Frage an Thomas Hitschler von Stephan H. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Hitschler,
In Kürze wird der Referentenentwurf zur Neufassung des §611a BGB dem Bundeskabinett vorgelegt und wird dann in den Ausschüssen des Bundestages diskutiert. In diesem Paragraphen soll der Begriff "abhängig Arbeit" generell definiert werden. https://www.4freelance.de/blog/gefaehrdung-des-modells-freelancer-durch-den-referentenentwurf-zu-%C2%A7611a-bgb/ Die vorgeschlagenen Vorschriften und Kriterien sind geeignet, einen kompletten, seit mehr als 30 Jahren erfolgreich tätigen Berufsstand zu zerstören. In Zeiten, wo Internet und IT nicht mehr "Neuland" sind, sondern endlich die strategische Bedeutung dieser Technologie erkannt wurde, sollen Menschen, die in freien Berufen der IT-Branche tätig sind und Unternehmen flexibel mit KnowHow bei der Bewältigung von Industrie4.0 unterstützen, die Erwerbsgrundlagen entzogen werden. Denn gerade die Flexibilität der IT-Freiberufler, die oft 6-stellige Umsätze pro Jahr erwirtschaften, garantiert eine ortsnahe Umsetzung und verhindert den Abfluß von Wissen ins Ausland. Denn die Kunden dieser IT-Freiberufler,die derzeit bei in Deutschland versteuernden Menschen, würden ansonsten entsprechende Experten im Ausland beauftragen. Tausende einheimischen IT-Freiberufler verlören ihre Erwerbsgrundlagen und würden den Sozialkassen anheim fallen. Dieses betrifft viele Menschen auch in der Südpfalz. Frage: Welche Haltung haben Sie zu dem Gesetzentwurf des Arbeitsministeriums?
Mit herzlichen Grüßen
Stephan Hoppe
Sehr geehrter Herr Hoppe,
vielen Dank für Ihre Frage. Wie Sie sicher der Presse entnommen haben, war in den vergangenen Wochen viel Bewegung in der Sache der Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen. Da ich Ihnen in der Sache auf Fakten basierend antworten wollte, mussten Sie leider etwas auf meine Antwort warten. Nachdem die Abstimmung auf Kabinettsebene in dieser Woche leider nicht zustande gekommen ist, dreht sich die Debatte zum gegenwärtigen Zeitpunkt um einen Referentenentwurf, der noch nicht dem Deutschen Bundestag übermittelt wurde. Erst nach Einbringung ins Parlament wird im Rahmen einer öffentlichen Anhörung dieser Referentenentwurf mit Expertinnen und Experten diskutiert und dann abschließend im deutschen Bundestag beraten und verabschiedet. Sie kritisieren insbesondere die im Referentenentwurf vom vergangenen November formulierten Kriterien zur Definition eines Arbeitsvertrages. Aufgrund eines weiteren Sozialpartnergespräches hat das Bundesarbeitsministerium die Regelung des § 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) überarbeitet und die Kriterien herausgenommen. Ihrem Anliegen wurde Rechnung getragen. Die neue praktikable Lösung orientiert sich an den Vorschlägen von Arbeitsrichterinnen und Arbeitsrichtern. Hierzu geben wir Folgendes zu Bedenken: Seit einigen Jahren benutzen Arbeitgeber verstärkt Leiharbeit und Werkverträge dazu, Belegschaften zu spalten und Lohndumping zu betreiben. Dadurch sind Beschäftigte zweiter und dritter Klasse entstanden. Sie verfügen über weniger Lohn, haben schlechtere Arbeitsbedingungen und weniger Rechte.
Der Referentenentwurf sieht zur Missbrauchsbekämpfung die Einfügung eines neuen § 611a im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zum Dienstvertrag vor. Eine gesetzliche Fixierung der Abgrenzung zwischen ordnungsgemäßen und missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatz, ist im BGB erforderlich, um das Arbeitsverhältnis zu definieren und damit den Arbeitsvertrag vom Werkvertrag abgrenzen zu können. Die sinnvolle Arbeitsteilung dieser beiden Instrumente, etwa der Einsatz externen Experten, wird dadurch nicht eingeschränkt, da die Gesamtabwägung aller Umstände maßgeblich bleibt. Betrug wird aber in Zukunft deutlich erschwert. Für Arbeitgeber wird mit den Regelungen des aktuellen Referentenentwurfes mehr Rechtssicherheit bei der Abgrenzung von abhängiger und selbstständiger Tätigkeit geschaffen. Im Referentenentwurf wird gesetzlich definiert, wer Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer ist. Die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriterien werden zur Verbesserung von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit festgeschrieben. Für die Feststellung eines Arbeitsvertrages kommt es auf die getroffenen Vereinbarungen, also auf den Vertrag, und auf dessen praktische Durchführung an. Widersprechen sich der Vertrag und seine tatsächliche Durchführung, ist die tatsächliche Durchführung des Vertrags-verhältnisses zur Einordnung als Arbeitsvertrag maßgebend. Mit den Regelungen des Referentenentwurfes bekommen die Betroffenen und Prüfbehörden einen klaren Orientierungsrahmen. Sie dienen damit der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bei der Anwendung des geltenden Rechts. Ich hoffe, dass die Union ihre überraschende Abkehr von bereits getroffenen Kompromissen noch einmal überdenkt und sich an die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages erinnert. Im Koalitionsvertrag wurde nämlich festgelegt, Leiharbeit und Werkverträge zu regulieren, um den Missbrauch zu beenden und das Umgehen von Arbeitsstandards verhindern. Hierfür sollen die gesetzlichen Rahmenbedingungen geändert werden.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen beantworten konnte und stehe Ihnen gerne weiter als Ansprechpartner zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Hitschler