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Thomas Hitschler
SPD
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Frage von Georg S. •

Frage an Thomas Hitschler von Georg S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Hitschler,

Die jährliche Steuerhinterziehung innerhalb der EU beläuft sich Schätzungen zu Folge auf ca. 1 Billion EUR. Davon entfallen ca. 150 Milliarden EUR allein auf Deutschland.
Was hat Ihre Partei konkret in der zu Ende gehenden Legislaturperiode dagegen unternommen?
Was steht dazu in Ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2017?

Mit freundlichen Grüßen
G. S.

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Antwort von
SPD

Hallo G. Stakewitz,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich sehr gerne beantworte.
In dieser Wahlperiode haben wir vor allem das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz beschlossen. Mit dem Gesetz werden die Konsequenzen aus den sogenannten Panama-Papers gezogen. Durch diese Enthüllungen war im April letzten Jahres erstmals einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden, in welchem Ausmaß anonyme Briefkastenfirmen für Steuerhinterziehung und Geldwäsche genutzt werden.
Mit dem Gesetz soll nun Licht in die dunklen Geschäftsbeziehungen zu Briefkastenfirmen in Steueroasen gebracht werden. Dazu werden die Offenlegungs- und Mitwirkungspflichten von Steuerpflichtigen erweitert. Künftig muss der Erwerb von direkten und indirekten Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften angezeigt werden. Banken müssen künftig mitteilen, wenn sie Geschäftsbeziehungen zu Briefkastenfirmen vermitteln. Bei einem Verstoß gegen diese Pflichten können sie für mögliche Steuerausfälle haftbar gemacht werden.
Die Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzbehörden werden verbessert. Das steuerliche Bank-geheimnis wird aufgehoben. Die Möglichkeiten des Kontenabrufs werden ausgebaut. Die Steuerhinterziehung mittels Briefkastenfirmen wird in den Katalog der schweren Steuerhinter-ziehung aufgenommen. Dadurch verlängert sich die Verjährungsfrist auf zehn Jahre.
Den Banken werden strengere Pflichten zur Identifikation ihrer Kunden auferlegt. Diese Pflichten erstrecken sich nicht mehr nur auf Kontoinhaber und Verfügungsberechtigte, sondern auch auf die oftmals im Hintergrund stehenden wirtschaftlich Berechtigten: Neben Namen, Anschrift und Geburtsdatum muss künftig auch die steuerliche Identifikationsnummer festgestellt werden. Das erleichtert Kontoabfragen durch die Finanzbehörden.
Auf Druck der SPD-Fraktion wurde das Gesetz um eine Meldepflicht der Banken über Konten ohne eindeutige Identifikationsmerkmale ergänzt. Um Alltagsgeschäfte nicht unnötig zu belasten, haben die Abgeordneten Kreditkonten für Verbraucherkredite bis zu 12.000 Euro von der Pflicht zur Erhebung der steuerlichen Identifikationsnummer ausgenommen.
Darüber hinaus haben wir das Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen beschlossen. Durch dieses Gesetz wird Gewinnverschiebungen multinationaler Konzerne durch die Ausnutzung sogenannter Patentboxen ein Riegel vorgeschoben.
Das Gesetz sieht dazu vor, dass Lizenzzahlungen für die Nutzung von Patenten im Inland künftig nur noch beschränkt vom Gewinn abgezogen werden können, wenn sie im Ausland beim Empfänger im Rahmen einer Patentbox lediglich einer schädlichen Niedrigbesteuerung unterliegen. Eine schädliche Niedrigbesteuerung ist gegeben, wenn die Steuerbelastung unter 25 Prozent liegt und die Steuervergünstigung unabhängig von einer Forschungs- und Entwicklungstätigkeit beim Empfänger gewährt wird. Je höher die steuerliche Belastung beim Empfänger und je mehr die Lizenzzahlung als Entgelt für die Nutzung eines selbstentwickelten Patentes erfolgt, desto höher ist der abziehbare Anteil der Lizenzzahlungen beim Schuldner.
Die Beschränkung wird außerdem nur auf konzerninterne Lizenzzahlungen angewandt. Diese Regelung entspricht dem sogenannten Nexus-Ansatz der OECD und folgt somit den internationalen Empfehlungen zur Bekämpfung von schädlichen Gewinnverschiebungen und Gewinnkürzungen multinationaler Konzerne.
Wir haben den Gesetzentwurf dann noch um eine Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen ergänzt. Damit wird die Fortführung von in Schieflage geratenen Unternehmen erleichtert. Eine gesetzliche Regelung ist notwendig geworden, nachdem der Bundesfinanzhof den bisher geltenden Sanierungserlass der Finanzverwaltung gekippt hat.
Außerdem wird die Grenze für die Sofortabschreibung von sogenannten Geringwertigen Wirtschaftsgütern von 410 Euro auf 800 Euro fast verdoppelt. Durch die schnellere Abschreibung erhöht sich die Liquidität der Unternehmen und damit ihre Investitionsfähigkeit. Außerdem profitieren sie von einer einfacheren Verwaltung, die mit der höheren Sofortabschreibungsgrenze verbunden ist.
Soviel zu den bereits beschlossenen Maßnahmen. Ihre Frage schloss aber auch ein, was im Wahlprogramm der SPD zur Bundestagswahl zu diesem Thema steht. Dor finden Sie Folgendes:
„Steuerbetrug und -vermeidung bekämpfen:
Steuerhinterziehung ist kriminell. Es kann nicht sein, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die allermeisten Unternehmen ehrlich ihre Steuern zahlen und andere ihre Steuern klein rechnen oder gar hinterziehen. Manche lassen sich sogar Steuern „zurückerstatten“, die nie gezahlt wurden. Das verursacht Schäden in Milliardenhöhe für unsere Gesellschaft. Steuerbetrug, Steuervermeidung und Geldwäsche werden wir daher hart bekämpfen. Wir machen Politik für die Anständigen.
In Deutschland wollen wir einen gerechten Steuervollzug – von der Steuererhebung bis zur Steuerprüfung. Wir wollen, dass alle Bundesländer ihre Steuerverwaltung, Steuerfahndungen und Betriebsprüfungen personell vernünftig aufstellen. Sämtliche aus einer Straftat erlangten Vermögenswerte und alle rechtswidrigen Gewinne sollen konsequent eingezogen werden. Den Steuerbetrug mit Hilfe von manipulierten Registrierkassen wollen wir unterbinden. Wir werden die bisher ergriffenen Maßnahmen weiterentwickeln. Dabei nehmen wir auf die Belange von Kleinstbetrieben und Vereinen Rücksicht. Wir wollen sicherstellen, dass der rechtmäßige Steuereinzug auch bei Geschäften über Plattformen im Internet tatsächlich gesichert werden kann.
Wir akzeptieren keine Steuervermeidungspraxis innerhalb Europas. Durch die Einführung einer gemeinsamen Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer und von Mindeststeuersätzen sorgen wir in Europa für Fairness und verhindern Dumping. Dadurch schließen wir außerdem Lücken zwischen nationalen Steuersystemen, die von multinationalen Konzernen zur Steuervermeidung genutzt werden.
Steuergerechtigkeit muss national, europäisch und international durchgesetzt werden:
Wir werden die Möglichkeiten einer Telefonüberwachung zur Verfolgung besonders schwerer Fälle von Steuerhinterziehung erweitern. Zurzeit ist eine Überwachung nur bei bandenmäßigem Umsatzsteuerbetrug möglich. Neben der Unterstützung beim Aufbau effizienter nationaler Steuersysteme kommt es darauf an, die Kapitalabflüsse durch Steuerhinterziehung und -vermeidung zu stoppen. Die hohen Geldbeträge, die auf diesem Weg am Fiskus vorbei ins Ausland fließen, fehlen uns für Investitionen in unsere Zukunft. Die Enthüllungen durch die „Panama-Papiere“ haben deutlich gemacht, dass wir ein lückenloses Programm zur Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerbetrug auf internationaler Ebene brauchen. Seit 2017 gibt es durch den automatischen Informationsaustausch eine verbesserte Transparenz. Wir wollen die Initiative für fairen Internationalen Steuerwettbewerb vollständig umsetzen. Wir werden mit dieser BEPS-Initiative der OECD die Transparenz internationaler Transaktionen erhöhen, die nationalen Steuersysteme besser aufeinander abstimmen und den schädlichen Steuerwettbewerb international eindämmen. Damit verhindern wir, dass Unternehmen ihre Gewinne künstlich kleinrechnen und sich ihrer Steuerverantwortung entziehen.
Wir wollen zudem ein europäisches Transparenzregister, in dem alle Eigentümer, Begünstigte wie auch die verantwortlichen Personen eines Unternehmens für Steuerbehörden transparent aufgeführt sind. Wir werden uns erneut für eine „schwarze Liste“ der Steueroasen der OECD einsetzen und reine Vermögensanlagen in den Staaten auf dieser Liste beschränken. Es darf keine anonymen Briefkastenfirmen mehr geben, deren einziger Zweck es ist, Steuern zu hinterziehen. Wir wollen ein Verbot anonymer Finanzgeschäfte in Offshore-Gebieten und harte Sanktionen für Banken, die sich nicht an die Regeln halten – bis hin zum Entzug der Banklizenz.“
Das finden Sie in unserem Wahlprogramm auf den Seiten 41 und 42. Wenn Ihnen dies gefällt, schlage ich vor, Sie schauen selbst einmal rein. Ich gehe nämlich davon aus, dass Sie dann dort noch mehr Punkte finden, die Ihnen gefallen werden.
Sollten Sie noch weitere Fragen haben, können Sie mir gerne direkt unter thomas.hitschler@bundestag.de schreiben.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Hitschler

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