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Thomas Hitschler
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Frage von Sigrid M. •

Frage an Thomas Hitschler von Sigrid M. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Hitschler,

die Bundesregierung will betrügerische Banken belohnen, indem sie diesen Banken die durch Steuerbetrug hinterzogenen Milliardenbeträge aus den Cum-Ex-Geschäften "schenken" möchte, obwohl Steuerbetrug eigentlich durch Haftstrafen geahndet werden müßte. Wie erklären Sie den Bürgern, dass wieder einmal die Banken auf Kosten der Steuerzahler jetzt auch noch für ihren Betrug belohnt werden sollen? Wie erklären Sie der hart arbeitenden Bevölkerung, dass keine Geldmittel zur Verfügung stehen, um endgültig die kalte Progression abzuschaffen oder um für Renten Sorge zu tragen, von denen ein Rentner auch in Würde leben kann oder dass diese Mittel nicht in die gesetzlichen Krankenkassen fließen, da die Beitragszahler auch noch die Krankenkosten für alle anerkannten Flüchtlinge aufzubringen haben? Warum werden nicht aus diesen Mitteln die 350 Mio Euro der Arbeitslosenversicherung der Beitragszahler erstattet, die die Regierung unrechtmäßig 2015 entwendet hat, um davon Deutschkurse für Flüchtlinge zu bezahlen http://www.ardmediathek.de/tv/FAKT/Deutsch-Kurse-Wie-viel-Geld-mit-wenig-E/Das-Erste/Video?bcastId=310854&documentId=37565058 ? Wie kann die Bundesregierung diese Milliardengeschenke an betrügerische Banken überhaupt erwägen? Denken Sie, dass Bürger bei kommenden Wahlen noch ihre Stimmen jenen Parteien geben, die schon lange das Wohl der Bürger aus den Augen verloren haben und offensichtlich nur noch zum Wohl von Lobbyisten handeln?

Gern erwarte ich Ihre Erklärung für die Geldgeschenke an betrügerische Banken!

Mit freundlichen Grüßen
Sigrid Masa

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Sehr geehrte Frau Masa,

vielen Dank für Ihre Frage, die Sie mir ja auch zeitgleich direkt per E-Mail geschickt haben. Da Sie über abgeordnetenwatch.de ja selbst die Öffentlichkeit gesucht haben, beantworte ich Ihre Fragen hier.

Dividendenstripping, wie die „Cum-Ex“-Geschäfte auch genannt werden, gehören zu den größten Fällen von Steuerbetrug in Deutschland. Einzelne Banken und Fonds haben aus dem Steuerbetrug ein Geschäftsmodell gemacht. Der entstandene Schaden für den Fiskus ist immens. Im Kern haben sich die Finanzmarktakteure vom Fiskus Kapitalertragsteuer erstatten lassen, die sie gar nicht bezahlt haben. Aufgrund der Komplexität und Intransparenz der Geschäfte konnten diese Machenschaften lange Zeit nicht aufgedeckt werden. Es bedurfte auch mehr als eines Anlaufs, um diesen Geschäften die Grundlage zu entziehen. Die Gestaltungen konnten erst durch eine vollständige Umstrukturierung des Erhebungsverfahrens der Kapitalertragsteuer abgestellt werden.

Im Parlament nehmen wir dieses Thema sehr ernst und haben einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der sich mit der Verantwortung der Politik befasst. Derzeit laufen zudem mehrere Gerichtsverfahren, in denen geklärt wird, ob mit dem Dividendenstripping gegen damals geltendes Recht verstoßen wurde. Sollte das nicht der Fall sein, wird es in der Tat schwierig, steuerliche Nachforderungen an die beteiligten Banken zu stellen.

Anders verhält es sich im Falle so genannter Cum-Cum-Geschäfte. Die Steuererstattung hierbei hat der Bundesfinanzhof schon im Sommer 2015 für unzulässig erklärt. Also hätte die Bundesregierung Nachforderungen durchsetzen können. In der Finanzbranche wuchsen also die Sorgen vor schmerzhaften Nachzahlungen. Zumindest bis vergangene Woche. Dann verschickte das Schäuble-Ministerium das umstrittene Schreiben, auf das Sie vermutlich Bezug nehmen, an die Finanzbehörden der Länder. Darin schreibt der Minister, dass Cum-Cum-Geschäfte nicht zu beanstanden seien, wenn die Beteiligten damit vor Abzug und Rückerstattung der Steuern einen Gewinn machen. Weil das aber im Prinzip das Geschäftsmodell von Cum-Cum ist, werden den Finanzbehörden damit die Hände gebunden.

Ebenso wie mein Kollege und Parteifreund Norbert Walter-Borjans, der Finanzminister von NRW, bin ich damit nicht einverstanden. Ich würde eine Nachforderung und die damit verbundenen Steuermehreinnahmen begrüßen.

Ob genau diese Einnahmen dann aber in die Gesundheitsversorgung von Geflüchteten fließen, kann aufgrund des Verbots der Zweckbindung bei Steuereinnahmen nicht komplett gewährleistet werden. Grundsätzlich würde ich aber auch hier eine Finanzierung aus Steuermitteln gegenüber der aus Krankenversicherungsbeiträgen vorziehen. Allerdings befindet sich der entsprechende Gesetzentwurf noch am Anfang des parlamentarischen Verfahrens. Wichtig ist mir dabei, dass wir eine Lösung finden, die eine menschenwürdige Gesundheitsversorgung sicherstellt, die Kommunen entlastet und gleichzeitig zukunftsfest ist.

In Ihrer direkten E-Mail an mich hatten sie noch zwei weitere Punkte angesprochen, zu denen ich Ihnen ebenfalls antworten möchte: Zum einen wäre das die so genannte Mütterrente. Hier haben wir den Status von Frauen, die vor 1992 Mutter geworden sind, dem der Frauen angepasst, die danach Kinder bekommen haben. Dies war vor allem der Unionsfraktion ein wichtiges Anliegen, fand sich in ähnlicher Weise aber auch im Wahlprogramm der SPD zur letzten Bundestagswahl. Unser Ziel war und ist es, eine Solidarrente einzuführen, die auch Selbstständige einbezieht, um Altersarmut wirksam zu bekämpfen. Unser Ansatz war es, die Mehrkosten der Solidarrente aus Steuermitteln zu zahlen. Die Union hatte andere Ansichten. Trotzdem mussten wir uns einigen, damit wir im Koalitionsvertrag auch SPD-Projekte, wie den Mindestlohn, durchsetzen konnten.

Auch zu diesem Thema hatten Sie mich gefragt, besonders danach, weshalb es immer noch Ausnahmen zum Mindestlohn gibt. Es gibt für einige wenige Gruppen Tatsächlich Ausnahmen vom Mindestlohn: Für Auszubildende, Pflichtpraktikanten, Freiberufler, Selbstständige, Langzeitarbeitslose, Zeitungszusteller, Saisonkräfte, Arbeitnehmer, die an einen branchenbezogenen Mindestlohntarifvertrag gebunden sind, Jugendliche unter 18 Jahren, bzw. ohne abgeschlossene Ausbildung, und Mitarbeiter, die ehrenamtlich tätig sind. Diese Gruppen kann man in drei Kategorien einteilen: Personen in Ausbildung oder beim Wiedereintritt in die Erwerbstätigkeit, Freiberufler und Selbstständige, die ihren Lohn selbst festlegen, und Zeitungszusteller und Saisonkräfte. In der dritten Kategorie gibt es Übergangsfristen, die es den einstellenden Unternehmen ermöglichen sollen, ihre Geschäftsmodelle so umzustellen, dass keine Arbeitsplätze verloren gehen. Große „Lobbygeschenke“ kann ich hier nicht erkennen.

Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen damit beantworten konnte und stehe auch künftig gerne, direkt oder über diese Plattform, als Ansprechpartner zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Hitschler

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