akzeptieren, dass Cannabisprodukte im Jahr 2019 nicht mehr der harmlose „Hippie-Spaß“ sind, als der sie oft wahrgenommen werden. Drogenhandel ist streng marktwirtschaftlich orientiert, was bedeutet, dass entweder über den Preis, oder die Potenz ein Wettbewerbsvorteil erlangt werden soll. Da Cannabis, im Vergleich zu anderen illegalen Drogen, eher billig ist, wurden die Pflanzen in den vergangenen Jahren immer weiter hochgezüchtet. In der Folge kann regelmäßiger und intensiver Cannabisgebrauch zu körperlichen und psychischen Erkrankungen, negativen sozialen Konsequenzen und zu Schäden für andere Personen führen.
Auf der anderen Seite hat sich Cannabis als effektives Schmerzmittel, gerade bei chronischen Erkrankungen, erwiesen. Ich habe daher im vergangenen Jahr, zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion, dafür gestimmt, eine Änderung der betäubungsmittelrechtlichen und anderer Vorschriften durchzusetzen, durch die Arzneimittel auf der Basis von Cannabis sowie getrocknete Cannabisblüten (Medizinalhanf) schwer und chronisch Erkrankten auf Rezept verschrieben werden können. Zudem werden die Kosten von den Krankenkassen übernommen.
Natürlich führen auch legale Suchtmittel wie Alkohol oder Tabak zu Suchterkrankungen und Gesundheitsschäden. Ich bin aber der Meinung, dass dies an sich kein Argument für eine Legalisierung sein kann. Eine Entkriminalisierung kann ich mir aber trotzdem gut vorstellen. Zu viele junge Menschen verbauen sich Lebenswege, indem sie Vorstrafen für Drogenbesitz, aufgrund von Cannabiskonsum, erhalten. Außerdem binden Ermittlungs- und Gerichtsverfahren wegen Cannabis Ressourcen bei den Strafverfolgungsbehörden und den Gerichten. Eine Entkriminalisierung muss aber Hand in Hand gehen mit der staatlich kontrollierten Abgabe von Cannabis. Andernfalls stärken wir kriminelle Netzwerke und Drogenhändler.
Im Juni dieses Jahres fand zum wiederholten Mal eine öffentliche Expertenanhörung im Bundestag zum Thema Modellprojekte zur kontrollierten Abgabe von Cannabis statt. Andere, auch europäische Länder sind diesbezüglich schon weiter als Deutschland und gewinnen aus ihren Modellprojekten viele brauchbare Erkenntnisse für eine zeitgemäße Drogenpolitik.
Die gewonnenen Erkenntnisse haben auch bei unseren Koalitionspartnern mittlerweile ein teilweises Umdenken erreicht, wodurch auch dort einzelne Stimmen in Richtung Modellprojekte zur regulierten Abgabe von Cannabis laut werden. Modellprojekte mit begleitenden Präventionsangeboten und einem Abgabesystem mit klaren Jugendschutzregelungen können uns die nötigen Rückschlüsse für ein bundesweites System einer kontrollierten Abgabe ermöglichen.
Zwei Einschränkungen sehe ich aber dennoch, die wir unbedingt umsetzen müssen: Zum einen muss es eine einheitliche europäische Regelung zur legalen Cannabis Abgabe und Nutzung geben. Diese brauchen wir, um eine Art „Kiff-Tourismus“ auszuschließen, bei denen Konsumwillige an den Wochenende deutsche Städte besuchen, um sich zu berauschen. Die sozialen Folgekosten dessen wären zu hoch.
Und eine kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten muss einhergehen mit einer konsequenten Bekämpfung der Drogenkriminalität. Wer heutzutage mit Cannabis dealt, tut dies nicht, um anderen Menschen den Weg in die Bewusstseinserweiterung zu ermöglichen, sondern um damit Geld zu verdienen.
Wenn der illegale Cannabismarkt wegfällt, sehe ich die Gefahr, dass andere, schädlichere Drogen günstiger werden, um diese Marktlücke zu füllen. Daher müssen wir hier weiter wachsam sein.
Abschließend noch zur Frage des Führerscheinverlustes: Das Bundesverwaltungsgericht hat im April dieses Jahres geurteilt, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei einem gelegentlichen Konsumenten von Cannabis, der erstmals unter der Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat, in der Regel nicht ohne weitere Aufklärung von fehlender Fahreignung ausgehen und ihm unmittelbar die Fahrerlaubnis entziehen darf. Vor dem Führerscheinverlust muss also erstmal eine MPU angeordnet werden. Wenn im Rahmen dieser Untersuchung eine fehlende Fahreignung festgestellt wird, obwohl der letzte Cannabiskonsum mehrere Wochen zurückliegt, spielen sehr wahrscheinlich noch andere Faktoren eine Rolle.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen beantworten konnte und stehe für Rückfragen gerne unter thomas.hitschler@bundestag.de zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Hitschler

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